Die Beschwerde der Stadt gegen das Urteil im Fall Brüsseler Platz liegt jetzt beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor. Für Anwohnerinnen und Anwohner wird das vermutlich kein leichter Sommer.
Gericht schlägt Alkoholkonsumverbot vorKeine neuen Maßnahmen gegen nächtlichen Lärm am Brüsseler Platz

Bis zu 1000 Menschen vergnügten sich in der Vergangenheit in manchen Sommernächten auf dem Brüsseler Platz.
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In klaren Worten hatte die Richterin des Oberverwaltungsgerichts Münster im September den Klägern recht gegeben: Das nächtliche Treiben auf dem Brüsseler Platz verursache eine so große Lärmbelästigung, dass die Gesundheit der Anwohner gefährdet sei. Verantwortung trage dafür als Eigentümerin des Platzes die Stadt Köln. Da das Gericht in seinem Urteil die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen hatte, legte die Stadt dagegen wie berichtet bereits im Dezember eine Nichtzulassungsbeschwerde ein. Ihre Begründung: Die aufgeworfenen Rechtsfragen und die getroffene Entscheidung seien von grundsätzlicher Bedeutung und gingen weit über die Grenzen Kölns hinaus. Am Mittwoch ist die Beschwerde nun offiziell beim BVG eingegangen. Für die Bewohner des Belgischen Viertels bedeutet das, dass ihnen vermutlich ein weiterer Sommer mit viel Lärm bevorsteht.
Wie geht es nun am Brüsseler Platz weiter? Noch Ende des vergangenen Jahres hatte die Stadt angekündigt, im ersten Quartal weitere Maßnahmen zum Schutz der Anwohner ergreifen zu wollen. In einer aktuellen Mitteilung der Verwaltung an den Ausschuss für Rechtsfragen und die Bezirksvertretung Innenstadt geht jedoch hervor: Es bleibt wohl doch alles beim Alten. „Die Verwaltung wird die bewährten Maßnahmen des sogenannten Modus vivendi, wie nächtliche Reinigung, Schließung der Außengastronomie ab 23.30 Uhr sowie freiwilliger Verzicht zweier Kioske und eines Supermarktes auf den Verkauf von Alkohol ab 23.30 Uhr fortsetzen“, heißt es in der Mitteilung. Darüber hinaus soll es Schwerpunktaktionen des Ordnungsdienstes geben.
10 Jahre langer Rechtsstreit
Die klagenden Anwohner seien entsetzt darüber, dass einfach mit den seit Jahren wirkungslosen Maßnahmen weitergemacht werde, sagt ihr Rechtsanwalt Wolfram Sedlak. „Das Gericht hat es klar ausgedrückt: Die Maßnahmen der Stadt in den letzten zehn Jahren waren evident unzureichend. Da ist klar: Sie will nicht wirklich etwas verändern“, so Wolfram Sedlak. „Schwerpunktaktionen im Zusammenschluss mit der Polizei, das Verteilen von Bußgeldern - das, was etwas verändern könnte, ist alles nie passiert.“
Der Brüsseler Platz sei laut Sedlak auch nicht als Präzedenzfall mit bundesweiter Bedeutung zu werten, wie die Stadt es in ihrer Beschwerde schreibt. Der Kläger-Anwalt spricht dagegen von einem besonderen Einzelfall: „Das Urteil wirft keine grundsätzlichen Fragen auf. Die Situation am Brüsseler Platz ist von dem OVG Münster unter Erwägungen des besonderen Einzelfalles gewürdigt worden, die demgemäß nicht auf einer Rechtsfrage beruhen, die sich in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lässt“, so der Jurist.
