40 Jahre Wein statt KölschWie das Weinlokal „Morio“ in Nippes die Kneipenkultur herausforderte

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Fünf Personen sitzen mit erhobenen Gläsern an einem Tisch in einer Weinstube.

Die inzwischen 89 Jahre alte Morio-Gründerin im Kreise ihrer Gäste: Gisela Thode (Mitte)

Vor 40 Jahren eröffnete Gisela Thode ihr Weinlokal „Morio“ am Schillplatz. Damals produzierten die Clouth-Werke, das Veeel war von Kölsch-Kneipen geprägt. 

Die Idee, ihr eigenes Weinlokal zu eröffnen, hing bei Gisela Thode eng mit ihrer Heimat zusammen. In der Pfalz, wo sie gebürtig herkommt, wuchs sie mit Wein auf; dort sind die kleinen Weingaststätten mit kleinen Speisen zur Begleitung typisch. Eine solche fehlte ihr in Nippes. Kurzum eröffnete die zertifizierte Weinberaterin mit Diplom des Deutschen Weininstituts in Mainz am 27. Februar 1984 an der Schillstraße 12, direkt am Schillplatz, ihr eigenes Lokal – einst sogar noch mit dem benachbarten Weingeschäft „Cabinet“, in dessen Räumen sich heute die Atelier-Galerie „Studio Zehn“ befindet.

Erzählband „Moriotaten“ rekapituliert die ersten elf Jahre des Lokals

„Dieses Lokal ist zum einen entstanden, weil ich eine Weinstube haben wollte. Zum anderen aber, weil man damals als Frau nicht ohne männliche Begleitung in eine Gaststätte gehen konnte, ohne schief oder von oben bis unten angeschaut zu werden“, erinnert sich die heute 89-Jährige, die in Alt-Niehl lebt. „Das sollte bei mir anders sein.“ Zum Anlass des 40-jährigen Bestehens ihres einstigen Ladens hat sie in Zusammenarbeit mit dem Nippeser Archiv für Stadtteilgeschichte einen kleinen Erinnerungs-Band herausgebracht: „Moriotaten“ erzählt von den ersten elf Jahren des Lokals, von 1984 bis 1995. Mit Kim-Marcel Krutwig, der die Gespräche mit ihr führte, sowie Helmut Kirch und Kathi Bücken vom Stadtteilarchiv stellte sie beim kleinen Jubiläumstreffen an ihrem alten Wirkungsort das Erzählbändchen vor, prall gefüllt mit Anekdoten, Erinnerungen an prominente Gäste oder besondere Veranstaltungen wie das damalige Musiktheater im Morio.

Die Clouth-Werke produzierten noch, als das Morio gegründet wurde

Zur damaligen Zeit zeigte Nippes noch ein deutlich anderes Gesicht als heute: Die Clouth-Werke produzierten noch, hatten ihre beste Zeit aber schon hinter sich. Auf dem Gelände des Eisenbahn-Ausbesserungswerks waren noch Dienststellen der Bundesbahn untergebracht, wenngleich der eigentliche Werksbetrieb dort schon 1978 endete. Kurzum: Der Strukturwandel, verbunden mit Arbeitslosigkeit, hatte Nippes voll im Griff. Das gastronomische Bild prägten eher Kölsch-Kneipen. „Gerade um 1984 herum kamen jedoch viele junge Leute nach Nippes“, so Thode. „Dennoch war es ein Wagnis. Viele hatten geunkt, dass der Laden nicht laufen würde.“ 

Die erste lustige Begebenheit ereignete sich bereits am Eröffnungstag: Eine Frau kam kurz nach Betriebsschluss durch die halb heruntergelassene Jalousie am Eingang geklettert. „Dunn mer mol en Wing“, meinte sie – und die Neu-Kölnerin Thode wusste zunächst gar nicht, was sie wollte. Die Kundin kam in der Folge mehrfach in den Laden, über die Zeit freundeten die beiden sich an. 

Nippeser Tivoli-Kino sollte auf dem Clouth-Gelände wieder eröffnen

Einen Rückschlag erlebte Thode, als sie in den frühen Neunzigern auf dem Clouth-Gelände das legendäre Nippeser Tivoli-Kino wiederbeleben wollte, in dem auch Veranstaltungen stattfanden. Sie war massiv in Vorleistung gegangen, alles war in trockenen Tüchern – doch dann verkaufte Clouth an Continental, die nicht mitspielten. In der Folge verkaufte sie das „Morio“ und ging nach Südfrankreich, wo sie von 2000 bis 2015 lebte. „Dort hatte ich ein Veranstaltungs-Lokal mit Ausstellungen sowie ein Restaurant, dieses besteht sogar noch“, erzählt sie. Wegen ihrer Enkelin kehrte sie dann nach Köln zurück, verbringt aber nach wie vor jedes Jahr drei Wochen im Herbst in Frankreich. 

Von dort hat sie ihre Liebe zur Musik mitgebracht. „Sie ist mein Lebenselixier. Wenn ich nicht singen kann, geht es mir nicht gut.“ Seitdem tritt sie entweder mit einem Pianisten oder den  „Rockabellas“, einem Frauen-Duo mit Saxofon und Gitarre, auf. Am 21. März tritt sie im „Heimathirsch“ auf. Und auch wenn sie selbst nicht mehr hinter der Theke steht: Ihren alten Laden mag sie nach wie vor. „Die meisten deutschen Weißweine auf der Karte kommen aus den gleichen Weingütern wie 1984.“


Das Heft „Moriotaten“ wird im „Morio“ ausgelegt. Es ist auch über das Nippeser Stadtteilarchiv beziehbar, gegen Erstattung der Portokosten. Kontakt über E-Mail.

info@archiv-koeln-nippes.de

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