Luxussanierungen sollen erschwert werdenSo will sich Nippes vor steigenden Mietpreisen schützen

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Die backsteinroten „Clouth 1“-Gebäude im jüngsten Veedel von Nippes.

Die Milieuschutzsatzung ist ein städtebauliches Instrument, das die Zusammensetzung der gebietsansässigen Wohnbevölkerung schützen soll.

Eine Satzung für den Nippeser Osten soll nach Willen der Bezirkspolitik Luxussanierungen und Modernisierungen erschweren. Sie wäre die fünfte in Köln.

Der Weg zu einer Sozialen Erhaltungssatzung für Teile von Nippes ist bereitet: Als fünftes Quartier in Köln soll voraussichtlich im Nippeser Osten ein Milieuschutz greifen, der Luxussanierungen und Modernisierungen verhindert oder zumindest erheblich erschwert. Hintergrund ist, die Sozialstruktur des Viertels zu erhalten und gerade Finanzschwächere vor Verdrängung durch steigende Mieten zu schützen.

Den entsprechenden Bürgerantrag der Initiative „Bezahlbares Wohnen in Nippes“ an die Verwaltung, eine solche Satzung aufzustellen und dem Rat zur Abstimmung vorzulegen, nahm die Bezirksvertretung Nippes mehrheitlich, gegen die Stimmen der CDU-Fraktion und des AfD-Vertreters, an. Wann genau sie kommt, ist noch ungewiss, ebenso, welche Gebiete exakt von ihr erfasst werden.

Soziale Erhaltungssatzung: Bislang vier Kölner Gebiete geschützt

Bislang gibt es für vier Quartiere in Köln eine Erhaltungssatzung: Nach der Stegerwaldsiedlung im Mülheimer Süden, wo eine solche bereits seit 1996 besteht, kam 2020 das Severinsviertel hinzu, 2022 Mülheim-Süd-West – der Kernbereich des Veedels rund um die Mülheimer Brücke und den Stadtgarten –, sowie kürzlich Ehrenfeld-Ost, das Stadtteilzentrum zwischen Innerer Kanalstraße, Subbelrather Straße, Gürtel und Melaten.

Zwei Jahre lang hatte die Initiative, die der Linkspartei nahesteht, in Nippes Unterschriften gesammelt und an Infoständen im Veedel für ihr Vorhaben geworben. 3464 Unterschriften übergaben nun die beiden Mitwirkenden Stephanie Faber und Wilfried Viebahn an die Nippeser Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert (Grüne). „Wir haben besonders auf die Umgebung des Clouth-Geländes hingewiesen, das wurde dann auch untersucht“, erläuterte Viebahn.

Gerade rund um die neue Siedlung seien Aufwertungsprozesse zu beobachten. Man habe seit Anfang 2022 mit unzähligen Menschen gesprochen, die ihre Probleme schilderten, ergänzte Faber. „Oft haben wir gehört, dass Haushalte, die von Mietsteigerungen betroffen sind, sich eine Wohnung in einem anderem Stadtteil suchen müssen, manchmal verbunden mit einem Schulwechsel. Über diese zwei Jahre sind uns einige dieser Schicksale begegnet, deshalb fühlen wir uns in unserem Vorhaben bestätigt.“

Zwei Quartiere fielen besonders auf

Parallel zum Bürgerantrag hatte das Amt für Stadtentwicklung und Statistik bereits die Lage in elf Quartieren im Nippeser Osten und dem angrenzenden Niehler Süden untersucht. Fünf Kriterien werden dabei geprüft . Vor allem auf dem Clouth-Gelände fiel der hohe Wert für die Abgeschlossenheits-Erklärungen auf, der mit 113,32 pro 1000 Wohneinheiten mehr als das Siebenfache des Gesamt-Kölner Schnitts von 15,47 betrug.

Auch im benachbarten Quartier Waterloostraße, begrenzt durch Neusser, Niehler, Blücher- und Nordstraße, liegt der Wert mit 70,61 fast fünffach darüber. „Wir können den Verdacht, dass ein Aufwertungsprozess läuft, für das Clouth-Gelände bestätigen“, informierte Amtsmitarbeiterin Birgit Steck, die in der Sitzung zu Gast war. Der „Ausreißer“ auf dem Clouth-Gelände könne allerdings auch damit zu tun haben, dass die Bauträger bei Errichtung der Wohnungen sich diese Bescheinigungen auf Vorrat ausstellen ließen.

Allerdings könne die Satzung keine Mieterhöhungen verhindern. „Sie bleiben grundsätzlich möglich, es sei denn bei Maßnahmen, die unter Luxusmodernisierung fallen“, so Steck. Vielmehr sei die Satzung „ein städtebauliches Instrument, mit dem wir auf bestimmte Entwicklungen reagieren können“. 

„Es ist für uns alle völlig klar, dass wir solch eine Satzung brauchen“, resümierte SPD-Fraktionschef Ulrich Müller. „Natürlich können wir keine Glocke über Nippes stülpen, aber wir wollen eine Gentrifizierung nach Möglichkeit verhindern.“ Es sei wichtig, der sozialen Entmischung von Quartieren zu begegnen, ergänzte Max Beckhaus (Gut & Klimafreunde). „Sonst drohen irgendwann Zustände wie in den USA, wo sich die unterschiedlichen Leute gar nicht mehr begegnen.“

CDU-Fraktionschef Christoph Schmitz sah den Wohnungsbau eingeschränkt; nur dieser schaffe neuen Wohnraum, „um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen“, bemerkte er. Schon heute kämen in Nippes auf eine freie Wohnung rund 300 Interessenten. „Macht es unter dieser Prämisse überhaupt Sinn?“


Die Untersuchungs-Kriterien Nach fünf Kriterien beurteilt die Verwaltung, ob in einem Quartier Veränderungsdruck herrscht. Eine zentrale Rolle spielt die Quote der sogenannten Abgeschlossenheits-Bescheinigungen, bezogen auf die Zahl der Haushalte in einem untersuchten Gebiet. Diese Bescheinigung vom Bauaufsichtsamt braucht ein Investor, um ein Miet- in ein Eigentums-Wohnobjekt umzuwandeln. Sie belegt, dass die Wohnungen und sonstigen Räume „in sich abgeschlossen sind“, also einen eigenen, abschließbaren Zugang von außen oder von Fluren aus haben. Dies ist im späteren Eigentumsobjekt für die Trennung von Gemeinschafts- (z. B. Foyer, Flure, Treppenhaus, Lift, Garten, Innenhof) und Sondereigentum (die Wohneinheiten selbst) wichtig. Zweitens und drittens wird untersucht, wie hoch die mittlere Wohndauer in einem Gebiet ist, und welcher Anteil der Haushalte Transferleistungen wie Bürgergeld oder Sozialhilfe bezieht. Viertens und fünftens, wie sich diese beiden Werte in den vergangenen Jahren entwickelt haben. (bes)

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