Archiveinsturz in KölnGedenkhalle auf Prüfstand – Darum fällt das Gedenken so schwer

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Visualisierung der Gedenkhalle: Weiße Wände, Ecken, Spiel von Licht und Schatten.

In der „Halle mit dem Knick“ sollte eigentlich an den Archiveinsturz am Waidmarkt gedacht werden.

Sie hat sogar den Segen des Stadtrates: In der Halle mit dem Knick sollte an den Kölner Archiveinsturz gedacht werden. Doch nun denkt die Stadt über eine Neubewertung des Projektes nach.

In der Zielsetzung sind sich alle einig: Am Ende darf es am Waidmarkt nicht so aussehen, als sei dort nie etwas passiert, als habe nicht Pfusch am Bau zum Einsturz des Stadtarchivs und zum Tode zweier Menschen geführt. Doch in welche Form das Gedenken an diese Katastrophe gegossen werden soll, dafür liegen auch vor dem 14. Jahrestag am 3. März noch keine konkreten Pläne vor. Die bisher greifbarste Idee kann die Initiative „ArchivKomplex“ vorweisen, mit ihrem Entwurf einer unterirdischen „Halle mit dem Knick“ – zuletzt unterstützt durch eine Resolution des Stadtrates. Doch die Halle gilt als schwer zu realisieren und nur eingeschränkt nutzbar. Nun soll in einer „Projektwerkstatt“ ausgelotet werden, ob sie wirklich der Gedenkort werden kann. Angesichts der Probleme schließt die Stadtverwaltung jedoch nunmehr eine „Neubewertung des Projektes“ nicht mehr aus.

Nun geht es Schlag auf Schlag

Mit Blick auf den Gedenktag geht es nun Schlag auf Schlag. Vergangenen Freitag brachte die Verwaltung eine Vorlage ein: Der Stadtrat soll zustimmen, dass ein externer Projektplaner beauftragt wird. Er soll die laufende Sanierung der Unglücksstelle, die anschließende Fertigstellung der Nord-Süd Stadtbahn und den Bau einer Gedenkstätte miteinander koordinieren. Am Montag dann trafen sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Kulturdezernent Stefan Charles mit der Initiative „ArchivKomplex“ im Vorfeld der geplanten „Projektwerkstatt“. In diesem Gespräch wurde dem Vernehmen nach zwar kein Schlussstrich unter die „Halle mit dem Knick“ gezogen. Aber es wurde für ein offenes Denken geworben.

Zahlreiche Probleme

Denn die Probleme, vor die eine unterirdische Gedenkhalle die Verwaltung stellt, sind mannigfaltig. Das Bauwerk soll auf der dritten und obersten Ebene des Gleiswechselbauwerks im Erdreich des Waidmarkts entstehen. Das Gleiswechselbauwerk ist dafür vorgesehen, dass die Bahnen auf der Trasse der unterirdischen Nord-Süd-Trasse eine Ausweichmöglichkeit zwischen den Tunnelröhren bekommen. Mit dem Integrieren der Halle in dieses Bauwerk sind die Maße gesetzt. Es würden maximal 200 Besucher in die Halle passen – inklusive Personal. Für die angedachten Kulturveranstaltungen ein enges Korsett. Zudem hat ein Raum, der sich in im Erdreich in unmittelbarer Nähe zu Stadtbahnröhren befindet, hohe Anforderungen an Schall- und Vibrationsschutz. Dafür gibt es in Köln durchaus Beispiele. So beklagte das Domkapitel, dass es durch eine benachbarte KVB-Tunnelröhre zu Erschütterungen in der Domschatzkammer komme. Darüber muss es Aufzüge geben, um den barrierefreien Zugang zu gewährleisten. Im Ernstfall muss die unterirdische Halle schnell evakuiert werden können.

Millionen-Investition bei geringem Nutzen?

Es braucht keine minutiöse Kalkulation, um zu erkennen: Da bahnt sich eine Millionen-Investition mit eingeschränktem Nutzwert an. Zwar kann bei den Kosten ins Feld geführt werden, dass die Stadt sie nicht tragen muss. Laut einer Einigung mit den Baufirmen müssen diese die Sanierung der Baustelle, die Fertigstellung der Tunnelröhren und des Gleiswechselbauwerks sowie den Bau der Gedenkstätte durchführen und finanzieren. Die Nutzung der Halle vereinfacht das nicht. Mögen die Argumente gegen den Bau der unterirdischen Gedenkstätte Gewicht haben, sie können nicht mit voller Wucht auf den Tisch gelegt werden. Keine andere Baustelle in Köln ist so emotionsbehaftet wie die Einsturzstelle des Stadtarchivs. Eine offene Wunde, die seit 14 Jahren schmerzt.

Oberstes Ziel: Die Wunde schließen

Dementsprechend vorsichtig ist die Antwort der Stadtverwaltung auf die Anfrage der Rundschau zur Zukunft der Gedenkstätte: „Ziel am Waidmarkt ist die Fertigstellung des Stadtbahnbaus, die Etablierung eines attraktiven und frequentierten Kulturraums und Gedenkortes sowie das Erschaffen eines lebenswerten Stadtraums mit hoher Aufenthaltsqualität. Um diese Ziele zu erreichen, nimmt die Verwaltung zurzeit verschiedene Prüfungen und daraus resultierend gegebenenfalls Neubewertungen des Projektes vor, die aktuell noch nicht abgeschlossen sind.“ Wird die Diplomatie aus diesen Worten herausgefiltert, heißt das konkret: Oberste Priorität hat das Ende der Bauarbeiten am Waidmarkt. Die Wunde soll endlich geschlossen werden. Wenn für die Gedenkstätte also eine überirdische Lösung gefunden werden könnte, die die Arbeiten nicht noch weiter verkompliziert, aber dennoch den Anforderungen an ein würdiges Gedenken gerecht wird, ist diese zu favorisieren.

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