Kay Voges stellt Stücke, Ensemble und Schwerpunkte seines ersten Spielplans als neues Intendant des Schauspiel Köln vor
Neue Intendanz des Schauspiel KölnKay Voges setzt für Köln auf innovative und politische Inszenierungen

Der neue Schauspiel-Intendant Kay Voges.
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„Ich hasse Theater“, steht auf der schwarzen Baumwolltasche, auf deren anderer Seite prangt das neue Logo: SPL KLN. „Das wird Ihnen in nächster Zeit noch häufiger begegnen, und irgendwann werden Sie es auch lesen können“, verspricht Kay Voges bei der Vorstellung seines ersten Spielplans als Intendant des Schauspiel Köln.
28 neue Stücke stehen ab 26. September auf dem Programm, zwei Drittel davon sind Premieren oder gar Uraufführungen, der Rest Übernahmen etwa vom Volkstheater Wien, das Voges in den letzten fünf Jahren leitete.
Und wie das gerne passiert am Sprechtheater: Wechselt die Leitung, wird Tabula rasa gemacht: viele neue Gesichter auf und hinter der Bühne, neue Regiehandschriften, eine neue Ausrichtung, eine neue Sprache, ein neues Erscheinungsbild. Statt greller Textmarkerfarben wie zuletzt bei Rafael Sanchez ist die dominierende Farbe Schwarz. Aber wenn Voges und sein Team über ihre Pläne im Depot sprechen, gehen förmlich die Lichter an, da sind sehr viel Energie und noch mehr Enthusiasmus im Spiel.
Neuer Ort: Depot 3
Auch wenn der Enthusiasmus ausgebremst wurde, als klar war, dass Kay Voges seine erste Spielzeit nicht am Offenbachplatz starten kann. Doch aus der Not machte er eine Tugend und die weiteren Planungen für das Depot spielten ihm in die Karten: „Wir hatten für drei Spielstätten geplant und mussten feststellen: Wir haben mehr Stücke als Räumlichkeiten.“ Im Sommer kann aber nun das geplante Tanzstudio im Foyer des Depots gebaut werden und firmiert zukünftig als Depot 3.
In Sachen Rückkehr an den Offenbachplatz gibt sich Voges optimistisch: So glaubt er daran, wenn gesagt werde, „dass im vierten Quartal diesen Jahres der Bau abgeschlossen werden soll.“
„Krieg und Frieden“
Diese Intendanz wird sicherlich offensiver politisch, in 26 Thesen, die im Spielzeit-Heft abgedruckt sind, wird klare Kante gezeigt: Da geht es um die Arbeit an der Demokratie, eine antifaschistische Haltung, die Warnung vor rechts, Theater wird zur „friedenserhaltenden Maßnahme“ erklärt.
Die Spielzeit eröffnet der Hausherr mit einer eigenen Regiearbeit und einem Abend, den er zusammen mit Chefdramaturg Alexander Kerlin kreiert: „Imagine“. Ausgehend von John Lennons Lied stellen sich Voges und Kerlin die Frage: „Wollen wir nicht ein Stück machen, wo ein Dorf ein Bild der ganzen Welt ist und die Spielenden vielleicht ein Bild der westlichen Menschheit?“ Das Resultat stellt man sich vor als „Wimmelbild, wo die Zuschauer die Aufgabe haben, die Geschichten, die dort sind, immer wieder neu und neu zu lesen.“
„Imagine“ ist einer der Beiträge zum Spielzeit-Schwerpunkt „Krieg und Frieden“. Dazu gehören des Weiteren eine Bühnenfassung von Susan Sontags Essay „Das Leiden anderer betrachten“, in dem diese sich mit Kriegsberichterstattung und Kriegsfotografie beschäftigte.
Autor Emmanuel Carrère hat den kompletten Prozess gegen die Attentäter von Bataclan verfolgt, „V 13 Die Terroranschläge in Paris“ beschäftigt sich nun als Stück mit der juristischen Aufarbeitung. Das Datum der Premiere ist bewusst gewählt: Am 13. November 2025 ist der zehnte Jahrestag des Anschlags.
Ein weiteres Jubiläum gilt dem Roman „Vergeltung“, der vor bald 70 Jahren, 1956 erschien. Darin beschreibt der Autor Gert Ledig eine Stunde eines alliierten Luftangriffes auf eine namenlose deutsche Stadt. Regie führt Sebastian Baumgarten, der schon mehrfach in Köln gearbeitet hat.
