Neumarkt in KölnDrogenkonsumräume im Gesundheitsamt sind fertig

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Zwölf Plätze gibt es nun, um den Drogenkonsum unter hygienischen Bedingungen zu ermöglichen. 

Köln – Die weißen Nierenschalen mit steril verpackten Spritzen und Kochsalzlösung sind vorbereitet. Jeder der zwölf Plätze in den beiden neuen Drogenkonsumräumen des Gesundheitsamts am Neumarkt ist mit Alufolie, Feuerzeug und Armbinde ausgestattet, damit sich Drogenabhängige hier in Kürze Heroin spritzen können. Noch fehlt die Betriebserlaubnis, doch die Stadt rechnet damit, das Angebot in den kommenden Tagen starten zu können.

Kosten von rund zwei Millionen Euro

Als Gesundheitsdezernent Dr. Harald Rau seinen Dienst in Köln vor sechs Jahren angetreten ist, stand die Drogenproblematik rund um den Neumarkt bereits auf der städtischen Agenda. „Die Konsumräume alleine werden die Probleme des Neumarkts nicht lösen können. Aber ich hoffe, dass sich in zwei oder drei Jahren zeigen wird, dass endlich gut wird, was lange währt“, sagte Rau am Montag bei der Präsentation der Konsumräume.

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Ausgestattet werden die Abhängigen mit sterilen Spritzen und Utensilien zum inhalativen oder intravenösen Konsum von Heroin. 

Rund zwei Millionen Euro hat es die Stadt gekostet, die alte Tuberkulosevorsorge im Gesundheitsamt zu verlegen und zwölf neue Plätze für den Drogenkonsum zu schaffen. Hinzu kommen Duschen, Toiletten, Waschmaschine, Wäschetrockner und ein Aufenthaltsraum mit Liegen und Bänken. Bislang gab es in Köln lediglich sechs Plätze zum kontrollierten Drogenkonsum am Hauptbahnhof – zum Vergleich: Die Stadt Hamburg bietet 48 solcher Plätze, selbst Wuppertal hat acht Plätze. „Nun können wir die rote Laterne abgeben. Unser Ziel ist die aktive Kontaktaufnahme mit dem Drogenklientel, um auf das neue Angebot hinzuweisen“, sagt Dr. Johannes Nießen, Leiter des Gesundheitsamts.

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Blick in die Station am Neumarkt 

Im Vorfeld gab es eine erbitterte Diskussion

Der Eröffnung der Räume ist eine zum Teil erbittert geführte Debatte um die Auswirkungen solcher Angebote vorausgegangen. Als die Stadt vor vier Jahren bereits eine geeignete Immobilie in Neumarkt-Nähe zur Einrichtung eines Drogenkonsumraums gefunden hatte, konnten Anwohner und Geschäftsleute mit ihren Bedenken das Zustandekommen eines Mietvertrags verhindern.

Das Drogenhilfsangebot

2 Busse stehen derzeit am Cäcilienhof auf dem Gelände der Kirche für Drogenabhängige zur Verfügung. In einem Bus finden Beratungen statt, das andere Fahrzeug verfügt über Konsumplätze. Künftig sollen die Busse zum Wiener Platz nach Mülheim verlegt werden. Zweimal waren die Busse zuletzt durch Brandanschläge beschädigt worden.

450 Konsumvorgänge pro Monat hat die Stadt voriges Jahr an den Bussen gezählt. An den zwölf neuen Konsumplätzen im Gesundheitsamt am Neumarkt sind bis zu 7200 Konsumvorgänge pro Monat möglich. Insgesamt will die Stadt die Drogenkonsumplätze auf 28 erhöhen, neue Plätze sind am Bahnhof und in Kalk (Dillenburger Straße) geplant. (tho)

„Die Skepsis, die Konsumräume könnten noch mehr Abhängige anziehen, war anfangs groß“, weiß Rau. Die Stadt ließ Experten aus Zürich anreisen, um Erfahrungen aus anderen Städten in die eigenen Planungen einfließen zu lassen. „Die Akzeptanz ist größer geworden“, stellt Rau nun fest. Die Drogenszene rund um den Neumarkt bedeutet vor allem menschliches Elend. Zweidrittel der Konsumenten sind nach Kenntnissen der Stadt obdachlos, in den vergangenen Jahren beklagten Anwohner immer wieder Spritzen und Fäkalien in Hauseingängen, in aller Öffentlichkeit setzten sich Abhängige ihren Schuss. Auch dies war ein Motiv für die Gründung der Bürgerinitiative „Zukunft Neumarkt“ im Mai 2017. „Sucht ist kein Verhalten, sondern eine Erkrankung, die sich dem freien Willen ein Stück weit entzieht“, gibt der Gesundheitsdezernent zu bedenken.

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Der Eingang zu den neuen Räumen befindet sich in der Lungengasse, also auf der Rückseite des Gesundheitsamts. Warteschlangen und eine „Szene-Ansammlung“ will Nießen vermeiden. Wer das Angebot der Stadt nutzen möchte, muss eine „Nutzungsvereinbarung“ unterzeichnen und bei der Anmeldung mitteilen, ob Kokain oder Heroin konsumiert werden, damit notfalls die richtigen Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden können. Dreimal pro Woche kommt zudem der mobile medizinische Dienst für kleinere Behandlung der oft nicht krankenversicherten Menschen vorbei.

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