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Rassismus im KarnevalPlakataktion soll Bewusstsein schärfen

Lesezeit 3 Minuten

Der Sänger Mr. James in einem seiner Musikvideos.

Köln – Nun wollen sie Plakate drucken lassen, die in der Karnevalszeit in der Stadt aufgehängt werden. Schwarze Menschen und Asiaten werden darauf zu sehen sein, der Slogan lautet: „Ich bin kein Kostüm“. Etwa 2500 Euro fehlen dem Anti-Diskriminierungs-Büro Köln (ADB) und der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) noch zur Finanzierung. „Aber wir wollen das unbedingt schaffen“, sagt Ilka Simon vom ADB in Mülheim.

An diesem Freitag steht Ilka Simon im NS-Dokumentationszentrum und eröffnet gemeinsam mit Hausherr Dr. Werner Jung eine Tagung. „Wo fängt der Spaß an?“ lautet der provokative Titel, denn es geht nicht nur um den Karneval in der NS-Zeit, als Juden auf Wagen im Rosenmontagszug verhöhnt wurden, es geht ums Hier und Jetzt. Und um den Verein „Müllemer Neger“, der sich auch auf Druck des ADB vor gut einem Jahr umbenannt hat. Der neue Name: „Müllemer Klütte vun 1961 e.V.“ . Auf dem Logo grinst ein Clownsgesicht von einem Stück Brikett.

Akzeptanz von Alltagsrassismus

Der Begriff Klütte sei „nicht diskriminierend“ hatte das Festkomitee damals zufrieden festgestellt. „Der Grund unserer Namensbedenken wurde nicht verstanden“, urteilt dagegen Ilka Simon und erhält Zustimmung vom Direktor des NS-Dokumentationszentrums. „Ich empfinde es als Zumutung zu sagen, Klütte statt Neger sei in Ordnung“, bemängelt Dr. Werner Jung. Seiner Ansicht nach zeugt die Existenz derartiger Vereine und deren öffentliche Akzeptanz von einem „Alltagsrassismus“.

Diego Encarnation, Roter Funk, ist gewisse Spitznamen gewohnt.

Anlass für die Namensänderung der „Müllemer Neger“ war damals eine konkrete Beschwerde. Eine Frau aus Afrika hatte vor der Stammkneipe des Vereins mit einiger Beklemmung das Namensschild gelesen. Jahrzehntelang hatte das Messingschild niemanden gestört, erst als der Verein sein Stammlokal wechselte und das Schild plötzlich auf der belebten „Mülheimer Freiheit“ hing, gab es Proteste. Einmal sei das Schild gar abmontiert worden, berichtet ein Vereinsmitglied.

Kritik an vielen Karnevalsvereinen

Inzwischen haben die Mitarbeiter des Anti-Diskriminierungs-Büros auch die Namen anderer Karnevalsvereine beanstandet. Denn es gibt eine Reihe von Gruppierungen, deren Name sich an Volksgruppen anlehnt. Ihrefelder Chinese beispielsweise, Poller Böschräuber oder die Original Negerköpp vun 1929. Gegründet in einer Zeit, als Afrikaner noch in Völkerschauen präsentiert wurden. „Die Neigung, sich dem Exotischen zu nähern, ist ein altes Phänomen und keine bewusst diffamierende Tendenz“, urteilt Brauchtumsexperte Wolfgang Oelsner. Auch im Karneval habe damals eine solche Annäherung stattgefunden.

Ein paar Jahre ist es her, da rief Sängerin und Moderatorin Marita Köllner in einer Live-Sendung den schwarzen Sänger „Mr. James“ nach dessen Auftritt mit den Bläck Fööss liebevoll „Ming Klüttche“. Für Aufsehen oder gar Empörung hatte dies nicht gesorgt. Aber wie hat James Allen Davis, so sein bürgerlicher Name, die Titulierung damals empfunden? „Gestört hat es mich nicht, es gibt aber Menschen, die da empfindlicher sind“, gibt er zu bedenken.

„Müllemer Neger“ noch auf Facebook zu sehen

„Klüttche“ – diesen Spitznamen hatten die Roten Funken ursprünglich auch für Diego Encarnatión, Eventmanager mit deutschem Pass und Wurzeln in der Dominikanischen Republik, gewählt, denn einen Spitznamen erhält jedes neue Mitglied des Traditionskorps. Dann entschieden sie sich aber für „Schokolädche“. „Klüttche hätte man falsch interpretieren können, Schokolädchen ist eine diplomatische Lösung, jeder denkt an etwas Süßes“, sagt er. Prinzipiell habe er aber auch mit Klütte kein Problem, das Wort impliziere „keine rassistischen Motive“.

Ein wenig zerknirscht hatte Franz Peter Schiffer, Vorsitzender der Müllemer Klütte, die Debatte verfolgt. „Für uns ist das Thema abgeschlossen, den neuen Namen halten wir nicht für diskriminierend“, sagt er entschlossen. Mit dem alten Namen sei dies anders gewesen, „die Kritik konnte ich nachvollziehen, da hat früher einfach niemand drüber nachgedacht, auch wenn es nie beleidigend gemeint war“, sagt er. Auf seiner Facebook-Seite zeigt der Verein als Titelbild noch immer den Prunkwagen mit dem Schriftzug „Müllemer Neger“.