„Lust der Täuschung“Ausstellung in Aachen entführt in virtuelle Welten

Das Ludwig Forum in Aachen.
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Aachen – Das Brett aus hellem Fichtenholz ist nicht besonders lang, nicht besonders breit und nicht besonders dick. So wie es da vor einem auf dem Boden liegt, wirkt es sehr unspektakulär. Das ändert sich schlagartig, sobald man die Virtual-Reality-Brille aufgesetzt hat. Im Fahrstuhl geht es nach oben. Ganz nach oben. Ein helles „Pling!“ signalisiert: Ziel erreicht. Die Türen gleiten auseinander. Das Brett ist kein Brett mehr. Sondern eine Planke. Sehr lang. Sehr schmal. Sehr dünn. Umgeben von Wolkenkratzern führt sie ins Nichts. Darunter geht es 160 Meter steil in die Tiefe. Wagt man den ersten Schritt? Oder am Ende des Weges angekommen, sogar den Sprung?

Perfekte Irritation: „Richie's Plank Experience“
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Das Ludwig Forum Aachen widmet sich der „Lust der Täuschung“. „Richie's Plank Experience“ wie das 2007 entstandene Werk von ToastVR getauft wurde, ist eins von rund 100 Beispielen dafür, wie beliebt das Spiel mit Schein und Sein in der Kunst ist. Und schon immer war. Angefangen von einem 4.500 Jahre alten Exponat aus Ägypten, das wirkt wie eine hölzerne Tür, aber in Wirklichkeit bloß ein Relief ist und aus Stein gehauen. Bis hin zu den Arbeiten und dem Knowhow, das Studenten der RWTH Aachen University und der Kunsthochschule der Medien Köln beisteuerten.
In München, wo die Schau in der Hypo-Kunsthalle lief, lockte sie in fünf Monaten 280.000 Besucher. Von den Aachener Co-Konzeptoren wurde sie anders gewichtet. Hier liegen die Schwerpunkte weniger auf dem Modeaspekt und mehr auf der Kunst der Gegenwart, insbesondere auf den Möglichkeiten, die digitale Technik bietet, um in virtuelle Welten einzutauchen. Für den Aachener Kurator Andreas Beitin passt das Thema perfekt ins „postfaktische Zeitalter, wo es für uns immer schwieriger wird, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden.“
Illusionen durch Technik und Materialien
Lange bevor Photoshop, Fake News und Social Bots ihren Siegeszug antraten, so zeigt die Schau auf ebenso verblüffende wie unterhaltsame Weise, weckten täuschend echt gemalte Trauben den Impuls, nach ihnen zu greifen. Erweiterten Künstler die Decken von Sälen und Kirchen ins grenzenlose Blau des Himmels hinein oder gaben vor, das Glas über einem Bild sei gesprungen. Wo es gar kein Glas gab. Nur den abgebildeten Riss oder die andersfarbigen Splitter.
Die mal schaurigen (siehe Planken-Experiment), mal schönen (wie die virtuelle Reise durch magische Buchstaben- und Wortlabyrinthe in Laurie Andersons und Hsin-Chien Huangs „Chalkroom“) Illusionen werden per Programm erzeugt, aber auch durch raffiniert eingesetzte Materialien.
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Auch Attrappen narren das Auge des Betrachters, indem sie vorgeben zu sein, was sie nicht sind, oder etwas verbergen, worüber man nicht spricht. Was sind noch Kopien? Was schon Fälschungen? Und was ist wirklich echt?
Informationen zur Ausstellung
Lust der Täuschung. Von antiker Kunst bis zur Virtual Reality. Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen, Jülicher Str. 97-109, Aachen. Bis Sonntag, 30. Juni. Geöffnet: Di-So 10-17 Uhr, Do 10-20 Uhr. Eintritt zehn Euro, erm. sechs Euro (jeden Do freier Eintritt, auch Gäste bis einschließlich 21 Jahren haben freien Eintritt). Geschlossen am 28.2., 3.3. und 4.3. (Karneval). Publikation zur Ausstellung: 262 S., 29 Euro. Mehr Infos: www.ludwigforum.de. (sus)