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Sportmuseum KölnNeue Schau zeigt Fußballspieler und Fans im Visier der Stasi

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Drei Männer stehen an einem Stehtisch.

René Wiese (v.l), Falko Götz und Jens Fuge bei der Eröffnungsveranstaltung der neuen Open-Air-Ausstellung im Sport & Olympia Museum

Die Open-Air-Ausstellung „Im Objektiv der Staatsmacht“ auf der Rheinpromenade zeigt anhand von Bildmaterial und Infotexten, wie Fußballfans und Spieler ins Visier der Stasi gerieten.

„Wir dachten damals: Wir haben ja Rechte, und da passiert schon nichts“, sagt Jens Fuge und muss über seine jugendliche Naivität Anfang der 80er Jahre in Leipzig selbst lachen. Heute ist er 62 Jahre alt und wie damals auch Fußballfan. 1981 war er 18 Jahre alt. Angetrieben durch seine Leidenschaft, den Fußball, gründete er einen Fanclub für seinen Lieblingsverein BSG Chemie Leipzig. „Mein Kumpel und ich saßen in seinem Kinderzimmer mit AC/DC-Plakat an der Wand. Wir wollten uns organisieren und hinter einem gemeinsamen Logo versammeln“, erzählt er.

Was aus der Liebe zum Sport und jugendlicher Naivität entstand, geriet kurze Zeit später ins Visier der Staatsmacht. Die Staatssicherheit beobachtete in der DDR sowohl Fußballfans als auch Spieler und dokumentierte ihre Aktivitäten während und abseits der Spiele. Wie die Beamten minutiös Bericht erstatteten und wer dort in den Fokus der Stasi geriet, zeigt die Ausstellung „Im Objektiv der Staatsmacht - Fußballfans im Blick von Stasi und Volkspolizei“ im Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln.

Wir dachten damals: Wir haben ja Rechte, und da passiert schon nichts.
Jens Fuge, Gründer des Fanclubs West

Fuges „Fanclub West“ war nicht der einzige, der sich in den 80er Jahren gründete. „Damals schossen sie wie Pilze aus dem Boden. Die Inspiration kam aus dem Westen vor allem England“, erinnert sich Fuge. Nicht nur der Name seines Clubs ließ die Beamten der Staatssicherheit aufhorchen, auch die teils satirischen Inhalte der clubeigenen Zeitung, wurden als staatsfeindlich bewertet. Als dann ein Freund von Fuge in eine Schlägerei geriet, die Volkspolizei eingriff und ein Exemplar der Fanclub-Zeitung beschlagnahmte, wurde es für Fuge gefährlich: „Mein Kumpel konnte nicht dicht halten, und mir wurde wegen Verbreitung illegaler Druckschriften ein Jahr Gefängnis angedroht.“

Ein Mann steh vor einer Infotafel mit schwarz-weiß-Fotografien von Fußballfans mit Kosmos-Aufschrift.

Kurator René Wiese durchsuchte tagelang das Archiv und die Akten der Stasi-Beamten nach Auffälligkeiten.

Eine in der DDR gängige Methode war es, die ins Visier geratenen Fußballfans als Spitzel anzuwerben. Fuge unterschrieb damals den Deal: Seine Freilassung gegen Informationsweitergabe an die Staatsmacht.„ Ich wusste, dass ich mit denen nicht zusammenarbeiten kann und habe das, was ich wusste für mich behalten.“ Fuge wurde als unzuverlässig eingestuft und kam glimpflich davon.

Auf den Spuren der Stasi

Die Ausstellung im Kölner Museum hat der Berliner Historiker Dr. René Wiese kuratiert, er wertete für das Projekt unzählige Fotos aus: „Manchmal mussten wir lange suchen, um zu verstehen, warum die Personen auf dem Foto ins Visier der Beamten geraten sind, fast wie ein Wimmelbild.“ Ein Transparent gegen Ostvereine, ein T-Shirt des 1. FC Bayern Münchens, Fankleidung und selbstgestrickte Schals nach dem Vorbild der westeuropäischen Fußballfans. Für die Staatssicherheit Gründe, die Verdächtigen zu fotografieren, im schlimmsten Fall vorzubestellen oder mit Freiheitsstrafen zu belegen.

Ich hab mich gefragt: Wie kann ich meine eigene Freiheit ausleben?
Falko Götz, Fußballspieler und DDR-Flüchtling

Einer, der auf der anderen Seite des Stadionzauns in den Fokus geriet, ist Falko Götz. In der DDR spielte er für den BFC Dynamo Berlin und wurde als Jugendnationalspieler dreifacher Meister. Doch seine Karriereaussichten innerhalb der DDR schienen begrenzt: „Ich wusste, dass ich in der Bundesliga Karriere machen will und wegen meiner westdeutschen Freundschaften wurden mir bereits Fördermaßnahmen und ein Journalismus-Studium verwehrt.“ Also muss er „rübermachen“ und entschied sich spontan, am 3. November 1983, mit 21 Jahren, während eines Aufenthalts in Jugoslawien zur Flucht: „Ich hab mich gefragt: Wie kann ich meine eigene Freiheit ausleben?“

Auf der Promenadenstraße am Rhein schauen sich mehrere Menschen vor dem Museumsgebäude Infotafeln mit schwarz-weiß-Bildern an.

Bei der Eröffnungsfeier konnte vor untergehender Sonne und Rheinpanorama die Geschichte der DDR-Sportler und Fans erfahren werden.

Diese Freiheit lebt der sportlich motivierte Flüchtling zunächst bei Bayer 04 Leverkusen und dann beim 1. FC Köln aus, zweimal wurde er Vize-Meister, 1991 stand er mit den Geißböcken im DFB-Pokal-Finale. Was er damals nicht wusste: Die Staatssicherheit war ihm auch im Westen dicht auf den Fersen. Die Ausstellung zeigt, wie detailliert ein Beamter nicht nur Götz' Weg vom Wohnhaus zum Arbeitsplatz aufzeichnete, sondern auch sein erstes Auto in Leverkusen aus nächster Nähe fotografierte: „Ich war damals nach der Wende bei der Akteneinsicht überrascht, wie zeitnah die Stasi vor Ort war“, erzählt Götz. 

Die Ausstellung ist bis zum 19. Oktober am Deutschen Sport & Olympia Museum auf der Rheinpromenade zu sehen.