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Unter 30 und in der Politik„Die Erfahrungen im Stadtrat haben mich ungemein positiv verändert“

6 min
90 Mitglieder hat der Kölner Stadtrat. Nur drei von ihnen sind aktuell unter 30 Jahren alt.

Stundenlang 90 Mitglieder hat der Kölner Stadtrat. Nur drei von ihnen sind aktuell unter 30 Jahren alt. 

Nur drei der 90 Stadtratsmitglieder sind aktuell maximal 29. Zwei von ihnen sind Lars Wahlen (Grüne) und Felix Spehl (CDU). Einer von ihnen kandidiert nach nur einer Ratsperiode nicht erneut. 

Beide erlebten ihre erste Ratsperiode bereits zu Beginn ihrer Zwanziger: Lars Wahlen (28) und Felix Spehl (27)  sind aktuell unter den drei einzigen Personen unter 30 im Kölner Stadtrat. Wie fanden sie ihren Weg dorthin? Und wie haben sie die vergangenen fünf Jahre erlebt, die nun zu Ende gehen?

Lars Wahlen (28) von den Kölner Grünen ist Ratsmitglied und verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Rat. Er kandidiert für seine zweite Ratsperiode.

„Ich bin 2017 bei den Grünen eingetreten. Das war, als in den Ost-Bundesländern einige Landtagswahlen waren und die AfD für damalige Verhältnisse enorme Ergebnisse eingefahren hat. Das war ein Ansporn für mich zu sagen, dass ich auch selbst was machen muss, um dem etwas entgegenzusetzen. Es war mir wichtig, nicht nur danebenzusitzen und quasi von der Seitenlinie aus Dinge reinzurufen.

Lars Wahlen

Lars Wahlen

In die Kommunalpolitik bin ich gekommen, weil ich schon mein ganzes Leben im Bezirk Chorweiler erst in Heimersdorf und dann in Esch wohne. Bei den Grünen ist dieser Bezirk eher etwas weniger mitgliederstark. Wir brauchen deshalb dringend Leute, die bereit sind, sich zu engagieren und im Kölner Norden aufstellen zu lassen.

Ich studiere zurzeit hauptberuflich Jura. Das mit der Kommunalpolitik zu vereinen, ist sehr schwierig. Es ist natürlich eine Gefahr, die ich auch bei mir immer wieder erkannt habe, dass mein Studium der leidtragende Teil meines Lebens war, weil ich mich eher um politische Themen gekümmert habe. Es gibt immer etwas zu tun: Gespräche, Vorlagen, Termine – Da ich verkehrspolitischer Sprecher bin, kommt noch etwas mehr Verantwortung dazu. Ich kandidiere aber trotzdem wieder und habe vor, zumindest noch eine Ratsperiode dabei zu sein.

Das Schöne an der Kommunalpolitik, gerade im Verkehrsbereich, ist es unter anderem, dass man wirklich etwas zum Anfassen dafür bekommt, was man gemacht hat. Ich bin schon häufig über Radfahrstreifen in der Innenstadt gefahren und habe mich gefreut, weil diese vom Rat beschlossen wurden. In der Kommunalpolitik ist man persönlich sehr nah an den Ergebnissen des eigenen politischen Handelns dran.

Das erste Mal selbst in der Ratssitzung zu sein und der Oberbürgermeisterin zuzuhören war ein beeindruckender Moment. Zusammen mit der AfD im Rat zu sitzen, geht einem durchaus manchmal nah. Wir haben immer wieder erlebt, dass die AfD-Fraktion jedes Thema als Vorlage nutzt, um Ausländern oder Geflüchteten sämtliche Probleme in die Schuhe zu schieben.

In Köln ist die AfD, verglichen mit Kreisen im Osten, relativ schwach und nur mit vier Personen im Rat vertreten. Trotzdem müssen wir uns jeden Tag dagegenstellen. Das beste Mittel gegen den Rechtsdruck ist es meiner Meinung nach, zu zeigen, dass wir als Politik die Lebensrealitäten der Menschen verbessern können. Die Menschen sollen nicht das Gefühl haben, dass sie Steuern zahlen und sich an Regeln halten, aber dafür vom Staat nichts zurückbekommen.

