Welcher Saal ist wirklich der schönste, den er jemals gesehen hat? Ist Humor in Krisenzeiten komplizierter? Marc Metzger erzählt über seinen Job und ein Duett mit Wolfgang Niedecken.
Marc Metzger im Interview„Spontanität will inzwischen sehr gut überlegt sein“

Dauergast auf den Karnevalsbühnen: Marc Metzger gehört als Blötschkopp zu den beliebtesten Rednern.
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Welches ist denn nun wirklich der schönste Saal, den Sie je gesehen haben?
Eine tolle Frage, da ist noch nie jemand drauf gekommen. Ich kann mich an einen Sartory-Auftritt erinnern, der mir Gänsehaut bereitet hat. Die Säle sind alle schön, auch wenn ich mich nicht an alle erinnern kann.
Warum sind Sie so diplomatisch? Sie, und auch viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen thematisieren diese Session, man müsse gut aufpassen, was man sagt. Sie formulieren es so: Wer ein Problem mit dem von mir Gesagten hat, soll mal überlegen, ober er oder sie nicht selber ein Problem hat.
Ich finde einfach, das trifft es gut.
Ist Ihr Job komplizierter geworden, weil sich die Befindlichkeiten der Menschen verändert haben?
Ja, durchaus. In jedem schönsten Saal, den ich täglich sehe, stehe ich unter Beobachtung, weil irgendwer den Auftritt filmt. Ich war mal ein sehr spontaner Mensch. Aber Spontanität will inzwischen sehr gut überlegt sein. Es liegt mir fern, irgendwen zu treffen mit meinen Witzen. Humor entsteht durch Reibung, und wenn man jede Reibung vermeidet, ist es am Ende nicht mehr lustig. Es ist schwieriger geworden, aber es ist die Aufgabe des Narren, sich lustig zu machen. Ich ziehe für mich Grenzen. Ich sage auch: Toleranz ist keine Einbahnstraße
Der Narr soll der Obrigkeit den Spiegel vorhalten. Besonders politisch sind Ihre Reden nie, stattdessen bezeichnen Sie ganz bewusst das Blödsinnmachen als Zweck Ihrer Auftritte. Weil es leichter ist?
Politik war nie mein Thema im Karneval, auch nicht bei meinen Soloprogrammen. Mein Ansatz, die Menschen vom Alltag abzulenken, hat sich durch die Corona-Pandemie nochmal gefestigt. Das ist nicht immer einfach, aber Karneval ist ein Volksfest für alle Menschen. Und ich muss sehen, wie ich einen ganzen Saal unterhaltenkann, der den Querschnitt der Gesellschaft abbildet. Ich will mit den Menschen 20 Minuten Spaß haben, das ist meine Funktion als Kasperle.
Mehr als 80 Lieder in der Schublade
Sind die Menschen in krisenhaften Zeiten dankbar für Zerstreuung und Ablenkung?
Ich bekomme nach meinen Auftritten derzeit ganz viele Reaktionen von Menschen, die sich bedanken für den Blödsinn. Mit meiner Art der Rede habe ich meine Nische gefunden, und ich merke: das braucht es auch. Politik war noch nie meine Kernkompetenz, so wird es auch bleiben.
Zum Ende des Jahres steht Ihr neues Soloprogramm an. So intensiv haben Sie vermutlich noch nie an einem Programm gearbeitet.
Wir wären eigentlich schon während der Pandemie auf Tour gegangen. Ich habe das Programm dann weggelegt und entschieden, alles neu zu schreiben. Wir sind jetzt drei Jahre weiter. Ich mag gerne Musik und habe 80 bis 90 Lieder angeschrieben, die ich immer mal wieder rauskrame. Die Lieder sollen dieses Mal der rote Faden werden, der Rest entsteht drumherum. Nach Karneval werde ich mich an die Arbeit machen. Ich bin so ein Reise-Schreiber. Wenn mir nichts einfällt, sagt meine Frau: Fahr einen Tag weg. Das hilft meistens.
Setzen Sie sich gerne mal mit der Gitarre hin und singen einfach zur Entspannung?
Ja, aber nur außerhalb der Session. Während der Karnevalszeit habe ich im Auto Stille. Und ich habe zu Hause Stille. Denn die Konstantbeschallung von allen Seiten macht mürbe. Die Gitarre nutze ich eher zum Komponieren, auf der Bühne werde ich sie nie nutzen. Sobald ich Leute vor mir sehe, weiß ich nicht mehr, wie ich die halten muss. Ich bin eher ein Heim- und Lagerfeuer-Musiker. Wenn ich Musik höre, dann gerne die alten BAP-Lieder. Generell höre ich alles. Manches auch nur einmal im Jahr, beispielsweise das Yuri Honing-Trio, das ist sehr spezieller Sparten-Jazz.
Wie sahen Ihre ersten Bühnenauftritte aus? Das war 1989, das Jahr des Mauerfalls.
Jeder junge Mensch, der damals in den Karneval wollte, hat Texte von Büttenredner Willi Armbröster gesprochen, das war Reim-Rede nach alter Schule. Nach vier oder fünf Jahren bin ich zur freien Rede übergegangen. Früher wurden die Reden abgedruckt, und auf dem Land hat man das dann nochmal nachgemacht.
Ein extrem seltener Job
Die schwierigste Phase hatten Sie vor elf Jahren nach Ihrem Burnout-Zusammenbruch. Welche Lehren haben Sie gezogen? Bis heute gab es keinen Rückfall.
In der Nachbetrachtung habe ich mich intensiv damit geschäftigt. Ich bin damals sehr schnell wach geworden und an mir gearbeitet. Ich habe damals zu viel gemacht und keinen Punkt gesetzt. Es gab keine Pausen mehr. Auslöser war damals ein Keuchhusten, den ich mir bei einem Flug von München nach Berlin zugezogen habe, weil ich als Blötschkopp durch die Republik gereist bin. Ich hatte mich mit Medikamenten zugepumpt, um auftreten zu können. Wenn man nicht arbeiten kann, es aber tut, wird es gefährlich. Ich habe mir wehgetan. Für viele Menschen bin ich immer noch der mit dem Burnout, das nervt. Es ist lange her.
Sie durften mal mit Wolfgang Niedecken zusammen auf der Bühne singen. Ein unvergesslicher Moment?
Ich war für einen Geburtstag gebucht, wusste aber nicht, wer Geburtstag hatte. Es war Hans Schäfer, die FC-Legende. Die Situation war unerwartet und schwer verdaulich und unvergesslich. Schön war auch der Auftritt mit den Bläck Fööss auf dem Roncalliplatz zum 40-jährigen Band-Jubiläum. Ich hatte über Nacht einen Text geschrieben mit allen Bläck-Fööss-Liedern in einem Satz. Das kam so gut an, dass ich die Moderation auf dem Roncalliplatz übernehmen durfte. Das ist ein Moment, der bleibt. Aber es gab sehr viele schöne Momente.
Und da ist sie wieder, die Zurückhaltung.
Das passt. Mein Leben ist überschaubarer und planbarer geworden. Mein Job ist ein Hochleistungssport. Meinen Beruf machen weltweit zehn Leute. Das ist sehr spannend, es gibt keine Berater, die auf einen aufpassen könnten. Das mache ich jetzt selbst.