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Ehrung in AbwesenheitKlitschko-Brüder erhalten Lew-Kopelew-Preis bei Festakt in Köln

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V.l.n.r.: Alexander Wüerst (Vorstand Kreissparkasse) mit Zacharow, Pajewska und Roth.

V.l.n.r.: Alexander Wüerst (Vorstand Kreissparkasse) mit Zacharow, Pajewska und Roth.

Der Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte wurde in Köln an die ukrainischen Klitschko-Brüder, die Kriegsheldin Julia Pajewska und die älteste Menschenrechtsgruppe aus Charkiw verliehen.

Unter den rund 300 Gästen bei der Verleihung des Lew-Kopelew-Preises für Frieden und Menschenrechte fällt Sofiia sofort auf. Die Zehnjährige aus Wipperfürth ist nicht nur die jüngste im Publikum, sie zeigt auch deutlich ihre Anteilnahme. Sie trägt Tracht und einen Blumenkranz im Haar — beides aus der Ukraine, ihrem Heimatland. Um genau die Ukraine geht es bei dieser 16. Preisverleihung des seit 2001 vom Lew-Kopelew-Forum initiierten Preises — denn die diesjährigen Preisträger stammen alle dorther.

Das Forum, das sich wie sein Namensgeber, der Bürgerrechtler Lew Kopelew, für Austausch, Frieden, Demokratie und Freiheit einsetzt, ehrte in einem Festakt in der Halle der Kreissparkasse Köln den Kiewer Bürgermeister Vitali und seinen Bruder Wladimir Klitschko, die ukrainische Sanitäterin und Kriegsheldin aus Mariupol, Julia Pajewska, und die älteste Menschenrechtsgruppe der Ukraine aus Charkiw.

Klitschko-Brüder nicht in Köln dabei

Die Klitschko-Brüder bedauerten sehr, so ließ der Vorsitzende des Lew-Kopelew-Forums, der ehemalige ARD-Korrespondent in Moskau, Thomas Roth, das Publikum wissen, nicht in Köln dabei zu sein, aber die aktuelle Lage mache es ihnen derzeit nicht möglich zu reisen. In einem Einspieler wurde indes klar, wofür die Klitschko-Brüder ausgezeichnet wurden. Roth fasste es so zusammen: „Es braucht diese mutigen Vorbilder. Sie kämpfen um die Zukunft ihrer Heimat, auch in höchster Bedrohung lassen sie nicht nach, uns darüber aufzuklären.“

Die Generalkonsulin der Ukraine, Iryna Shum, nahm stellvertretend die Auszeichnung entgegen. Sie betonte, wie wichtig dieser Preis sei: „Das ist es, wofür wir in der Ukraine kämpfen. Um zu Frieden zu kommen, brauchen wir jeden Tag einen kleinen Sieg. Sie haben mit dieser Auszeichnung dazu beigetragen.“

Gerechtigkeit hat kein Ablaufdatum. Wir müssen an die Möglichkeit des Wiederaufbaus glauben.
Yevhen Zacharow von der Menschenrechtsgruppe Charkiw

Im Gespräch mit Thomas Roth übte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum scharfe Kritik an Parteien, die sich gegen Waffenlieferungen für die Ukraine aussprechen und erinnerte an die Befreiung Europas. „Wir sollten nicht vergessen, wer uns befreit hat vor 80 Jahren in der Normandie, und welche aggressive Kraft in Putins Regime steckt. Was muten wir dem ukrainischen Volk eigentlich zu?“ Er plädierte dafür, völkerstrafrechtlich rigoroser gegen die Verbrechen des russischen Regimes vorzugehen: „Wo bleiben die Anklagen?“ und schlug damit den Bogen zu Yevhen Zacharow, der stellvertretend für die Menschenrechtsgruppe Charkiw den Preis entgegen nahm. Seine Organisation, unterstützt Binnenflüchtlinge, dokumentiert Kriegsverbrechen, um die Täter so bald wie möglich vor Gericht zu bringen. „Wir müssen schon während des Krieges an die Möglichkeit des Wiederaufbaus glauben“, mahnte er. „Gerechtigkeit hat kein Ablaufdatum!“

Sanitäterin „Tiara“ ausgezeichnet

Auch Preisträgerin, Julia Pajewska dankte dem Lew-Kopelew-Forum für die Auszeichnung, die sie als Anerkennung für das gesamte ukrainische Volk sieht. Die Sanitäterin, die unter dem Namen „Taira“ als ukrainische Kriegsheldin gefeiert wird, war 2022 in Mariupol im Einsatz und machte heimlich Filmaufnahmen aus der Kriegszone, die sie westlichen Medien zuspielte.

„Die Wahrheit kenntlich zu machen, ist ein kostbares Gut“, beschwor Thomas Roth in der Laudatio. Drei Monate war „Taira“ in russischer Gefangenschaft, wurde gefoltert, m „Methoden wie aus dem Mittelalter“, so Roth. Sichtlich ergriffen nahm sie die Würdigung entgegen. „Ich sehe diese wunderbare Stadt Köln“, sagte sie. „Bei mir entsteht sofort ein anderes Bild — das der zerstörten Stadt Mariupol. Der Feind ist schrecklich. Aber haben Sie keine Angst! Wir werden ihn überwinden.“ Sofiia beklatschte die Worte von „Taira“besonders. „Slava Ukraina“, rief die von der Bühne und Sofiia stimmte mit ein. Seit zwei Jahren lebt das Mädchen in Wipperfürth, hat Deutsch gelernt und wird demnächst aufs Gymnasium gehen. Sofiias Heimat aber bleibt die Ukraine, deren Geschichte und Kultur, so appellierte Roth im Gespräch mit der Rundschau, „wir weiter kennenkennenlernen lernen sollten“.