WDR-Chefredakteurin im Interview„In Köln ist in 30 Jahren viel zu wenig passiert“

Ellen Ehni
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Köln – Beim „anderen Gespräch“ dürfen Prominente das Thema wählen. Nur die eigene Profession ist tabu. Ingo Schmitz unterhielt sich mit Ellen Ehni.
Fangen wir direkt mal mit einer kleinen Provokation an: Warum ist Köln schöner als Paris?
(Lacht) Na, das ist ja eine Einstiegsfrage! Eigentlich nur wegen dieses Blicks hier aus meinem Büro (Ellen Ehni schaut aus der 13. Etage des Archivhauses des WDR über der Nord-Süd-Fahrt auf die Dächer des Kölner Südens). Da konnte ich über viele Jahre auf das Schild gucken: „Liebe deine Stadt“. Schade, dass es abmontiert wurde. Weil, seit das weg ist ...
Zur Person
Ellen Ehni wurde 1973 in Heidelberg geborgen. Sie ist Chefredakteurin beim WDR für den Bereich Fernsehen, ihr Programmbereich ist Politik und Zeitgeschehen. In Köln, Paris und Berlin studierte sie deutsches und französisches Recht. Fünf Jahre war sie in Paris Korrespondentin für die ARD. Als Chefredakteurin ist sie weiterhin als Moderatorin tätig unter anderem in ARD Brennpunkten oder auch in ARD Extras. (EB)
Lieben Sie diese Stadt nicht mehr?
Genau. Nein, Spaß beiseite. Ich versuche jetzt mal eine diplomatische Antwort auf Ihre Frage. Ich mag an Köln die lockere Lebensart, die sehr fortschrittliche und lockere Community, die hier lebt. Ich trinke gerne Kölsch. Und ja, ich feiere auch wohldosiert Karneval. So.
Wie würde die undiplomatische Antwort klingen?
Es gibt viel zu viele Autos, es gibt viel zu wenig Radwege. Ich finde, die Stadt war in den 90er Jahren mal Vorreiter. Als ich hier studierte, dachte ich: Wahnsinn, überall Radwege. Zwar hat sich gerade in jüngster Zeit in Köln einiges getan, was das angeht, aber insgesamt ist aus meiner Sicht in den letzten 30 Jahren viel zu wenig passiert. Selbstzufrieden und selbstverliebt halt. Und ich merke, dass jetzt sogar eine Stadt wie Paris – die schönste Stadt der Welt übrigens – uns fahrradtechnisch überholt. Die ganzen Uferstraßen auf der nördlichen Seine-Seite sind autofrei. Bis 2026 will die Bürgermeisterin die wichtigsten Straßen der Stadt für Radfahrer frei machen.
Die schönste Stadt der Welt – das ist das Image, das Paris anhängt. Sie waren dort fünf Jahre lang Korrespondentin. Ist Paris die schönste?
Naja, beziehen wir „schön“ mal auf die Menschen. Ja, in Paris muss man sich schon ein bisschen Mühe geben, wenn es um Mode geht. Da sind sehr viele schöne Menschen unterwegs. Elegant. Schlank. In den Pariser Geschäftsstraßen laufen die Frauen den ganzen Tag auf hohen Schuhen durch die Stadt. Das würde ich gar nicht schaffen, da wäre ich schon längst aufs Fahrrad umgestiegen. Schauen wir auf die Gebäude. Hammer. Paris ist ein Freilichtmuseum. In Köln gibt es ja auch mal schöne Ecken. Aber wehe, du verlässt die... In Paris indes: die großen Achsen. Vom Triumphbogen in alle Himmelsrichtungen abgehende Prachtboulevards mit wundervollen Gebäuden . An jeder Ecke Kathedralen (kommt ins Schwärmen).
Das ist die Stelle für einen Geheimtipp.
Wenn’s in der Zeitung steht, ist es doch kein Geheimtipp mehr.
Doch, bei der Rundschau geht das.
Na dann: Wenn man an der Seine von Notre Dame flussaufwärts läuft – und zwar an der südlichen Seite – gibt es am Quai Saint-Bernard einen Grünstreifen mit kleinen Einbuchtungen. Dort treffen sich regelmäßig abends kleine Gruppen zum Tanzen. Einer bringt Musik mit und die anderen finden sich zusammen. Im ersten Rondell Tango, im zweiten Salsa, im dritten Hip-Hop. Das ist eine ganz, ganz tolle Stimmung: Leute, die sich an der wunderschönen Seine treffen, ein paar Stunden miteinander tanzen und wieder nach Hause gehen. Ein toller Ort. Und alles für umme.
