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Verlassene GräberLesung und Führung auf dem Südfriedhof in Zollstock

3 min
Ein Mann und eine Frau stehen neben einem grauen Grabstein auf einem Friedhof.

Stadtführer Uli Kievernagel und Künstlerin Christiane Rath auf dem Südfriedhof in Zollstock.

Christiane Rath pflegte 18 Monate ein fremdes Grab – ihre Gedanken dazu liest sie am 6. September in der Trauerhalle des Südfriedhofs. Zuvor gibt Uli Kievernagel Einblicke in die Geschichte der Anlage.

Jeder kennt sie, und sie machen immer ein wenig traurig – verwilderte Gräber, ungepflegt, mit Unkraut überwuchert, die wie vergessen zwischen gepflegten Grabstätten ein kümmerliches Dasein fristen. Solche Gräber fielen auch der Kölner Künstlerin Christiane Rath ins Auge, die, wie sie erzählt, gerne auf Friedhöfe geht. Sie beschloss bereits vor Jahren, sich eines solchen „herrenlosen“ Grabes anzunehmen, für eine gewisse Zeit. „Zunächst war ich unsicher, ob das vielleicht verboten ist, einfach ein fremdes Grab zu pflegen, und eine Patenschaft wollte ich nicht übernehmen“, sagt Rath.

In der Corona-Zeit, als alles ein bisschen anders war, setzte sie ihre Idee in die Tat um. Auf dem Südfriedhof war ihr ein verwildertes Grab aufgefallen, in dem ein Vater und ein Sohn lagen. Der Vater Heinz war am 22. Februar 1922 geboren und 30 Jahre nach seinem Sohn Heinzchen gestorben. Dieser war im jungen Alter von 17 Jahren beerdigt worden, eine Stelle auf dem Grab war noch leer. „Die Tragik hinter dem frühen Tod, das lange Überleben des Vaters, der Familienname Rausch – all das brachte mich dazu, dass es dieses Grab sein sollte, um das ich mich kümmern wollte“, erzählt Rath.

Buch der Lebensgeschichten

Sie begann Unkraut, wuchernde Brombeeren und anderthalb Meter hohe Disteln zu entfernen und die Grabstätte regelmäßig zu säubern, achtzehn Monate lang. Von der Veränderung machte sie Fotos, die Teil eines Kunstprojektes werden sollten. „Ich verbrachte viel Zeit an dem Grab und baute dadurch eine Beziehung zu der Familie auf. Ich fragte mich: ‚Wer könnte hier liegen? Warum ist der Sohn so früh gestorben? War es ein Unfall, war er krank? Warum kommt die Mutter nicht?‘“, schildert Rath.

Sie begann ihre Fantasien aufzuschreiben, lotete verschiedene Lebensmöglichkeiten aus, brachte eigene Erfahrungen mit ein und machte daraus ein Buch, in dem auch viele Fotos enthalten sind. Diesem „Buch der Lebensgeschichten“, wie es die Künstlerin nennt, gab sie den Titel „Unvergessen – eine temporäre Grabaneignung“ und brachte es pünktlich zum hundertsten Geburtstag von Heinz Rausch am 22. Februar 2022 heraus.

Am Samstag, 6. September, liest die Künstlerin aus diesem Buch in der Trauerhalle auf dem Südfriedhof. Vorher wird der Kölner Stadtführer Uli Kievernagel einiges zum Südfriedhof erzählen, die Entwicklung der Anlage erläutern und auf seine Besonderheiten eingehen, wie zum Beispiel auf den britischen Ehrenfriedhof. Im Anschluss an die rund einstündige Veranstaltung geht es gemeinsam mit Rath und Kievernagel zum Grab von Heinz und Heinzchen Rausch, das sich nahe der Trauerhalle befindet.


Die Veranstaltung beginnt um 15 Uhr und ist kostenfrei, Anmeldung über Uli Kievernagel erforderlich. Uli Kievernagel, uli@koeln-lotse.de, Telefon 0221-98863509