Sternerestaurant in KölnSchnörkellose Wundertüte im Pottkind

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Lukas Winkelmann (links) und Enrico Sablotny an der Theke des Pottkind.

Lukas Winkelmann (links) und Enrico Sablotny an der Theke des Pottkind.

Köln – Im Pottkind geht es in vielen Fragen vor allem um Pragmatismus. In anderen Sternerestaurants gibt es in einem Menü zehn verschiedene Weine in zehn verschiedenen Gläsern. Das Pottkind kredenzt bis auf wenige Ausnahmen fast alle Weine in einem Glas. Der Stauraum im kleinen Südstadt-Lokal gibt einfach nicht mehr her. Tischdecken gibt es nur, weil zu Beginn nicht genug Geld für schöne Tische übrig war.

„Das alles sind Dinge, die oft so wirken, als seien wir entspannter und lockerer als andere Sternerestaurants“, sagt Geschäftsführer Lukas Winkelmann. „Aber es ist Pragmatismus.“ In die gleiche Kategorie fällt die Menükarte des Restaurants. Weil bei den vielen Änderungen irgendwann nicht mehr die Kapazitäten da waren, um die Karten zu drucken und zu schneiden, schaffte das Pottkind die für die Gäste sichtbare Karte einfach ab.

Ein Menü für alle Gäste

Carte Blanche nennt sich seitdem das Konzept. Übersetzt: weiße Karte. Mit anderen Worten: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Ein Menü für alle Gäste. Der Inhalt ist in vielerlei Hinsicht eine Wundertüte. Das Pottkind gibt es seit 2018. Rund sieben Jahre vorher hatten sich Lukas Winkelmann und Küchenchef Enrico Sablotny (beide 35) beim gemeinsamen Kochen im Restaurant „Acht“ am Stadtgarten kennengelernt.

Klare Farben und Formen: Falsches Tatar, saure Kartoffel und Spitzpaprika.

Klare Farben und Formen: Falsches Tatar, saure Kartoffel und Spitzpaprika.

Als die Wege sich trennten, blieben sie in Kontakt. „Irgendwann hatten wir beide den Wunsch, uns zusammen selbstständig zu machen“, erinnert sich Winkelmann. Der Name ergab sich dann durch die gemeinsame Herkunft.Winkelmann und Sablotny drehten das ehemalige Kartöffelchen, ein gutbürgerliches Restaurant mit Kartoffel-Schwerpunkt, auf links und bauten eine große Holztheke ein.

Guide Micheline zeichnete Pottkind im Lockdown mit Stern aus

Von dort können Gäste den Köchen nun direkt bei der Arbeit zusehen. Viel Weiß und ein bisschen Dunkelgrün dominieren den Raum, dazu zehn Tische mit schwarzen Stühlen. Alles schlicht, ohne größere Schnörkel. Bis zu 26 Gäste finden hier jeden Abend Platz. Mitten im Lockdown 2021 zeichnete der Guide Michelin das Pottkind völlig überraschend mit einem Stern aus. „Wir alle sind ambitioniert. Doch eigentlich wollten wir erstmal nur den Laden voll haben und Geld verdienen. Der Stern war nicht geplant“, sagt Sablotny.

Schlicht und schnörkellos: Ein Tisch im Restaurant Pottkind auf der Darmstädter Straße. Die Tischdecke gibt es nur, weil zu Beginn kein Geld für schöne Tische übrig war.

Schlicht und schnörkellos: Ein Tisch im Restaurant Pottkind auf der Darmstädter Straße. Die Tischdecke gibt es nur, weil zu Beginn kein Geld für schöne Tische übrig war.

Das Überraschungsmenü besteht aus fünf Hauptgängen. Auch dazwischen gibt es das eine oder andere Häppchen, so dass das Menü insgesamt etwa neun Elemente enthält. Alle sechs bis acht Wochen wechselt das Menü. Wer versucht, den Kochstil von Enrico Sablotny in eine Schublade einzusortieren, der wird keine passende finden.

Inspiration von Küchen verschiedenster Nationen

„Wir haben keine klare Vorstellung davon, ob wir deutsch, französisch, skandinavisch oder regional kochen“, sagt Sablotny. „Wir lassen uns von allem inspirieren.“ Ein paar wiederkehrende Elemente gibt es dann aber doch. Denn was beim Konzept der Carte Blanche beginnt, setzt sich auch auf dem Teller fort. „Vieles ist auf den ersten Blick verdeckt und spielt sich in unteren Schichten ab“, erklärt der Koch. Bei einem Gang des aktuellen Menüs verdeckt etwa ein Schaum aus fermentierter Gelber Beete unter anderem ein Allerlei aus Steinpilzen, Gelber Beete und Kerbelwurzel.

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Das zweite Wiedererkennungsmerkmal ist wie beim Ambiente das Schlichte und Geradlinige, das sich auf jedem Teller wiederfindet. „Wir setzen uns eine Grenze von fünf zubereiteten Elementen pro Teller“, erklärt Sablotny. Normal in der Sterneküche seien eher 15 oder gar 20 Komponenten. „Ich bin nicht der ultrafiligrane“, begründet der Küchenchef. „Wenn ich ein Kräuterchen von A nach B legen muss, dann werde ich irgendwann irre.“

„Gäste freuen sich, wenn ihnen Entscheidung abgenommen wird"

Bei der Buchung kann der Gast Unverträglichkeiten oder Abneigungen gegen einzelne Produkte mitteilen. Auch ein rein vegetarisches Menü ist möglich. „Eigentlich lassen sich alle Gäste auf die Carte Blanche ein“, sagt Sablotny. „Viele Gäste sagen uns danach: ,Das hätte ich mir nie bestellt, aber ich freue mich, dass ich es gegessen habe’. Das ist ein tolles Kompliment.“

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Die meisten Gäste, meint Sablotny, würden den ganzen Tag Entscheidungen treffen müssen. „Da freut man sich auch mal, wenn man sich hinsetzt und die Entscheidungen jemand anderem überlassen kann.“ Zur Wahl steht zum Menü entweder eine abgestimmte Wein- oder eine alkoholfreie Getränkebegleitung. Bei der alkoholfreien Variante kommen Tees, Kombuchas, Kefir oder auch mal eine Molke zum Einsatz.

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Nach der Auszeichnung mit dem Michelin-Stern im vergangenen Jahr klingen die Zukunftspläne für das Restaurant eher bescheiden. „Unser Ziel ist ein geregelter Alltag“, sagt Winkelmann. Corona habe so viel mitgebracht. Mal hat ein Mitarbeiter einen positiven Test, mal fährt die Bahn nicht, mal fällt die Kita aus. Es müsse ein gesundes Gleichgewicht herrschen, ergänzt Sablotny. „Wir wollen uns steigern, aber nicht in komplettem Chaos.“ Und kulinarisch solle sich der eigene Stil weiterentwickeln. Das sei ein stetiger Prozess. (sw)

Pottkind, Darmstädter Straße 9 (Südstadt), Di – Sa ab 18 Uhr.www.restaurant-pottkind.de

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