Serie

Die Welt am Rhein
Von den Anfängen der Kölner Messe vor 100 Jahren

Lesezeit 5 Minuten
Der 1928 errichtete Messeturm von Adolf Abel.

Der 1928 errichtete Messeturm von Adolf Abel.

In unserem Serienauftakt beleuchten wir die Anfänge der Kölner Messe und der unbedingte Wille, die Stadt wieder zum internationalen Handelsplatz zu machen.

Vor 100 Jahren eröffnete die Kölner Messe. Im Rahmen einer Serie beleuchten wir den Handelsplatz von 1924 bis heute. Zum Auftakt geht es um die Anfangsjahre, die Zeit des Nationalsozialismus und die Zeit des Wirtschaftswunders.

„Auch in der 2000-jährigen Geschichte dieser Stadt wird der 11. Mai 1924 als ein besonderer Tag verzeichnet werden. Während schwere innenpolitische und soziale Krisen das Reich bis ins Innerste erschüttern, während außenpolitisch fast unerträgliche Spannungen herrschen, wird nach vielen Jahrhunderten zum ersten Male wieder in Köln ein internationaler Markt eröffnet, wird eröffnet in der von fremden Truppen besetzten Stadt, von dem Präsidenten des Deutschen Reiches selbst, der umgeben ist von dem Reichskanzler, von Reichs- und Staatsministern.“

Der Stolz der Handelsstadt: Das neue Messegebäude Mitte der 1920er Jahre.

Der Stolz der Handelsstadt: Das neue Messegebäude Mitte der 1920er Jahre.

Die Rede des damaligen Oberbürgermeisters der Stadt Köln zur Eröffnung der Kölner Messe, Konrad Adenauer, ist heute nur noch digital erhalten. Das Original ist irgendwo zwischen den Trümmern des eingestürzten ehemaligen Stadtarchives an der Severinstraße verloren gegangen. Aber auch so wird noch nach 100 Jahren deutlich, welcher Geist Mitte der 1920er Jahre in Köln geweht hat. Wie dringend nicht nur Köln nach Anerkennung, nach Internationalität und nicht zuletzt nach ruhigeren Zeiten gelechzt hat. „Goldene 20er“ hin oder her.

Köln: „Werkbundausstellung“ macht Eindruck

Wobei die Sache mit den „nach vielen Jahrhunderten“ eigentlich nur so halb stimmt. Denn bereits zehn Jahre zuvor konnte Adenauer, damals 36 Jahre alt, erster Beigeordneter der Stadt und selbst Mitglied des Deutschen Werkbundes, mit der „Werkbundausstellung“ eine international beachtete Präsentation nach Köln holen. Das Ausstellungsgelände umfasste über 50 exemplarische Gebäude, deren Gestaltung, Verwendung, Ausstattung und Einrichtung Beispiele für eine zeitgemäße, moderne Formgebung sein sollten. Gelegen gegenüber der Altstadt – genau dort, wo ein Jahrzehnt später die Messe entstehen sollte.

Die Messe nach der Erweiterung 1928.

Die Messe nach der Erweiterung 1928.

Das Rheinland sollte besonders von der gewaltigen Kraftanstrengung profitieren: „Gerade dieses Gebiet, das größte Produktionsgebiet der Welt, das so schwer gelitten hat und das doch unentbehrlich ist für die deutsche, die europäische Wirtschaft, für die Lösung der Wiederherstellungsfrage, bedarf des gewaltigen Antriebs einer internationalen Messe“, erklärte Adenauer damals. Und er warnte wie schon so oft auch damals vor dem, was doch kommen sollte: „Möge die Wirtschaft den Völkern klarmachen, dass kein Volk ohne das andere bestehen kann, dass es ganz falsch ist anzunehmen, die Wohlfahrt des einen sei das Unglück des anderen, dass gerade umgekehrt die Wohlfahrt des andern die eigene Wohlfahrt fördert und hebt.“ Nur ein Jahrzehnt später sollten die Nationalsozialisten diese Botschaft in ihr genaues Gegenteil pervertieren.

Ein proppenvoller Saal 1924

Ein proppenvoller Saal 1924

Am 21. Juni 1922 wurde der Grundstein für das mit fast unvorstellbaren 150 Millionen Reichsmark eingepreiste Messegelände gelegt. Und, heute fast ebenso unverstellbar, noch nicht einmal ein Jahr später stand der ganze Komplex. Allerdings noch in einer etwas abgespeckten Variante, die endgültige Ausstattung des Messegeländes und dessen Erweiterung erfolgte ab 1926 durch Adolf Abel.

