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Lit.CologneBoris Becker erzählt von Wimbledon-Triumphen und Londoner Gefängnis

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4 min
Boris Becker bei der Kölner Lit.Cologne

„Nur eine Nummer“: Boris Becker berichtete in Köln von seiner Zeit als Häftling A2923EV.

Boris Becker gibt bei der lit.cologne am Dienstagabend in Köln vor rund 1000 Menschen Einblicke in sein neues Buch „Inside“.

Als Boris Becker die Bühne im Theater am Tanzbrunnen betrat, hielt der Saal kurz den Atem an. Dann wurden Handykameras gezückt und es brandete Applaus auf, der kaum enden wollte. Der 57-Jährige erzählte in den folgenden knapp anderthalb Stunden im Rahmen der lit.cologne Spezial von den hellen und dunklen Seiten seines Lebens – von den Triumphen in Wimbledon bis zu den einsamen Stunden in einem Londoner Gefängnis. Rund tausend Gäste waren am Dienstagabend gekommen, ein Großteil davon etwa in Beckers Alter. Viele hatten – in der Hoffnung auf ein Autogramm ihre Tennisschläger dabei.

Weil er Vermögenswerte in Millionenhöhe nicht ordnungsgemäß angegeben hatte, wurde Becker im April 2022 von einem Londoner Gericht zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Aus dieser wurde er im Dezember 2022 vorzeitig entlassen. Eine Zeit, auf die er in seinem im September erschienenen Buch „Inside: Gewinnen – Verlieren – Neu beginnen“ zurückschaut. Geschrieben hat er es zusammen mit dem britischen Sportjournalisten Tom Fordyce .

Bedrückende Berichte aus dem „Zuchthaus“

Becker erzählte im Gespräch mit dem Moderator Riccardo Basile eindringlich von den Tagen im Londoner Gefängnis Wandsworth. Von Schreien in der Nacht, von Angst und Isolation in dem „Zuchthaus“, wie er die Einrichtung nennt. „Ich war nur eine Nummer: A2923EV. Im Gefängnis geht es ums Überleben.“ Mit trockenem Humor schilderte Becker wie er dort zum Mathe- und Englischlehrer wurde – trotz seiner Insolvenz und deutscher Herkunft. „Hauptsache, ich kam aus der Zelle.“ Schnell habe er begriffen, „dass im Gefängnis andere Gesetze gelten als draußen“.

Er erzählte auch, wie sehr die Isolation ihn geprägt habe. „Im Gefängnis, wo ich allein war, habe ich die Kontrolle über mein Leben zurückbekommen.“ Für Becker sei diese Zeit auch eine Phase der Selbstreflexion gewesen: „2017 und 2018 waren die schlimmsten Jahre meines Lebens. Irgendwann musst du den Preis zahlen für schlechte Entscheidungen“, sagte Becker. Im Frühjahr 2018 hatte das Ermittlungsverfahren gegen ihn an Fahrt aufgenommen.

Trotz der ernsten Themen kam immer wieder Beckers Humor durch. Er lachte über misslungene Tarnversuche mit Perücken, Kapuzen und Brillen („Hat alles nichts geholfen“), berichtete von einem Tennisspiel aus dem Weißen Haus und erzählte von einer Privataudienz beim Papst Johannes Paul II. als 18-Jähriger: „Er hat sogar meinen Schläger gesegnet.“ Über seine frühen Erfolge sagte Becker nachdenklich: „Ich wollte nie ein Wunderkind sein. Ich wollte Tennisspieler sein, weil ich den Sport geliebt habe.“ Hätte er vorher gewusst, was mit dem Sieg des prestigeträchtigsten Tennisturnier der Welt einhergeht, hätte er nicht gewinnen wollen. „Ich hätte die Risiken und Nebenwirkungen eines Wimbledonsieges mit 17 genauer lesen müssen.“

„Ich bin dem Schicksal dankbar“

Seine Popularität habe ihm aber während seiner Haftzeit geholfen, da andere Insassen ihn für so interessant hielten, dass sie ihn beschützten, so Becker. Die Zeit habe ihm gezeigt, wie wichtig es sei, Dankbarkeit für Chancen und Lektionen zu empfinden. „Ich bin dem Schicksal dankbar – für meine Erfolge, aber auch für meine Niederlagen.“ Becker wirkte während des Auftritts gelöst, fast demütig, aber immer mit der bekannten Becker-Art. Je später der Abend wurde, desto mehr geriet in Vergessenheit, dass der gut gelaunte Herr, der auf der Bühne Frage und vor allem Antwort stand, etwa ein halbes Jahr im Gefängnis saß.

Seine Frau Lilian de Carvalho Monteiro, erzählt Becker, sei sein Halt, „meine Liebe, meine Rettung“. Sie habe ihn durch die Gefängniszeit getragen. Das Buch hat er unter anderem seiner Ehefrau gewidmet. Die 35-Jährige ist schwanger, der dreifache Wimbledon-Sieger wird somit bald zum fünften Mal Vater. Die Schwangerschaft bezeichnet Becker als „Wunder“ und dass er nochmal Nachwuchs kriege sei eine „unglaubliche Geschichte“, so der sichtlich gerührte Becker. Nach dem Ende des Auftritts inklusive Fragerunde gab es Standing Ovations für Becker, anschließend strömten die Autogrammjäger zur Bühne. Alles wie zu seinen Hochzeiten als Tennis-Star also – der er zumindest an diesem Abend in Köln wieder war.