Die Umbenennung der Deutzer Straße in Mary-Bauermeister-Allee sorgt für Wirbel - aus einem bisher übersehenen Grund: Der Verein ‚Oase‘ nutzt die Adresse als Anlaufstelle für Menschen ohne festen Wohnsitz.
Streit um Alfred-Schütte-Allee300 Obdachlose könnten ihre Postadresse verlieren

Die Alfred-Schütte-Allee in Deutz
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Hitzige Debatten gibt es über die geplante Umbenennung des nördlichen Abschnitts der Alfred-Schütte-Allee. Was werden der jeweils anderen Seite nicht alles für Argumente entgegengehalten: Die Grünen haben einen Bürgerantrag vorangetrieben, der fordert, den Straßenabschnitt in Mary-Bauermeister-Allee umzubenennen, die SPD hält den Namen für eine schlechte Lösung und fühlt sich überfahren, die CDU kritisiert Geschichtsvergessenheit und hat eine Petition dagegen gestartet. Und für Martin Welker, Inhaber der anliegenden Schütte-Werke, ist die Umbenennung schlichtweg ein Affront. Nur Claudia Betzing drang bei dem ganzen Streit mit ihrer Stimme noch nicht durch. Sie wurde auch von niemanden dazu gefragt, die Vorsitzende des Vereins Oase für Menschen ohne festen Wohnsitz. Dabei hätte sie ein wichtiges Argument einzubringen gegen eine sofortige Umbenennung. Rund 300 Obdachlose verlieren dadurch nämlich ihre bisherige Postadresse.
Auswirkungen der Adressänderung auf Obdachlose
„Mit uns hat noch gar keiner gesprochen“, sagt Betzing. Und es schwingt große Sorge in ihrer Antwort auf die Rundschau-Anfrage mit. Denn was für die einen eine beiläufige Amtshandlung ist, das sei für sie „ein wahnsinnig großer bürokratischer Aufwand“. Die Oase kümmert sich um die Belange von Menschen ohne festen Wohnsitz. Der Verein mit seinen Ehrenamtlern und Mitarbeitern hilft bei Sucht, Geldverwaltung und Amtsgängen. Ein wichtiger Aspekt dabei: Die Oase mit ihrem Sitz an der Alfred-Schütte-Allee gibt Obdachlosen eine postalische Adresse. „Rund 300 Menschen ohne festen Wohnsitz sind über uns gemeldet“, berichtet Betzing. Für diese Menschen mal eben die Adresse zu ändern, wäre nicht beiläufig zu leisten. Obdachlose Menschen sind eben nicht mal eben so zu erreichen.
Zukünftiger Umzug und seine Herausforderungen
Unabhängig von der Alfred-Schütte-Allee kommt diese Mammutaufgabe in absehbarer Zeit auf die Oase sowieso zu. Der Verein muss nämlich dem neuen Stadtviertel Deutzer Hafen weichen. Bei der Klientel, der sich die Oase annimmt, ist es nicht einfach, eine neue Heimat zu finden. Dennoch ist Betzing hoffnungsfroh. In der nur wenige Meter entfernten Siegburger Straße gibt es eine Chance. „Wenn alles gut geht, können wir Ende des Jahres den Mietvertrag unterschreiben.“ Bis zum Umzug werde es dann aber noch rund anderthalb Jahre brauchen, eher zwei. Dann müssen sie und ihre Mitstreiter auf jeden Fall die Aufgabe bewältigen, rund 300 nicht immer leicht zu erreichende Menschen über ihre neue Postadresse zu informieren.
Verzögerung der Umbenennung
Doch wenn die Umbenennung der Alfred-Schütte-Allee schnell geht, dann stünde diese Herausforderung gleich zweimal in nur zwei Jahren an. Eigentlich nicht machbar. Und es soll schnell gehen, geht es nach dem Willen der Befürworter. An deren Spitze steht Bezirksbürgermeister Andreas Hupke. Zuzeiten des Antrags gehörte er noch den Grünen an. Für die Kommunalwahl hat er ein eigenes „Aktionsbündnis“ geschlossen und ist bei den Grünen ausgetreten. Nachdem die Bezirksvertretung Innenstadt gegen die Stimmen von CDU und SPD die Umbenennung in Mary-Bauermeister-Allee beschlossen hatte, zeigte sich Hupke forsch: „Die Sache ist beschlossen, und dabei bleibts“ sagte er damals zur Rundschau. Schnell würde es auch gehen, denn da in dem nördlichen Abschnitt der Straße kaum jemand wohne, müsste auch nicht erst groß eine Anwohnerbefragung durchgeführt werden.
Neue Entwicklungen und Unsicherheiten
Heute schaltet Hupke einen Gang zurück: „Da habe ich falsch gelegen, und das Problem mit der Oase war mir nicht bewusst“, räumt der Politiker ein. Hupke hat sich bei der Stadtverwaltung rückversichert. Demnach werde nun doch eine ordentliche Anwohnerbefragung durchgeführt. Das Ergebnis gehe dann zurück in die Bezirksverwaltung. Hupke ist sich sicher: „Bis das alles durch ist, ist die ,Oase' schon umgezogen.“
„Oasen“-Vorstand Claudia Betzing hört es wohl, alleine ihr fehlt der Glaube. Erleichtert sei sie erst, wenn sie wirklich in dem neuen Domizil sitze und erst dann mit Sicherheit wisse, dass sie von der Umbenennung nicht noch eingeholt wurde.
Ihre Skepsis scheint nicht unangebracht. Denn so glasklar, wie Hupke den Prozessablauf der Umbenennung nun wiedergibt, scheint er doch nicht zu sein. Die Rundschau hat bei der Stadtverwaltung den Stand des Umbenennungsverfahrens abgefragt. Die Antwort wirft allerdings mehr Fragen auf als sie klärt: „Zum aktuellen Stand können wir zurzeit leider nur mitteilen, dass hierzu gerade verwaltungsinterne Abstimmungen laufen“, sagt eine Sprecherin. Also doch nicht Anwohnerbefragung und Rücklauf in die Bezirksvertretung?
Ungeklarte Abstimmungsfragen mit Entwicklern
Was da noch abgestimmt werden muss, bleibt offiziell offen. Aber zu hören ist, dass sich nun noch eine weitere ungehörte Stimme gemeldet haben soll. Der Projektentwickler „moderne stadt“ entwickelt das neue Stadtviertel Deutzer Hafen, also das Quartier, dem die „Oase“ an der Alfred-Schütte-Allee weichen muss. Demnach wurde einst mit der „modernen stadt“ vereinbart, dass alle Straßenbenennungen in dem zu bauenden Viertel mit dem Entwickler abgesprochen werden. Mary-Bauermeister-Allee war nicht abgesprochen.