Er umbaute die Hallen und ergänzte sie um den Messeturm, die Rheinhallen, das Staatenhaus und eine Gartenanlage. Gleich der Erstaufschlag, die Frühjahrsmesse 1924, ließ die Konkurrenz aufhorchen. 600 000 Besucher, 2800 Aussteller – Zahlen, die man heute gerne wieder hätte.

Der eigentlich „Durchbruch“ aber kam 1928 mit der Zeitungs- und Kommunikationsmesse „Pressa“. Ein halbes Jahr Ausstellungszeit,   fünf Millionen Besucher und 1500 Aussteller aus 43 Ländern machten Köln und seine Messe endgültig bekannt. Zur Eröffnungsveranstaltung waren Regierungsmitglieder und 200 ausländische Diplomaten angereist. Die Ausstellungsfläche war damals bereits auf stolze 66 500 Quadratmeter angewachsen. Köln war bei den ganz Großen der Branche angekommen und weltweit geachtet.

100 Jahre Kölner Messe: Das dunkelste Kapitel

Was danach folgte, war das dunkelste Kapitel der Messe. Nicht nur, dass das Gelände für Massenaufmärsche der NSDAP und „völkische“ Veranstaltungen missbraucht wurde. Schon ab 1939 dienten die Messehallen als Internierungslager, von hier aus wurden Juden, Sinti und Roma in die Vernichtungslager der Nazis, vornehmlich nach Auschwitz, deportiert. Adenauer selbst, der sich immer für die Internationalität der Messe und „seines“ Kölns stark gemacht hatte, wurde am 23. August 1944 wegen Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem gescheiterten Hitler-Attentat von der Gestapo verhaftet und in das „Arbeitserziehungslager Messe Köln gesperrt. die Deportation blieb ihm erspart: Von dort wurde er ins Zuchthaus Brauweiler überführt und im selben Jahr wieder entlassen.

Köln selbst erlebte in den letzten Kriegsjahren die heftigsten Zerstörungen.   Die Stadt lag in Trümmern, mit ihr auch die gesamte verbliebene Infrastruktur. Und auch die Messe blieb von den Bombenangriffen der Alliierten nicht verschont.   Dennoch konnte bereits zwei Jahre nach Kriegsende wieder die Herbstmesse stattfinden, allerdings auf einem ziemlichen Flickenteppich mit jeder Menge Provisorien, die in den Folgejahren Stück für Stück durch feste Gebäude ersetzt wurden.

Richtig in Fahrt kam die Messe spätestens 1950 wieder mit der Eröffnung der ersten Photokina: Über Jahrzehnte galt sie als Leitmesse der Fim- und Fotowelt. Ein Jahr später erfolgte die erste Wiederauflage der Anuga, bis heute die weltweit größte Messe der Lebensmittelindustrie.


Kölner Messe: Chronik von den Anfängen bis 1950

  • 1922 genehmigte die Stadtverordnetenversammlung am 2. März, „dass am Deutzer Ufer, auf dem Gelände der ehemaligen Werkbundausstellung, Gebäude zu Versammlungs-, Ausstellungs- und Messezwecken“ errichtet werden sollten. Der Grundstein wurde am 21. Juni desselben Jahres gelegt.
  • Am 11. Mai 1924 wurde mit der Frühjahrsmesse die Eröffnung gefeiert, noch im selben Jahr kam vom 17. bis 24. August erstmals die „Allgemeine Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung“ (Anuga) nach Köln. Das Rheinland war damals wirtschaftlich gesehen durch die britische Besatzung vom übrigen Reichsgebiet weitgehend abgetrennt.
  • 1925 fand dort das Großprojekt „Jahrtausendausstellung der Rheinlande“ vom 16. Mai bis zum 15. August 1statt.
  • 1926 begann die Erweiterung der Messe durch Rheinhallen, Staatenhaus und Messeturm.
  • 1928 eröffnete die Pressa erstmals ihre Pforten.
  • 1933 sprach Adolf Hitler in der Messe auf einer Wahlkundgebung der NSDAP, ab Herbst 1939 wurden hier Kriegsgefangene interniert.
  • Im Juni 1942 wurde der Messebetrieb komplett eingestellt, fand aber bereits 1947 mit der Herbstmesse seine Fortsetzung.
  • 1950 öffnete zum ersten Mal in Köln die Photokina ihre Pforten. (two)

100 Jahre Kölner Messe: Weitere Teile der Serie

Zum Auftakt widmet sich die Rundschau den Anfangsjahren in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten. In den weiteren Folgen beleuchten wir die Entwicklung bis heute, stellen außergewöhnliche Menschen der Messe und ihre ebenso außergewöhnlichen Berufe vor, geben einen 24-Stunden-Einblick in den Messe-Hochbetrieb, geben einen Überblick über das Gelände und wagen zum Abschluss einen Blick in die Zukunft mit dem neuen Confex an der Spitze.

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