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Kölner KardiologeWie ausgerüstete Drohnen Leben retten könnten

Lesezeit 4 Minuten
Kardiologe Hanno Wied

Kardiologe Hanno Wied, ärztlicher Leiter des Porzer Herz- und Gefäßzentrum

Mit einem Defibrillator an Bord sollen die Drohnen in höchstens acht Minuten bei Patientinnen und Patienten sein.

Die besten Orte für eine Herzattacke, findet der Kölner Kardiologe Hanno Wied, sind ein Sportstadion oder ein Flughafen: Man ist sichtbar für andere, es gibt viele Ersthelfer und überall Defibrillatoren. Letztere werden laut Wied immer noch viel zu selten in der Laienreanimation eingesetzt. Das Gerät, das in den allerersten Minuten des Stillstands durch lebensrettende Stromstöße das Herz wieder in den richtigen Rhythmus bringt, ist einfach oft nicht an Ort und Stelle.

Ändern könnte sich das durch den Einsatz von Drohnen: Parallel zum alarmierten Rettungsdienst werden die unbemannten Luftfahrzeuge zum Ort des Notfalls losgeschickt, wo sie die klassische Reanimation unterstützen sollen. An Bord: ein sogenannter „Defi“. Der 39-jährige Wied, neuer ärztlicher Leiter des Porzer Herz- und Gefäßzentrum, beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. „Die Drohne als Lebensretter ist in Deutschland an der Schwelle zur Implementierung, zumindest was den wissenschaftlichen Stand angeht“, so der Kardiologe. „In ein paar Jahren könnte sie standardmäßig im Rettungswesen eingesetzt werden.“

Drohne als Lebensretter mit Defibrillator

Schneller als der Krankenwagen

Studien und Testreihen gab es dazu unter anderem in Schweden: In zwei Dritteln der Fälle war die Drohne schneller als der Krankenwagen - im Schnitt sogar zwei Minuten und zwölf Sekunden schneller. Ein in Fachkreisen veröffentlichtes Video aus Schweden zeigt, wie ein per Drohne gebrachter Defibrillator ein Leben rettet. Auch in Greifswald gab es eine Machbarkeitsstudie, jedoch nicht unter realen Bedingungen. „Die Daten sprechen dennoch eine eindeutige Sprache: Der Einsatz der Drohnen führt zu einer deutlichen Verbesserung der Versorgung“, so der Mediziner. Die lebensrettende Drohne wird Hanno Wied in Köln erstmalig am 20. April beim 18. Kardio-Symposium einem Fachpublikum präsentieren. Allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern wird die Drohne am 14. September beim kostenfreien Herz- und Gefäßtag des Krankenhauses Porz im Gürzenich vorgestellt.

Könnten lebensrettende Drohnen auch in Köln zum Einsatz kommen? Hanno Wied sieht das Potenzial, mit rund zehn Drohnen Stadt und Umland zu versorgen. Die Drohnen fliegen rund 80 Stundenkilometer schnell und können einen Radius von sechs Kilometern abdecken. Das Ziel: Innerhalb von acht Minuten beim Patienten zu sein. Im Notfall werden die Zielkoordinaten eingegeben und die Drohne fliegt autark. „Falls es zu technischen Defekten kommen sollte, muss der Leitstellen-Assistent aber auch als Drohnenpilot ausgebildet sein, um die Steuerung der Drohne übernehmen zu können“, erklärt Wied.

Herzstillstand: Jede Sekunde zählt

Angekommen am Zielort, muss der „Defi“ nur noch ausgepackt und die Elektroden angelegt werden, den Rest mach das halbautomatische Gerät allein. „Mit telefonischer Unterstützung einer Rettungsstelle können das auch Laien“, sagt Wied. Es sollten jedoch mehrere Helfer vor Ort sein, denn beim Anlegen des Defis sollte die Reanimation selber nicht unterbrochen werden. „Gerade die Herzdruckmassage ist extrem wichtig zum Erhalt der Blutzirkulation.“

Ungefähr 60.000 Menschen erleiden im Jahr in Deutschland einen Herzkreislaufstillstand. Die Überlebenschancen ohne eine Reanimation sind dabei verschwindend gering. Ohnehin passieren gut die Hälfte unbeobachtet, etwa im Schlaf. „Innerhalb von drei bis fünf Minuten entwickelt das Gehirn irreparable Schäden, da zählt jede Sekunde“, erklärt Wied. Nur zehn Prozent aller Menschen, die einen Herzkreislaufstillstand erleiden, überleben. Und nur sechs Prozent aller Patienten verlassen das Krankenhaus in einem guten neurologischen Status, so Wied. 

Kosten: 30.000 und 50.000 Euro pro Drohne

Bis Drohnen flächendeckend Defis bringen, muss das Thema zunächst durch die politischen Gremien. Die Anschaffungskosten pro Drohne liegen zwischen 30.000 und 50.000 Euro, die Wartungskosten betragen ungefähr 500 bis 1000 Euro im Monat. Ohne die Aufklärung der Bevölkerung gehe jedoch nichts, sagt der Experte. Die Niederlande sei ein gutes Beispiel: In knapp 50 Prozent der Fälle komme dort ein Defi zum Einsatz, noch bevor der Rettungsdienst eintritt. Zudem seien dort viele Menschen als „First Responder“ ausgebildet: Nach Reanimationskursen werden sie über eine App über Notfälle in der Nähe informiert. „In Holland hat sich schon fast ein Wettbewerb entwickelt, wer als Erstes beim Patienten ist. Sie haben mehr als doppelt so viele Überlebende in gutem, funktionellem Status als wir“, berichtet Hanno Wied. Mehr „First Responder“ brauche es auch in Deutschland.