Um die Spende zu erhalten, muss Jasmin Vela (22) eine Chemo machen. Dadurch lebt sie nun mit einem künstlichen Blasenausgang, Urostoma genannt.
Nach Stammzellenspende„Ich wollte nie, dass meine kleine Schwester mir das Leben retten muss“

Jasmin Vela (r.) gilt dank ihrer 16-jährigen Schwester als geheilt. Nun versucht die Kölnerin, wieder in die Normalität zurückzufinden.
Copyright: Jasmin Vela
Ihren 22. Geburtstag verbrachte Jasmin Vela im Krankenhaus. So wie den Großteil des Jahres davor. Eigentlich sollte es für die Kölnerin endlich bergauf gehen, denn nach monatelanger Krankheit hatte sie endlich eine überlebenswichtige Stammzellenspende bekommen. Dutzende Personen machten damals bei einer Aktion in Köln zur Registrierung bei der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) mit.
Durchatmen konnte Jasmin nach der Transplantation trotzdem nicht. Denn die Chemotherapie, die vorab nötig ist, hatte ihre Blase zerstört. Den Ärzten blieb keine andere Wahl, als sie zu entfernen. Die junge Frau lebt nun mit einem sogenannten Urostoma, also einem künstlichen Blasenausgang. Ein kleiner Plastikbeutel, in dem sich ihr Urin sammelt, hängt deshalb an ihrem unteren Bauch, wo die Ärzte eine Öffnung aus körpereigener Schleimhaut geschaffen haben.
„Es zu sehen, tut noch zu weh“
„Es gibt Tage, da weine ich, wenn ich den Beutel sehe“, sagt Jasmin. „Ich bin ja noch so jung und zu wissen, dass ich das den Rest meines Lebens habe, ist heftig für mich. Den Urin auszuleeren, das schaffe ich mittlerweile. Aber den Beutel am Stoma zu wechseln, dazu kann ich mich immer noch nicht überwinden.“ Bevor sie erkrankte, befand sich Jasmin mitten in der Pflegeausbildung und kümmerte sich bei anderen oft um Stomata. „Es bei mir selbst zu sehen, tut noch zu weh.“
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Ihren Frieden damit zu finden, sei auch deshalb schwer, weil die Entfernung ihrer Blase laut der Kölnerin vermeidbar gewesen sei – wenn ihr jemand Glauben geschenkt hätte. Genau wie die Monate vor ihrer Diagnose im Juni 2024, in denen sie wochenlang unter hohem Fieber und Schmerzen litt. Im Krankenhaus wurde ich oft wieder nach Hause geschickt. „Erst als ich in Ohnmacht gefallen bin und mit dem Krankenwagen eingeliefert werden musste, wurde ich ernst genommen.“

Jasmin Vela während der Infusion, in der die Stammzellen ihrer Schwester enthalten sind.
Copyright: Jasmin Vela
Nicht nur die Immunschwäche HLH (Hämophagozytische Lymphohistiozytose) stellte man bei ihr fest. Durch diese Erkrankung schwebte sie in ständiger Gefahr, an einer Infektion zu sterben und war deshalb an ihr Zimmer gefesselt. Jasmin hat zudem eine Genmutation (GATA2), die ihr Risiko an Blutkrebs zu erkranken stark erhöht. Sie brauchte deshalb dringend eine Stammzellenspende. Bei einer ersten Testung ihrer Familie stellte sich ihre kleine Schwester als mögliche Spenderin heraus. Jedoch hofften die Ärztinnen und Ärzte auf eine perfekte Übereinstimmung durch einen Fremdspender.
Als diese nach der Spendenaktion ausblieb, entschied man sich für ihr junges Familienmitglied. „Ich wollte nie, dass meine kleine Schwester mir das Leben retten muss. Aber sie hat es mit viel Herz gemacht und dafür bin ich ihr sehr dankbar“, erklärt Jasmin, während ihr die Tränen kommen. Für die Blutabnahme habe der Schwester ein Zugang am Hals gelegt werden müssen. Die 16-Jährige so zu sehen, sei schlimm gewesen.
