„Bewohner“ im SchauspielKölner Theaterstück beschäftigt sich mit Demenz

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Theater Bewohner

Grandioses Zusammenspiel: Magda Lena Schlott und Christoph Levermann.

Köln – Die alte Frau schmiegt sich zärtlich an den jungen Mann. Er ist ihr Pfleger und hat sie gerade gewaschen, mit einem sicherlich nicht ganz korrekten Grad an Zuwendung, der aber die an Demenz erkrankte Dame erfreut hat. Christoph Levermann verkörpert den Heimmitarbeiter. Und einmal mehr lässt eine von Hagen Tilp geschaffene Puppe vergessen, dass es zwei bis drei Menschen braucht, um sie in Bewegung zu versetzen, so sehr bewegt allein ihr Gesicht.

Nach fünf Jahren der Bachmann-Ära glaubt man eigentlich, bei Moritz Sostmann in seinen Inszenierungen, in denen Puppen und Schauspieler für- und miteinander agieren, schon alles gesehen zu haben. Im einzigen neuen Beitrag des Hausregisseurs zu dieser Spielzeit fügt dieser aber seinem Schaffen eine weitere Facette hinzu.

Ein letzter Triumph

„Bewohner“, das Sonntag in der Außenspielstätte am Offenbachplatz Premiere feierte, basiert auf dem gleichnamigen Buch von Christoph Held. In einem Vortrag hatte der Schweizer Arzt von Anosognosie bei Demenz gehört, dem Nichterkennen der eigenen Krankheit. Und Held begann anhand seinen langjährigen Erfahrungen in Alten- und Pflegeheimen die Geschichten einiger Patienten aufzuschreiben. Wobei ihm von all den Worten, die in diesen Häusern gebraucht werden, „Bewohner“ am besten gefalle, „weil viele von ihnen in ihren langjährigen Krankheiten heimisch geworden sind“.

So wie die Schauspielerin, die ihren Pfleger für den Inspizienten hält, mit dem sie einst am Theater zusammenarbeitete. „Werden sie mich wieder besetzen?“, fragt sie ihn immer wieder, während er von ihrem langsamen Verfall berichtet, der in einem letzten Bühnentriumph gipfelt: Im „Zerbrochnen Krug“ soll sie am Ende wie alle anderen langsam von der Bühne gehen. Sie hat die Anweisung vergessen, bleibt einfach stehen – und Regisseur und Kritiker sind hingerissen.

Tief war der Fall des Bankers, vom schlitzohrigen Societyfürsten zum aller Sprache beraubten Pflegefall. Er kann nur noch grunzen, das Personal ist knapp, also muss seine Gattin im Chanel-Kostüm (ebenfalls verkörpert von einer Puppe) seiner Verdauung mit den eigenen Händen auf die Sprünge helfen. Während eine solche Szene mit Schauspielern sich schnell auf den Ekel reduziert hätte, schafft das Spiel mit den Figuren Distanz und rückt die Belastung des pflegenden Partners in den Fokus.

Leichtere Kost (aber was ist bei Demenz schon leichte Kost) steuern der „Panther“ und die italienische Mamma bei: Letztere verlor durch die Krankheit ihre Muttersprache und spricht mit ihrem Sohn Schwyzerdütsch. Ersterer hat sich sein Gehirn durch Drogen und Alkohol durchlöchert, gibt aber immer noch den Altersheim-Rocker, der die Pfleger zum Bierholen schickt und seine Tochter in den Kampf mit den Ärzten: „Methadon, ja oder nein?“

Moritz Sostmann hat die Texte behutsam gekürzt, bleibt dabei aber ganz nah beim Buch. Und einmal mehr ist es ein hinreißendes Ensemble, dessen Mitglieder Sebastian Fortak, Gabriele Hänel, Christoph Levermann, Anna Menzel und Magda Lena Schlott Figuren verkörpern, um im nächsten Moment wieder einer Puppe Leben einhauchen.

Wie der der alten Dame, die glaubt, schon tot zu sein – und erst stirbt, nachdem sie noch ein letztes Mal körperliche Nähe erleben durfte.

110 Minuten (ohne Pause). Wieder am 18., 21., 22., 28. und 29.9., jeweils 20 Uhr. Karten-Tel. 0221/221 284 00.

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