Otto-Langen-QuartierHier vereinen sich Fragen der Zukunft – und sorgen für Streit

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Früher Gießerei, heute vor dem Verfall: Eine alte Fabrikhalle. Sie ist nicht denkmalgeschützt.

„Kultur gegen Kapitalismus“, so hat das Deutschlandradio zuletzt den Konflikt um das Otto-Langen-Quartier am Mülheimer Hafen genannt. Das ist eine der Interpretationslinien in diesem Konflikt, der „völlig verkantet“ ist, wie ein Beteiligter sagt. Im Großen geht es darum, wie eine Stadt ihre großen alten Industrieflächen zu neuen Stadtquartieren umbaut. Und im Kleinen geht es darum, welchen Raum Kunst und Kultur dabei einnehmen, ganz konkret, was mit der Kunstinitiative „Raum 13“ passiert? Sie hat Teile der alten Gebäude Jahre genutzt, steht nun aber vor dem Aus. Am Freitag beschäftigt sich das Landgericht mit der Räumungsklage gegen „Raum 13“. Ein Überblick.

Die Ausgangslage in dem Streit

5,9 Hektar groß ist das Otto-Langen-Quartier am Mülheimer Hafen. Früher befand sich in den Hallen die ehemalige Gießerei der Gasmotorenfabrik Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD), heute bekannt als Deutz AG. Doch 1996 verkaufte sie den größten Teil an NRW.Urban, die landeseigene Stadtentwicklungsgesellschaft. Später kaufte der Kölner Immobilienentwickler Gottfried Eggerbauer das rund 270 Meter Meter lange KHD-Verwaltungsgebäude, es steht unter Denkmalschutz. Das Problem: Die Grundstücksgrenze läuft quasi durch das Haus hindurch, das macht sie voneinander abhängig. Ein kleiner Teil gehört der Gerchgroup (siehe Grafik). Das Land kommt seit Jahren nicht vorwärts mit der Entwicklung seiner Fläche, Eggerbauer dadurch auch nicht, er will verkaufen, „Raum 13“ als seine Mieter raus haben.

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Die ehemalige Hauptverwaltung von Klöckner-Humboldt-Deutz in Mülheim

Die Künstler und ihre Position

Seit 2011 nutzen Marc Leßle und Anja Kolacek die frühere KDH-Hauptverwaltung, haben dort ihre Kunstinitiative „Raum 13“ untergebracht. Das Duo beschäftigt sich dort mit der Geschichte des Areals, all das läuft unter dem Titel „Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste“.

Künstlerduo: Anja Kolacek und Marc Leßle.

Künstlerduo: Anja Kolacek und Marc Leßle.

Mehr als 70 000 Menschen haben sie durch die Räume geführt, mehr als 50 Theater-Uraufführungen organisiert, waren Teil der Museumsnacht, erhielten Preise. Sie haben Leben in die alten Räumen gebracht . Sie sagen: „Wie kostbar dieses Kleinod – der zu gestaltende Raum – ist, wird noch deutlicher, wenn wir die aktuellen Zeitungsberichte und Studien lesen, in denen von immer höheren Mietpreisen, der Raumnot in den Großstädten und dem Kampf um bezahlbaren Wohn-Arbeits-Kreativraum berichtet wird.“

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Deshalb wollen sie und weitere Künstler, Wissenschaftler, Architekten und Denkmalpflegern im Otto-Langen-Quartier testen, ob Stadtentwicklung nicht auch mal anders geht, nicht getrieben von den großen Immobilienentwicklern. „Raum 13“ bezeichnen sie selbst als Motor dieser Zukunftsvision, weil sie der langen Geschichte dieses Fleckchens Köln Aufmerksamkeit verschafft haben. Ein Beispiel: Ihre Pläne sehen Holzbauten in den Hallen vor, sie wollen unter anderem Ateliers unterbringen, viel erhalten – und nicht einfach abbrechen und neu bauen. Allerdings: Der Initiative gehört kein Stück Land, sie ist auf das Land NRW oder die Stadt angewiesen.