Nach der Stammzellspende kamen die Krämpfe
Als Jasmin nach der Stammzellenspende wieder nach Hause durfte, gilt sie als geheilt. Die Freude darüber ließ jedoch bald nach, ihre Blase begann stark zu schmerzen. „Ich hatte Krämpfe, wegen denen ich schreien musste.“ Das weckte Erinnerungen an die Chemotherapie: Nicht nur erlitt sie Haarausfall und starkes Erbrachen. Die damals 21-Jährige konnte ihren Urin nicht mehr halten und brauchte einen Katheter, also einen kleinen Schlauch, der in die Harnröhre gelegt wird. Dieser habe immer wieder Blutungen und Schmerzen verursacht. Hellhörig sei da aber niemand im Krankenhaus geworden. Obwohl sie ihre Schmerzen angemerkt habe.
Die Blasenkrämpfe nach ihrer Entlassung hätte man erst mit einem Medikament behandelt, jedoch keine Untersuchung veranlasst. Als die Blase schließlich wieder einige Wochen später von innen mit einer Kamera begutachtet wurde, sei sie schon völlig zerstört gewesen und eine OP veranlasst worden. Bei ihrer damaligen Zimmernachbarin, die ebenfalls eine Chemo machen musste, sei es sehr ähnlich abgelaufen. Noch heute seien die beiden jungen Frauen gut befreundet.
Dass eine Chemotherapie mit Bestrahlung die Organe allgemein angreifen kann, sei ihr vorher vom Personal gesagt worden. Dass auch explizit Probleme mit der Blase entstehen können, und deshalb unter anderem verstärktes Trinken nötig ist, habe man ihr aber nicht gesagt. Auch die Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. spricht diese Empfehlung auf ihrer Website aus und nennt Komplikationen mit der Blase als mögliche Nebenwirkung einer Chemo.
„Ich möchte niemanden vom Personal an den Pranger stellen“, sagt Jasmin. Deshalb habe sie sich dagegen entschieden, rechtliche Schritte einzuleiten oder die betreffende Klinik im Rahmen dieser Berichterstattung zu konfrontieren. Der Name der Einrichtung wird in diesem Artikel auf Jasmins Wunsch deshalb nicht genannt.
„Trotzdem möchte ich meine Geschichte erzählen und ein Beispiel dafür sein, dass auch junge Patienten ernst genommen werden sollten“, sagt Jasmin. „Ich habe das Gefühl, bei älteren Menschen wird schneller reagiert und bei uns ist die Einstellung: ‚Die schaffen das schon‘. Bei jungen Frauen habe ich das Gefühl, dass noch weniger genau hingeguckt wird. Es muss immer erst etwas Schlimmes passieren.“
Viel Kraft von Familie und Freunden
Neben den vielen schmerzhaften Erinnerungen, habe ihr die Zeit jedoch auch gezeigt, wie sehr sie geliebt wird. „Meine Familie und meine Freundin aus dem Nebenzimmer haben mir so viel Kraft gegeben. Wenn es mir schlecht ging, dann waren sie für mich da, vor allem meine Mutter. Sie hat oft auch im Krankenhaus bei mir geschlafen.“
Nach fast zwei Jahren der Krankheit und der Anstrengung, sich Gehör zu verschaffen, will die Kölnerin nun vor allem eines: weitermachen. Auch wenn dieses Weitermachen in vielen Punkten anders aussieht, als ihr Leben eigentlich geplant war. „Meine Pflegeausbildung hatte ich fast fertig, aber ich kann mir jetzt nicht mehr vorstellen, mit kranken Menschen zu arbeiten. Das würde mich körperlich und seelisch zu sehr belasten.“
Aktuell ist Jasmin noch angeschlagen. Ende des Jahres soll sich ihr Zustand durch einen Aufenthalt in der Reha verbessern. „Die Ärzte haben mir gesagt, dass ich im April vielleicht schon wieder eine Ausbildung starten kann.“ Das Urostoma halte sie davon nicht ab. „Man kann damit zum Glück eigentlich alles machen, auch Sachen wie Sport und schwimmen.“
Pflege, das war einst ihre Berufung, auch Jasmins Mutter und viele weitere aus ihrer Familie arbeiten in diesem Bereich. Die Suche nach einer neuen Ausbildung sei dementsprechend knifflig. Eines weiß die 22-Jährige aber mit Sicherheit. „Ich werde ganz viel reisen. Erst in andere Städte und dann in andere Länder. Alles, was ich nicht machen konnte, will ich dann nachholen.“