Kölner Themen
Mit Rolf-Dieter Brinkmann beschäftigt sich der Abend „Die Wörter sind böse“, der das gleichnamige Hörspiel in Einklang bringt mit frühen Gedichten des Kölner Autors.
„Dat Wasser vun Kölle es jot“ kombiniert eine Krimihandlung, Karnevalslieder und Recherchen zu Wasserqualität.
Für „Requiem für eine marode Brücke“ verquickt Regisseurin Anna-Sophie Mahler Recherchen zu einem zukunftsfähigen Köln mit Johannes Brahms’ „Deutschem Requiem“, in dem es etwa heißt: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern das Zukünftige suchen wir.“ Die Inszenierung, an der Kölner Domchor und der Experimentalchor Alte Stimmen mitwirken, wird in Kolumba aufgeführt, für Kay Voges „eines der schönsten Gebäude dieser Stadt“.
Investigativ
Calle Fuhr kommt als Hausautor und Hausregisseur ans Schauspiel Köln. Seine Arbeiten basieren meist auf Kooperationen mit investigativen Medien wie „Correctiv“ oder „Dossier“. Als Köln-Premieren zeigt er „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ und als Uraufführung „Monopoly Die Revanche“, in dem er etwa der Frage nachgeht, wie Geldpolitik im 21. Jahrhundert funktioniert. Und auch „Dat Wasser vun Kölle ...“ stammt aus seiner Feder.
Bekannte Stoffe
Auch dem klassischen Geschichtenerzählen wolle man sich durchaus widmen, erzählt Alexander Kerlin. So bringt man als Übernahme aus Wien Kay Voges’ Fassung von Goethes „Faust“ sowie „Der Name“ von Literaturnobelpreisträger Jon Fosse.
Ebenfalls zum ersten Mal in Köln zu sehen sind die Bühnenfassung von Virginie Despentes’ „Liebes Arschloch“ sowie der bereits hochgelobte „Fräulein Else“-Abend mit Julia Riedler.
Neu für Köln inszeniert der israelische Regisseur Itay Tiran Tschechows „Onkel Wanja“, die Australierin Adena Jacobs widmet sich der „Orestie“. „¿Que pasa en la Mancha?“ verarbeitet die Don Quijote-Geschichte.
Auf der Bühne
Anja Laïs, Katharina Schmalenberg, Nikolaus Benda, Andreas Grötzinger und Benjamin Höppner aus dem bisherigen Ensemble bleiben in Köln. Claude de Demo, die schon in der Intendanz von Mark Günther in Köln spielte, kehrt zurück.
Ansonsten bringt Kay Voges viele mit, die mit ihm in Wien oder zuvor schon in Dortmund gearbeitet haben. Einige kennt er sogar noch aus seiner Anfangszeit zum Beispiel Anke Zillich.
„Die Grande Dame des NRW-Schauspiels“, schwärmt Voges. „Als Assistent in Oberhausen habe ich ihr vor 27 Jahren schon Kaffee gebracht, ich habe mit ihr in Bochum und Bonn gearbeitet, sie war mit in Dortmund auch in Wien. Jetzt hatte sie überlegt, ob sie es lässt mit dem Theater. Aber ich habe gesagt: Nee, so alt bist du noch nicht!“
Menschen aus der Stadt
Für die beiden Projekte, bei denen Menschen aus der Stadtgesellschaft auf der Bühne stehen, kann man sich noch bewerben: Für „Hundert“ werden Leute zwischen 20 und 60 gesucht, „That Night follows Day“ richtet sich an Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 14 Jahren.
Besonderes
Neben den Theaterabenden finden eine ganze Reihe von besonderen Veranstaltungen statt, darunter Talk-Shows mit Künstler Jonathan Meese, Regisseur Jörg Buttgereit oder Autorin Traudl Bünger sowie „Singalong-Shows“ mit Peterlicht.
Der komplette Spielplan findet sich unter splkln.de. Der Vorverkauf für Abonnenten beginnt am 1. Juli, der allgemeine am 7. Juli. Neu ist, dass man zum Teil schon Karten für die gesamte Spielzeit kaufen kann.