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Okay, Paris ist das mondäne Zentrum Frankreichs, um das alles zu kreisen scheint. Gibt es aber noch etwas abseits dieses pulsierenden Herzens, was Sie sehr schätzen an Frankreich?
Oh ja. Sehr. Denn mein französischer Mann kommt aus Lyon, die gastronomische Hauptstadt Frankreichs. Und damit kommen wir zu dem, was ich so sehr liebe an Frankreich: Essen. Paul Bocuse hatte jahrelang in einem Vorort von Lyon ein Drei-Sterne-Restaurant, hat dort die Nouvelle Cuisine begründet. In Lyon gibt es eine Mischung aus Bistro und Restaurant, das heißt „bouchon“, ein einfaches Restaurant, in dem man exzellent isst. In Lyon gibt es alles an Schweinereien, Innereien, Meeresfrüchten und Käsesorten.
Das bringt mich auf ein sehr verunglücktes Wochenende in Paris, bei dem mich ein befreundeter Gourmet hartnäckig zu Schweinefüßen verleiten wollte. Vor so etwas sind Sie vermutlich auch nicht fies,oder?
Aha, die Schweinefüße, das hatte ich mir schon gedacht, dass Sie damit kommen. Tatsächlich darf man in Frankreich zu Tisch keine Angst haben. Ich habe schon Kalbskopf gegessen. Das sind die Backen vom Kalb, dann liegt da auch die Zunge mit den Noppen und das ist alles durchgekocht. Dazu gibts die sogenannte „sauce gribiche“ mit Kapern und Gewürzgurken. Ja, das ist schon gewöhnungsbedürftig. Übrigens, das Lieblingsgericht von Jacques Chirac. Kommen wir zu den Schweinefüßen. Habe ich tatsächlich auch schon gegessen. Die gibt es ganz normal gekocht, in Essig eingelegt. Das ist nicht so meins. Dann „schnurpsen“ die immer noch so beim Kauen. Ich habe aber einen ganz tollen Schweinefuß im Baskenland gegessen. Der wird dort stundenlang eingekocht, eingedampft, in eine Tarteform gefüllt, kühl gestellt. Danach wird das in Scheiben geschnitten und auf einer heißen Platte angegrillt bis es knusprig braun ist. Das sieht gar nicht mehr aus wie Schweinefuß und schmeckt köstlich. Eine der größten kulinarischen Überraschungen, die ich erlebt habe.
Was Sie mitgebracht haben zu unserem Gespräch hat auch etwas mit Genuss zu tun. Wenn ich die Aufschrift richtig deute, eine Ricard-Kanne?
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einer kleinen Stadt auf einem kleinen Platz in Frankreich. Es ist heiß. Sie sitzen unter Schatten spendenden Bäumen und denken sich, es ist Zeit für den Aperitif. Dann bekommen sie ein Glas mit einer dünnen Ricard-Schicht und in dieser Kanne das eisgekühlte Wasser, das Sie nach Belieben nachschütten. Und Sie denken: Ja, wie schön kann das Leben sein.
Boah, wie gemein, dass Sie das zum Beginn eines Arbeitstages mit einem machen.
(Lacht) Und diese Art von Krug gibt es nur noch selten. Er ist aus den 50er Jahren, von meiner Schwiegermutter. Sie hat ihn mir vermacht, weil ich ihn so schön fand. In diesen alten Ricard-Krug kam das eisgekühlte Wasser.
Wenn es eins gibt, um das ich französische Männer beneide, dann ist es ihr Akzent. Ich habe schon gesehen, wie deutsche Frauen bei französischem Akzent dahinschmelzen wie Butter im Backofen.
Das stimmt (lacht).
Und so ist es Ihnen wahrscheinlich bei Ihrem Mann gegangen.
Ja. Das gebe ich gerne zu. Ich habe aber noch eine eigene Theorie, warum das zwischen französischen Männern und deutschen Frauen funktionieren kann. Die französische Frau will sehr lange erobert, verführt und umgarnt werden. Der französische Mann hat darum alle möglichen Taktiken und Komplimente als Besteck zur Hand. Wohingegen die deutsche Frau in der Regel lange darauf warten kann, dass ihr ein Mann die Tür aufhält und Komplimente macht. Warum die deutsche Frau sich sagt, wenn es was werden soll, muss ich den ersten Schritt machen. Das heißt, wenn der französische Charmeur und die unternehmerische Deutsche aufeinander treffen, kann es schnell funken. In meinen Fall war es so, dass er sich sagte: Och, die ist aber forsch. Und ich dachte: Och, was der für tolle Sachen sagt.


