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SchauspielausbildungWarum auf der Kölner Film Acting School Seelenspiel gelehrt wird

Lesezeit 4 Minuten
Junge Männer und Frauen machen große Gesten.

Improvisation auf der Film Acting School Cologne.

Schauspiel von der Pike auf lernen können Interessierte auf der Film Acting School Cologne. Ein Besuch.

Aus Spiel wird Ernst: Die Impro beginnt im kahlen Saal ohne Requisiten, vor fremden Zuschauern und einer Kamera. „Man muss sich am besten immer sofort trauen. Und zack! Viel Spaß - und bitte!“ Dozent und „Scala“-Schauspieler Beka Bediana ermutigt im Improvisationskurs die Julia Roberts-Klasse, aus dem Stegreif vor der Gruppe eine Szene zu spielen wie in der „Springmaus“-Comedy; dort war er selbst lange Ensemble-Mitglied.

Und zack. Reginal wagt sich als Erster vor und mimt eine Panne bei einer Konzertprobe. Nach und nach springen weitere Schauspielschüler ihm bei und das Drama rund um Stress vor einem großen Bühnenauftrit nimmt seinen Lauf mit Coach Bediana: „Zeigt, wer ihr seid, was das Problem ist.“

Große Gefühle und kleine Gesten

Alltag in der Film Acting School (FAS) an der Moltkestraße: Hier werden große Gefühle und kleine Gesten geprobt, wird je nach Rolle geschimpft und gemordet, geliebt und gelitten, gewartet und gelacht. Scheu zu überwinden und den Mut aufzubringen, vor der Kamera oder auf der Bühne Figuren lebendig werden zu lassen - das will gerade am Anfang der Schauspielausbildung gelernt sein.

Seit 20 Jahren bildet die private Schule unter der Regie von Christina und Bernd Capitain Nachwuchs für TV und Theater aus. „Wir empfinden uns wie eine große Familie“, betonen die erfahrenen Schauspieler.

„Wir haben in der letzten Zeit geprobt, von Innen nach Außen zu kommen, Gefühle wie Trauer oder Freude authentisch rüberzubringen“, erzählt der 28-Jährige Reginal Charles Bauernfeind. Mitschülerin Sophia Gierg (26) berichtet von ihrer „Erkenntnis, dass das Schauspiel dabei weniger mit Spielen" zu tun habe, „sondern mehr mit Echtsein“. Das fordert heraus. Klassenkameradin Paraskevi Doulgkerdiou: „Nach so einem Tag ist man emotional oft sehr aufgewühlt, man lernt viel auch über sich selbst. Zum Beispiel, wenn man wütend ist, das aber erstmal mit Lachen überspielt.“

Atemtechnik und Körperarbeit

Viel Gefühl, aber auch Atemtechnik und Körperarbeit, Rollenspiel und Arbeit vor und hinter der Kamera gehören zum Lernprogramm in der Film Acting School. In geschütztem Rahmen möchte der Nachwuchs sich den Traum von der Karriere in Film, Fernsehen oder Theater erfüllen. „Wir wissen alle, dass einem nichts zufliegt, man muss zielstrebig sein“, sagt Sophia ohne große Illusionen über die schwierige Branche. Eine erste Hürde haben sie mit dem Aufnahmecasting an der FAS schon geschafft.

Die Erfolge von Absolventen motivieren. Darunter sind Hauptdarsteller in Serien wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, Tatort-Auftritten und Rollen in Kinofilmen wie „Der Schwarm“. In der FAS ist denn auch gerade nicht die für den Oscar nominierte Sandra Hüller („Anatomie eines Falls“) der meistbewunderte Star, sondern Tijan Nije. Der FAS-Absolvent gewannt gerade den Bayerischen Filmpreis als bester Nachwuchsdarsteller im Film „Girl you know it's true“ über das Popduo Milli Vanilli.

Absolvent erhielt soeben den Bayrischen Filmpreis

„Tijan ist für mich echt ein Vorbild“, meint die 26-jährige Sophia, die eigentlich Lehrerin werden wollte. Sie tauschte Studium und die Aussicht auf einen sicheren Job mit der privaten Ausbildung nach der Devise: „Es gibt keinen Aufzug, Du musst die Treppe benutzen.“ Auf dem Weg nach oben begegnet den Nachwuchsmimen so manches Unverständnis für den vermeintlichen Traumberuf. „Na, kannste schon auf Knopfdruck weinen?“ werde sie manchmal gefragt. „Ich kann vielleicht auf Knopfdruck Gefühle zeigen“, so Sophia. „Aber ich empfinde sie auch.“ Das Seelenspiel mache verletzlich, aber die Gruppe fange einen auf.

„Wir werden Euch beibringen, nicht zu schauspielern“, versprechen die Capitains ihren Schützlingen zum Start der zweijährigen zertifizierten Ausbildung. Dabei setzen sie auf Praxisnähe, Kooperationen mit einem internationalen Netzwerk und erfahrene Dozierende aus dem In- und Ausland. Sie blicken nicht nur auf 20 Jahre FAS zurück: Christina Capitain startete bereits 1994 ihre „Coaching for Casting“-Workshops als Fortbildung von Bühnen-Darstellern für die boomende TV-Branche und baute anerkannte Lehrgänge für arbeitslose Bühnenschauspieler auf.

Bald wird Jubiläum gefeiert. Mit Blick auf den Medienstandort Köln und die freie Szene hat das Ehepaar einen großen Wunsch: Noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit für das große Kölner Potenzial frei nach dem Karnevalsmotto 2024 „Wat e Theater“.


Die Film Acting School Cologne

20-jähriges Bestehen feiert die Film Acting School Cologne (FAS), am 23. März ab 18 Uhr. Die erste private deutsche Schule für Film und Theater bietet in den Räumen an der Moltkestraße 131 einen zweijährigen zertifizierten Bildungsgang zum professionellen Schauspieler/in an, geleitet wird sie von Christina und Bernd Capitain.

Sechs feste Dozierende bilden die zwei Ausbildungsjahrgänge klassenweise aus, auf dem Programm stehen vielfältige Kurse - von Impro-Training und Tanz bis Sprechtraining und Teilnahme an Film- und Theaterprojekten. In einer neuen Kooperation arbeitet die FAS jetzt mit der Theaterakademie Köln zusammen.

45 Schülerinnen und Schüler besuchen im Schnitt seit 2004 jedes Jahr die Ausbildung, sie kostet 560 Euro im Monat, die Berufsfachschule ist bafögberechtigt.

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