In der Weidengasse betreibt die Lobby für Mädchen seit 2020 ein weiteres Zentrum. Jungs haben hier keinen Zutritt. Wie der Verein hilft, Mädchen selbstbewusster zu machen.
Kölner Verein„Lobby für Mädchen“ gibt Jugendlichen ein zweites Zuhause

Viel Freiraum, aber auch konkrete Unterstützung bieten Sabine Osbelt (l.) und Vanessa Erdmann den Mädchen.
Copyright: Diana Haß
Melodisch plätschert K-Pop aus einer Box auf dem Tisch. Nisa beugt sich über einen Aushang, den sie schreiben will. „Wir suchen noch jemanden, der beim Cosplay eine Figur übernimmt“, erklärt die zwölfjährige Gesamtschülerin. Ihre gleichaltrige Freundin Haru knackt genüsslich geröstete Sonnenblumenkerne. In der offenen Küche macht sich Hanya einen Tee. Harmonisch, unaufgeregt und entspannt ist die Atmosphäre im Mädchenzentrum II an diesem Nachmittag. Auf fast 300 Quadratmetern bietet der Verein Lobby für Mädchen hier seit 2020 an jedem Werktag einen Treffpunkt. Jungen haben keinen Zutritt.
Ein Ort, um Ruhe und Hilfe zu finden
„Ich finde das sehr gut, dass wir hier unter uns sind“, sagt Angelina. Für die 22-Jährige war das Mädchenzentrum in den vergangenen zehn Jahren ein wichtiger Ankerpunkt in ihrem Leben. „Zuerst war ich im Mädchenzentrum in Mülheim. Aber hier finde ich die offenen Räume noch schöner“, sagt Angelina, die ihre Ausbildung als Gestaltungstechnische Assistentin abgeschlossen hat. Die Sozialpädagoginnen vor Ort unterstützen die Mädchen wann immer es notwendig und gewollt ist.
„Das hier ist ein Ort, um Ruhe zu finden und Unterstützung, wenn man danach fragt“, sagt die pädagogische Leiterin Sabine Osbelt. Manche der Mädchen haben kein eigenes Zimmer und wenig Privatsphäre. Manche haben besondere Herausforderungen zu meistern. So wie Hanya.
Ich bin hier stärker geworden.
Die 18-Jährige ist 2016 mit ihrer Familie aus dem Irak geflohen. „Für mich ist das hier ein sicherer Ort“, sagt Hanya in akzentfreiem Deutsch. Sie habe hier mehr Deutsch gelernt als in der Schule. „Das Mädchenzentrum ist das beste, was mir je passiert ist. Es war für mich wie ein Neustart. Ich bin hier stärker geworden. Hier sind alle gleich viel wert, obwohl wir alle unterschiedlich sind“, erzählt Hanya.
Ihre Entwicklung ist wie ein Paradebeispiel für das, was sich der Verein Lobby für Mädchen wünscht: Mädchen und junge Frauen dabei zu stärken, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Dass dieser Prozess in einem jungen- und männerfreien Raum stattfindet, ist wohl überlegt.
Auch Hilfe bei den Hausaufgaben ist hier gefragt
„Die Kommunikation zwischen Mädchen ist anders. Wir haben andere Themen“, sagt Haru. Über die Periode zu sprechen sei beispielsweise nicht möglich, wenn Jungen dabei wären. „Hier kannst du dir eine Wärmflasche machen wenn du Schmerzen hast und keiner guckt blöd.“ „Wenn man einen Crush hat (verliebt ist), kann man das hier sagen“, ergänzt Angelina. Aber auch praktische Sachen wie Hilfe bei den Hausaufgaben, beim Praktikumsbericht oder Bewerbungen gibt es.
Vanessa Erdmann ist als pädagogische Mitarbeiterin auch für die Ausbildungsinitiative zuständig. „Häufig sind Berufswünsche bei Mädchen klassisch. Mir geht es darum, auch andere Perspektiven zu öffnen“, sagt sie. So gibt es eine Spieletesterinnengruppe, die digitale Spiele aus Mädchenperspektive beurteilt. „Ich finde es wichtig, dass im Gaming auch Frauen sichtbar sind“, sagt Erdmann. Mit einer Gruppe Mädchen war sie auch schon im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum oder hat beim Projekt „Frauen im Kraftsport“ mitgemacht.
Alles ist möglich − dieses Gefühl stärken die Mädchen im Zentrum. Und sich selbst stärken sie auch. Jeden Tag gibt es ein frisches Mittagessen. „Das ist immer lecker“, findet Nisa, die in der Kochgruppe mitmacht. „Das Essen macht die Atmosphäre aus. Es hat etwas Nährendes“, ist Erdmann überzeugt.