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EhrenamtspreisSo hilft der Kölner Kreidekreis Kindern in Wohnheimen

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Eine Pate läuft mit seinem Patenkind bei Sonnenuntergang einen Weg entlang.

Die Patenschaften gehen oft weit über die Volljährigkeit der Patenkinder hinaus.

Unter dem Motto „Kein Kind allein“ vermittelt der Kölner Kreidekreis  sogenannte Wegbegleiterpatinnen- und paten an Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe leben. 

Marius ist seit vier Jahren Pate des heute 14-jährigen Marcel. Die beiden  sehen sich alle zwei Wochen und unternehmen gemeinsam etwas. Die beiden verbindet mittlerweile eine enge Beziehung. Manchmal gehen sie auch mal einfach Steine am Rhein sammeln oder gemeinsam zum Friseur. „Hauptsache, wir verbringen Zeit miteinander“, so Marius.

Kennengelernt haben sich die beiden über den Kölner Kreidekreis. Bevor Marius auf den Verein gestoßen ist, hatten er und seine Frau die Idee, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das Kölner Ehepaar hat keine eigenen Kinder, dafür verbringen sie gern Zeit mit dem Nachwuchs aus ihrem Freundeskreis. „So ist meine Frau im Internet auf den Kreidekreis gestoßen“, erzählt Marius. Damals suchte der Verein gezielt nach männlichen Paten, weil der Frauenanteil deutlich höher war. „Da habe ich mich dort gemeldet, weil ich mir das auch sehr gut für mich vorstellen konnte.“

Die Patenschaften sollen den Kindern Sicherheit geben

Der Kölner Kreidekreis engagiert sich seit 2006 für Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe in und um Köln leben. Oft sind es Kinder, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können – sei es aufgrund schwieriger familiärer Verhältnisse oder fehlender Stabilität im Elternhaus. Seit fast 20 Jahren vermittelt der Verein ehrenamtliche Wegbegleiterpatinnen und -paten an diese jungen Menschen, die ihnen als feste Bezugspersonen zur Seite stehen. Dafür hat die Stadt den Kreidekreis mit dem Ehrenamtspreis „KölnEngagiert“ ausgezeichnet.

„Natürlich steht das Kindeswohl an erster Stelle“, betont Geschäftsführerin Ute Wiedemeyer. „Die Kinder und Jugendlichen können sich immer äußern, wenn sie sich nicht wohlfühlen.“ Die Einrichtungen würden beobachten, welche Kinder für eine Patenschaft in Frage kommen, und sprechen sie entsprechend an. Für die Jüngeren gibt es ein kindgerecht gestaltetes Buch, in dem erklärt wird, was eine Patenschaft bedeutet.

„Das Ziel der Jugendhilfe ist es eigentlich, die Kinder in ihren Herkunftsfamilien zu belassen“, erklärt Thomas Preuß, Vorsitzender des Vereins. „Aber das ist leider nicht immer möglich.“ Genau hier setzen die Patenschaften an: Sie sollen den Kindern eine verlässliche Beziehung bieten – unabhängig von der Situation im Elternhaus. Bevor eine Patenschaft beginnt, führt der Kreidekreis ein sogenanntes „Matching“ durch: Die Kinder schreiben in Fragebögen auf, was sie sich von ihrer Patin oder ihrem Paten wünschen – zum Beispiel bestimmte Hobbys oder ob die Person eine eigene Familie hat. Die Patinnen und Paten lesen sich diese Wünsche durch und entscheiden, ob es zu einem ersten Kennenlernen kommt. „Wir geben den beiden 15 Minuten Zeit, um sich kennenzulernen“, so Preuß. „Die Kinder entscheiden meistens, wie es danach weiter geht.“

„Die Chemie muss ja auch stimmen“, so Marius. „Bei Marcel und mir hat das sofort gepasst.“ Die Patenschaft geht durch eine „Probezeit“, die ungefähr sechs Monate dauert. Danach wird sie offiziell besiegelt. „Die Kinder bekommen ein Gefühl der Sicherheit und Ruhe“, sagt der Pate. „Ich merke, dass Marcel sich freut, mich zu sehen und weiß, dass er sich auf mich verlassen kann.“ Der Junge sei stolz darauf, einen Paten zu haben: „Am Anfang hat er mich schnell bei den anderen Kindern im Heim als seinen Paten vorgestellt“, so Marius.

Wenn es auch Marcels Wunsch ist, wäre ich auch gern über sein 18. Lebensjahr hinaus für ihn da, wenn er mich braucht.
Marcel, Wegbegleiterpate beim Kölner Kreidekreis

Viele Patenschaften gehen über das 18. Lebensjahr der Kinder hinaus, wenn der Anspruch auf die Kinderbetreuung abläuft. Viele Jugendliche würden mit Einsamkeit kämpfen, nachdem sie das Heim verlassen müssen und ihre eigene Wohnung haben. „Die Unterstützung der Paten ist da umso wichtiger“, so Preuß. Er habe wöchentlichen Kontakt zu seinem heute 26 Jahre alten Patenkind. Auch Marius möchte weiterhin den Kontakt zu seinem Patenkind beibehalten. „Wenn es auch Marcels Wunsch ist, wäre ich auch gern über sein 18. Lebensjahr hinaus für ihn da, wenn er mich braucht“, sagt er.

Der Weg zu einer Patenschaft geht mit einigen Formalitäten einher. Nachdem Interessierte sich beim Verein gemeldet haben, erhalten sie einen Fragebogen, in dem sie von ihren Hobbys und Interessen erzählen. Daraufhin folgt ein Hausbesuch. „Wir schauen nach, ob die Person in einer kindgerechten Umgebung lebt“, erklärt Preuß. „Das heißt nicht, dass es ein Spielzimmer geben muss. Es geht darum, dass die Person ordentlich lebt und eine gewisse Stabilität vorweisen kann.“

Nicht nur die Kinder profitieren von der Patenschaft

Danach werden die Interessierten in ein zweitägiges Seminar eingeladen. „Dort gibt es unter anderem auch eine Selbstreflektion, damit die Menschen sehen können, ob sie für eine Patenschaft gemacht sind“, erklärt Preuß. Einige würden nach den Seminaren abspringen, weil sie sich die Verantwortung nicht zutrauen. „Es gab mal eine Zeit, in der die Hälfte der Interessierten abgesprungen ist“, erinnert sich Preuß. „Mittlerweile machen um die 80 Prozent der Paten weiter. Das ist sehr erfreulich.“

„Die Arbeit unserer Patinnen und Paten ist unabdingbar“, lobt Wiedemeyer. In den Heimen sei das Personal knapp, und die Wegbegleitenden würden die Arbeit ergänzen. „In meiner Patenschaft mit Marcel kann ich bei unseren Treffen ganz für ihn da sein“, sagt Marius. „Das ist natürlich schön für ihn, weil in einem Kinderheim mit vielen Kindern eine Eins-zu-eins-Betreuung selten möglich ist.“ Aber es sind nicht nur die Kinder und Jugendlichen, die von der Patenschaft profitieren. „Die Zeit mit Marcel bereitet mir viel Freude und gibt mir auch viel zurück“, erzählt Marius. „Wir machen viele Unternehmungen, auf die ich ohne ihn so nicht gekommen wäre.“

Wer sich für eine Patenschaft interessiert, kann sich per Anruf oder Mail beim Kreidekreis melden. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite.www.koelnerkreidekreis.de