Der Investor und seine Pläne

Gottfried Eggerbauer gehört die KHD-Hauptverwaltung, er wollte sie entwickeln. Es gibt für das Otto-Langen-Quartier auch ein städtebauliches Planungskonzept von 2017, es ordnet die Fläche neu (siehe Info-Grafik). Es ist eine erste Vorgabe, aber noch nicht verbindlich, es soll ja geprüft werden, ob nicht doch mehr als die drei denkmalgeschützten Teile erhalten werden. Eggerbauer sagt: „Wir haben nachweislich zwölf Jahre lang versucht, die Entwicklung des Geländes anzustoßen.“ Aber: Das Land als Nachbar hat lange kaum etwas unternommen. Nun hat Eggerbauer genug, er will verkaufen, eine außergerichtliche Einigung mit „Raum 13“ lehnt er ab (wir berichteten).

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Das denkmalgeschützte KHD-Gebäude samt Eingang zu "Raum 13".

In den vergangenen Wochen hatte er die beiden Künstler als „Subventionsjunkies“ bezeichnet, weil sie Steuermittel zugesprochen bekommen haben. Und er sagt: „Wenn ein Zwischennutzer, der ursprünglich bestenfalls für vier Jahre in dem Gebäude bleiben sollte, nach mehr als zehn Jahren denkt, er habe das Recht, dort für immer zu bleiben, dann zeugt das nicht nur von einem vollständigen Realitätsverlust, sondern auch von einem sehr bedenklichen Rechtsverständnis.“ Die „Moderne Stadt“ als Entwicklungsgesellschaft der Stadt soll Eggerbauer 18 Millionen Euro geboten haben, ein anderer Interessent rund 21 Millionen Euro.

Die Stadt und die Politik

Losgelöst von „Raum 13“ geht es im Otto-Langen-Quartier darum, ob eine Stadt ihre Stadtentwicklung selbst aktiver gestalten muss. Oder gibt sie Investoren nur einige Leitplanken vor – und am Ende steht das nächste gleichförmige Quartier aus dem Baukasten? Stadtkonservator Thomas Werner hatte 2019 gesagt: „Großinvestoren haben viel Geld über Fonds gesammelt, sie entwickeln Großprojekte in verschiedenen Städten und verkaufen diese vor deren Fertigstellung. Darunter leidet die architektonische Qualität, weil es häufig um die reine Baumasse geht, um möglichst wirtschaftlich zu sein.“

Vergangene Zeit: Hier tagte der KHD-Betriebsrat.

Vergangene Zeit: Hier tagte der KHD-Betriebsrat.

Große Teile des Stadtrats haben sich für den Verbleib von „Raum 13“ ausgesprochen, zudem ein Vorkaufsrecht ausgesprochen, Leßle und Kolacek sehen das als Signal für ihre Pläne. Will einer der drei Besitzer verkaufen und hat sich mit einem Interessenten geeinigt, hat die Stadt Zugriff darauf, muss aber den Kaufpreis stemmen. Zudem setzten sich mehr als hundert Menschen per Zeitungsanzeige für „Raum 13“ ein und forderten ein Ruhen der Klage. Baudezernent Markus Greitemann hatte sich optimistisch gezeigt, dass sich später für „Raum 13“ ein neuer Platz im neuen Quartier finden werde. Nur: Es ist ja kein reines Theater, das einfach so umzieht. Leßle sagt: „Es ist nicht realistisch, in fünf Jahren einfach wieder aufzumachen.“

Das Land und sein Warten

Nach Jahren des Brachliegens will das Land seine Fläche verkaufen. Doch die Bedingungen sind unklar, darüber und den Zeitplan stimmen sich Land, Stadt und NRW.Urban bis Februar ab. Dann wird das Gebiet angeboten – und zwar europaweit. Die Frage ist, ob die Stadt sich den Kauf der Flächen des Landes und von Eggerbauer leisten will und kann, um eine gemeinsame Entwicklung zu forcieren. Unabhängig davon dürfte das dauern und damit sehr wahrscheinlich das Aus für „Raum 13“ bedeuten – wenn das Gericht pro Eggerbauer urteilt.

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