In Bezirken wie Chorweiler ist die Wohnungsnot groß, die Gesundheitsversorgung schlecht, und der ÖPNV schwächelt. Ich glaube, dass die Menschen deshalb für die falschen Versprechungen von Rechtspopulisten offen sind.“


Ratsmitglied zieht sich aus dem aktiven Politikbetrieb zurück

Felix Spehl (27) von der Kölner CDU hat sich entschieden, in diesem Jahr nicht erneut für den Stadtrat zu kandidieren.

Felix Spehl

Felix Spehl

„Als ich ein Teenager war, haben wir drei Jahre in Istanbul gelebt, weil mein Vater für einen deutschen Autobauer gearbeitet hat. Dort habe ich das Ende der Gezi-Proteste miterlebt (Anm. d. Red.: Protestwelle im Jahr 2013 in der Türkei gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan). Ich hatte viel Kontakt mit Deutschtürken, die mir gesagt haben, wie in der Türkei die Demokratie immer weiter entkernt wird. Das war ein Moment, der mich politisiert hat, in dem ich gemerkt habe, dass ich mich politisch engagieren will, wenn ich wieder in Deutschland bin.

Mit 15 habe ich dann bei der Jungen Union in Köln angefangen und irgendwann wurde ich Kreisvorsitzender. Der 15-jährige Felix hat damals nicht gesagt, dass er mit Anfang 20 unbedingt im Stadtrat sitzen will. Aber als im Jahr 2019 mit der Vorbereitung zur Kommunalwahl auch die Frage aufkam, ob ich kandidieren will, habe ich gemerkt, dass ich Lust habe, in die aktive politische Gestaltung überzugehen.

Ich bin Jurist und mache dieses Jahr mein zweites Staatsexamen. Dann steht der Berufseinstieg an und das bedeutet für mich, dass ich mich aus dem aktiven Politikbetrieb zurücknehme. Das Pensum, das man als Mitglied des Kölner Stadtrats hat, ist wirklich sehr hoch und deshalb mit dem Berufseinstieg nur schwer zu vereinbaren. Mein erstes Examen habe ich absolviert, als ich gerade erst in den Stadtrat gekommen war. Einen Monat nach dem Antritt meines Amtes hatte ich meine mündliche Prüfung. Es hat glücklicherweise geklappt, aber es war der pure Stress.

Wir haben auch häufiger die 23-Uhr-Marke geknackt. Das ist wirklich nicht ohne.
Felix Spehl

Allein unsere Ratssitzungen gehen manchmal von 14 Uhr bis in den späten Abend. Wir haben auch häufiger die 23-Uhr-Marke geknackt. Das ist wirklich nicht ohne. Hinzu kommen viele weitere Sitzungen und Mitteilungen, die auch regelmäßig über 30 Seiten lang sind. Kommunalpolitisches Engagement ist eine unendliche Geschichte. Man hat die eine Sache gelöst und direkt tauchen wieder fünf andere auf. Was aber natürlich auch sehr spannend ist.

Der Stadtrat ist, und das gilt, glaube ich, für jedes Gremium, eine ganz eigene Welt. Ich fand den Austausch immer sehr spannend. Freilich würde ich die anderen Parteien nicht wählen, aber ich finde es immer toll zu diskutieren und einfach diese Reibung zu erfahren. Die spannendsten Ratssitzungen sind natürlich die, in denen es wirklich strittig war. Als ich meine erste Rede im Rat gehalten habe, war ich 22. Es ging um Böllerverbotszonen an Silvester. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ein Kollege von der FDP auf meinen Redebeitrag eingegangen ist. In diesem Alter ist man noch nicht gewohnt, dass man auf diese Weise auch kritisch bewertet wird, obwohl es natürlich nichts Schlimmes war, was er gesagt hat.

Die Erfahrungen im Stadtrat haben mich ungemein positiv verändert. Für meine persönliche Entwicklung hat mir das sehr genutzt. Man muss unter Zeitdruck Entscheidungen treffen und das Selbstbewusstsein entwickeln, hinter dem Argument zu stehen, dass man entwickelt hat. Man lernt, zusammen, zu einer Lösung zu kommen oder damit zu leben, sich uneinig zu sein. Als junger Mensch ist das eine tolle Erfahrung. Meine Rolle im Stadtrat macht mir wirklich sehr viel Spaß. Ich bin den Kölnerinnen und Kölnern, die mich gewählt haben, sehr dankbar, dass ich in den Stadtrat gehen durfte, und ich bin auch den politischen Gegnern für die fairen Auseinandersetzungen dankbar.“