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Bilanz des Karnevals in Corona-ZeitenWarum diese Session dennoch keine verlorene war

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Die Fahne hoch halten, auch während Corona

Köln – Als die historische Karnevalssession 2021 zu Ende geht, stehen Prinz Sven I., Jungfrau Gerdemie und Bauer Gereon mit einigen Offiziellen des Festkomitees auf dem Dach der Hofburg um den lodernden Nubbel. Gebannt schauen sie zu, wie mit der Strohpuppe auch alle Verwünschungen, alle Schuld und alles Übel der Karnevalszeit in Flammen aufgehen, so prophezeit es der Brauch. „Es war eine einmalige Reise. Diese Stadt braucht ein Dreigestirn. In jeder Session“, stellt der Prinz trotzig fest. Damit verbunden ist die Gewissheit, das Ornat in der kommenden Session wieder tragen zu dürfen. Auch das ist historisch.

Zugleiter Holger Kirsch strahlt mit seinem Blick in die Zukunft viel Optimismus aus. „Das neue Motto öffnet die Tür hinaus aus der pandemiebedingten Depression“, sagt Kirsch. Kommend Session wolle man „alle Facetten des Karnevals spielen“, verkündet er voller Zuversicht. „Alles hät sing Zick“, heißt der Leitspruch, den das Festkomitee über die kommende Karnevalszeit gelegt hat. Denn klar ist auch, dass niemand mehr eine Session wie die gerade beendete erleben will. „Es ist nicht der Karneval, den wir uns wünschen. Aber der, den die Menschen brauchen“, resümiert Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn fast schon philosophisch.

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Viele Kölner ließen es sich nicht nehmen, kostümiert auf die Straße zu gehen.

Dutzende Videobotschaften hat das Dreigestirn aufgenommen, im Autokino haben sich die Tollitäten bei einer Sitzung unter freiem Himmel feiern lassen. In Innenhöfen von Krankenhäusern und Seniorenheimen haben die Drei von der Ladefläche eines Lastwagens aus den Menschen an den Fenstern gewunken. Karnevalsvereine haben Pakete für ihre Mitglieder geschnürt und ihre Aktivitäten in den virtuellen Raum verlagert. „Die Menschen haben diese Session viel bewusster Karneval konsumiert. Diese Tiefe werden wir im normalen Karneval vermissen“, sagt Kuckelkorn.

Ist im nächsten Jahr alles wirklich wieder normal?

Womit die Frage gestellt ist, wie normal die kommende Session werden kann. Mit vollen Sälen rechnet derzeit niemand. Statt 1300 Jecken im Gürzenich werden es nach der Prognose vieler Verantwortlicher vielleicht 800 sein. Doch schon jetzt überlegt das Festkomitee, wie es einige pandemiebedingte Neuerungen bewahren kann. Selten, so heißt es unisono, sei die Resonanz auf den Proklamations-Film so gut gewesen wie dieses Jahr. „Wir überlegen, wie wir einige Elemente behalten können. Zum Beispiel die Geschichte, die über das Dreigestirn erzählt wurde“, sagt der Präsident. Doch seit Jahren erleben die Verantwortlichen die Diskrepanz zwischen den Ansprüchen einer Saalveranstaltung mit Publikum und einer fernsehgerechten Aufbereitung einer Proklamation.

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„Den Karneval kann man nicht absagen“, lautete von vornherein das Credo des Festkomitees. „Die Strategie ist aufgegangen“, stellt Kuckelkorn nun zufrieden fest. Klar sei aber, dass der Rosenmontagszug als Puppenspiel eine historische Ausnahme war, allein aus Kostengründen. Zugleiter Kirsch erzählt, er habe am Montagabend 327 Kurznachrichten auf seinem Handy gesichtet, ausnahmslos Gratulationen zum detailreichen Puppenzug.

Ende September des vergangenen Jahres hatte das Festkomitee mit einem Appell an die Landesregierung die Absage des Sitzungskarnevals erreicht. Für viele Vereine war dies die Befreiung aus vertraglichen Verpflichtungen gegenüber gebuchten Sälen und Künstlern. „Es war der Startschuss für eine unglaublich kreative Session“, lobt der Präsident.