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Dialog über Nahost-KonfliktNatan Sznaider und Navid Kermani diskutieren bei der Phil.Cologne

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Natan Sznaider, israelischer Soziologe und Schriftsteller,  t bei der Eröffnung des Philosophie-Festivals Phil.Cologne.

Natan Sznaider, israelischer Soziologe und Schriftsteller, t bei der Eröffnung des Philosophie-Festivals Phil.Cologne.

Natan Sznaider und Navid Kermani führten 2002 eine Korrespondenz über Israel und veröffentlichten diese nach dem 7. Oktober in einem buch. Jetzt saßen sie bei der Phil.Cologne auf dem Podium.

Ob er am Morgen Hoffnung geschöpft habe, als die Meldung kam, dass die UN den Sicherheitsplan Joe Bidens für eine Waffenruhe im Gazastreifen unterstützen, wollte Moderator Wolfram Eilenberger bei der Eröffnung der Phil.Cologne von seinem Podiumsgast in der Flora, Natan Sznaider wissen. Der Soziologe, 1954 in Mannheim geboren, ging als Zwanzigjähriger nach Israel, wurde israelischer Staatsbürger und lehrte später an der Akademischen Hochschule in Tel Aviv. Seine Antwort beschränkte sich auf ein „vielleicht“.

Korrespondenz über Israel

Am Ende fragte Eilenberger , wie die Gesellschaft in Israel zur Zweistaaten-Lösung stehe. „Von hundert Abgeordneten sind vielleicht zwanzig dafür“, sagte Sznaider. Sie sei nicht die Lösung aller Probleme. Aber es sei jetzt eine Option. Alles andere wäre der Abgrund.

Sznaider stand 2002 in einem Briefwechsel mit dem Kölner Schriftsteller und Orientalisten Navid Kermani, der damals die Situation in Israel für das Feuilleton der Frankfurter Rundschau verfolgte. Prophetisch wirken der damalige Austausch, den beide in Folge des bestialischen Überfalls der Hamas am 7. Oktober auf Israel, fortsetzten. Im schmalen Bändchen „Israel. Eine Korrespondenz“ veröffentlichten Sie ihre Mails, die seither durch manche Kontroverse erweitert wurden, wie Kermani ausholte.

„Natan ist unmittelbar betroffen, ich bin es nicht. Ich bin auch kein Palästinenser. Keiner meiner palästinensischen Freunde hat Sympathie für Hamas“, erklärte Kermani und machte deutlich, wie komplex der Konflikt sei. Aber auch nicht aussichtslos. Der Preisträger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels wurde nicht müde, an die jüdischen und arabischen Gemeinsamkeiten in ihren kulturellen Wurzeln zu erinnern. Noch vor 70 Jahren hätten viele Juden in Bagdad gelebt, das sei noch vielen in Erinnerung. Jüdisch-arabische Dichter und Philosophen hätten vieles geprägt, was heute in den Debatten und auch durch eine akademische Segmentierung unter den Tisch gekehrt werde.

Kleines Zeitfenster

„Ich will ja nicht der Miesmacher sein, aber die gemeinsame Geschichte spielt derzeit keine so große Rolle“, sagte Sznaider. Die politische Lage sei hoch kompliziert. „Ich will weg vom messianischen Konzept des Friedens in Nahost. Das wird es nicht geben.“ Wenn überhaupt, dann werde es Frieden als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln geben, sagte Sznaider. Die Bedeutung von politischen Bündnissen und Allianzen sei entscheidend, allein auf sich gestellt, könne Israel im Nahen Osten nicht überleben.

Er erinnerte an den 13. April, als Raketen von Iran aus auf Israel abgeschickt wurden und Mithilfe des US-Militärs Drohnen und Raketen abfangen werden konnten. Kermani erinnerte sich an seinen Groll gegen die USA, als sie sich aus Afghanistan zurückzogen. Mittlerweile setze er große Hoffnung in US-Außenminister Anthony Blinken, die Akteure im Nahen Osten zusammen zubringen. Weil es keine europäischen Außenpolitik gebe, müsse man auf Amerika setzten. Das Zeitfenster aber sei nur noch klein.

Im November könnte alles mit einer möglicherweise anderen Regierung anders aussehen. Aber: Israel sei noch nie so isoliert wie derzeit, sagte Kermani. In Deutschland gebe es vergleichsweise wenig Horrorgeschichten über die Zustände in Gaza, anders als es die Sender BBC oder CNN berichteten. „Ich kann verstehen, das Berichterstattung in Deutschland manches vermeidet“, sagte Kermani. Aber während die Staatsräson hochgehalten werde, trete Deutschland gegenüber den Mullahs erstaunlich leise auf.