Gericht schlägt ein Alkoholkonsumverbot vor
Wie die Stadt das Problem am Brüsseler Platz lösen könnte, schlägt das Gericht in seinem verschriftlichten Urteil selbst vor. Ein zeitlich und örtlich begrenztes Alkoholkonsumverbot stelle sich als „erforderlich“ dar. Auf zehn Seiten wird - quasi schon als Vorlage für die Stadt - erörtert, warum dies am Beispiel Brüsseler Platz eine voraussichtlich rechtssichere Lösung sei. In der Vergangenheit hatte die Stadt immer Abstand von der Einführung eines solchen Alkoholkonsumverbots genommen, mit der Begründung, die aktuelle Rechtslage gebe das nicht her.
Des Weiteren schlägt das OVG die Möglichkeit eines Verweilverbots auf dem Brüsseler Platz vor, bei dem Verstöße auch mit einem Bußgeld geahndet werden können. Als „letztes Mittel“ zieht das Gericht auch eine Einzäunung des Brüsseler Platzes in Betracht. „Auf dieser Grundlage wäre es möglich, durch einen zeitlichen Ausschluss des Betretens des Platzes die Benutzung zeitlich und auf bestimmte Benutzerkreise zu beschränken“, heißt es im Urteil.
Nachtruhe bereits ab 22 Uhr gefordert
Am Ende sei dies auch für Sedlak und die klagenden Anwohner denkbar. „In Frankreich und Spanien gibt es auch in der Nacht abgeschlossene Parkanlagen, meistens um Gewalttaten zu vermeiden. Die Welt wird auch nicht von einem abgeschlossenen Brüsseler Platz untergehen“, so der Anwalt. Das sei auch nicht nötig, weil es eine ganze Reihe von anderen Maßnahmen gebe, die für mehr Ruhe sorgen, wenn sie nur ernsthaft betrieben würden, so der Anwalt. Man erwäge, auch für weitere Straßenzüge die Einhaltung der Nachtruhe um 22 Uhr einzuklagen.
Auch dort wollen Anwohner aktiv für ihr Veedel kämpfen. Unmittelbare Nachbarn eines Gastronomiebetriebs sammelten rund 50 Unterschriften für einen Brandbrief an die Stadt. „Das, was hier passiert, ist der blanke Hohn für die Anwohner“, sagte einer von ihnen am Mittwoch gegenüber der Rundschau. „Stadt, Politik und Verwaltung inszenieren sich förmlich als Opfer. Dabei sind sie die Täter, die den Primitivtourismus überhaupt erst initiieren und mit unmenschlichen Öffnungszeiten und Flächen für Außengastronomie die BewohnerInnen terrorisieren.“ Die Stadt hatte in der Vergangenheit explizit mit dem Brüsseler Platz als Partyzone geworben. Mittlerweile ist der Beitrag von der Internetseite genommen worden.
Warten auf eine Entscheidung
„Die Gleichgültigkeit, die wir von Seiten der Stadt erleben und von Frau Reker vorgelebt wird, macht uns fassungslos“, so der Anwohner weiter. Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, der die Diskussion um den Brüsseler Platz seit vielen Jahren verfolgt, weiß um die Wut der Bürgerinnen und Bürger. „Das aktuelle Vorgehen der Stadt wird sich noch als ein heftiger Bumerang herausstellen“, prophezeit der Grünen-Politiker, „die Menschen dort lassen sich das nicht mehr gefallen.“ Auch in anderen Teilen der Stadt könnte es Klagen geben (siehe Kasten).
Bis es am Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung gibt, kann ein halbes oder ein ganzes Jahr vergehen. Bis dahin, so teilt es die Verwaltung mit, soll innerhalb der Verwaltung erörtert werden, inwieweit die bereits 2016 ausgearbeiteten Überlegungen zur Umgestaltung des Platzes erneut aufleben könnten. Auf Grundlage mehrerer Workshops mit Anwohnern, Gewerbetreibenden und der Lokalpolitik seien in dem Jahr Vorschläge zur Umgestaltung des Platzes erarbeitet, jedoch nicht beschlossen worden.