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„Kein Tag ist wie der andere“Ein Besuch im neuen hochmodernen Stellwerk der Bahn

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Fahrdienstleiter Robin Krausewald überwacht mit Kollege Leon Wildner im neuen Stellwerk den S-Bahn-Verkehr im Hauptbahnhof.

Fahrdienstleiter Robin Krausewald überwacht mit Kollege Leon Wildner im neuen Stellwerk den S-Bahn-Verkehr im Hauptbahnhof.

Köln – Als Fahrdienstleiter Robin Krausewald (21) um 5.30 Uhr seine Schicht im neuen Stellwerk der Deutschen Bahn an der Maybachstraße beginnt, warten zwölf Monitore und jede Menge Verantwortung auf ihn. Gemeinsam mit Kollege Leon Wildner (25), der frisch aus der Ausbildung kommt, muss er in den nächsten acht Stunden für eine möglichst reibungslose Abwicklung des S-Bahn-Verkehrs rund um den Kölner Hauptbahnhof sorgen, einem der meistbefahrenen Bahnknoten der Republik. Es gilt, Weichen und Signale zu steuern, um die Züge auf die richtigen Gleise zu leiten. Sicherheit hat oberste Priorität.

Mehr als 1300 Züge fahren täglich durch den Hauptbahnhof. Da sind Überraschungen vorprogrammiert, denn jede Verspätung, jeder Zugausfall und jedes unvorhergesehene Ereignis haben sofort Auswirkungen auf das ganze System. „Man weiß vorher nie, was der Tag bringt“, sagt Krausewald. „Kein Tag ist wie der andere. Das macht den Beruf so interessant“, ergänzt Wildner.

Seit Oktober 2021 wird der S-Bahnverkehr zwischen Ehrenfeld, Nippes, Mülheim und Kalk vom neuen Elektronischen Stellwerk (ESTW) an der Maybachstraße 149 aus gesteuert. Die Bahntochter DB Netz lässt hier seit Frühjahr 2020 ein früher der Bahnstromversorgung dienendes Gebäude zum neuen Zentralstellwerk für den Bahnknoten Köln umbauen, es wird eines der modernsten Stellwerke in Deutschland sein. Außerdem entsteht hier ein neuer Stützpunkt für die Mitarbeiter der Leit- und Sicherungstechnik, die sich um die Signale kümmern.

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150 Kilometer Kabel und 200 neue Signale

Ende 2022 soll alles fertig sein. Doch bis der Vollbetrieb läuft, dauert es noch zwei Jahre. Für das neue Stellwerk müssen rund 150 Kilometer Kabel verlegt und 200 neue Signale aufgestellt werden, zusätzliche Weichen werden eingebaut. Zurzeit sind hier im Dreischichtbetrieb je zwei Fahrdienstleiter für die S-Bahn tätig, zwei weitere überwachen den Betriebsbahnhof, wo nachts die Züge abgestellt werden. Ab Herbst 2024 soll an fünf weiteren Bedienplätzen auch der Regional- und Fernverkehr in Köln über das ESTW gesteuert werden. Diese Aufgabe übernimmt derzeit noch das alte Stellwerk am Eigelstein (siehe Infotext). Dort müssen noch Bedien-Knöpfe und Hebel betätigt werden, dann klackern mechanische Relais. Im ESTW funktioniert die Technik geräuschlos, gesteuert wird am Bildschirm per Maus und Tastatur.

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„Das ist schneller und komfortabler“, erklärt Krausewald, der seit einem Jahr in Köln lebt und das alte Stellwerk kennt. „Bei der alten Technik sind Relais das Rückgrat, im neuen elektronischen Stellwerk sind es Computer“, erläutert Klaus Gerhards (62), Bezirksleiter Betrieb bei DB Netz in Köln. Er hat 1975 bei der Bundesbahn angefangen und ist heute Chef des Teams von 58 Fahrdienstleitern, von denen rund ein Drittel Frauen sind.

Seit acht Jahren betreut er die Umstellung auf die neue Technik und freut sich, das Projekt Zentralstellwerk vor seiner Pensionierung abschließen zu können. Mit dem neuen System lassen sich die Einfahrtgeschwindigkeiten in den Hauptbahnhof erhöhen. Mehr Effizienz und Pünktlichkeit verspricht sich Gerhards auch davon, dass der Bahnhof Deutz bald wieder von Köln aus gesteuert wird. „Das erfolgt derzeit von Duisburg aus. Künftig werden die Kollegen in einem Raum sitzen und können persönlich kommunizieren.“

Ende 2024 soll auch das „ESTW Linke Rheinseite“ in Betrieb gehen, mit dem der Zugverkehr bis nach Hürth-Kalscheuren digital gesteuert wird.

Technik aus den 60ern im Einsatz

1975 ging das alte Stellwerk am Eigelstein mit Relais-Technik von Siemens in Betrieb, die aus den 60er-Jahren stammt und als sehr solide gilt. Bis heute wird damit zuverlässig der Fernzugverkehr im Kölner Hauptbahnhof überwacht. Auf einer großen Anzeigetafel mit Leuchten ist der gesamte Bereich rund um den Hauptbahnhof schematisch dargestellt.

Dass die Technik bis heute funktioniert, liegt auch daran, dass die Anlagen permanent instandgehalten und bei Bedarf Teile ausgetauscht werden. Wenn der Vollbetrieb im neuen elektronischen Stellwerk läuft, wird das alte Stellwerk stillgelegt. (fu)

Stressig werde es, wenn Störungen auftreten, sagt Wildner. „Etwa wenn Personen über die Gleise laufen und der gesamte Zugverkehr gesperrt werden muss, wie es erst neulich wieder der Fall war.“ Dann gerate die gesamte Zugfolge aus dem Takt.

„Verspätungen und Zugausfälle sind ärgerlich für die Reisenden“, betont Krausewald. „Dann wird schnell über die Bahn geschimpft. Auch wenn die Ursachen ganz woanders liegen. Da wünscht man sich manchmal schon ein bisschen mehr Verständnis bei den Kunden.“

Das neue Stellwerk funktioniert sogar bei Stromausfall – auf dem Hof steht ein Dieselaggregat für Notfälle. Auch ästhetisch hat der Zweckbau einiges zu bieten. Auf der Fassade ließ die Bahn vom Künstler Isra Moreno ein Graffiti mit Motiven vom Hauptbahnhof sprühen.

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