Die goldenen KinojahreBundeskunsthalle zeigt Ausstellung „Kino der Moderne“

Lesezeit 4 Minuten
"Kino der Moderne - Film in der Weimarer Republik"

Historische Filmplakate in der Ausstellung „Kino der Moderne - Film in der Weimarer Republik“ in der Bonner Bundeskunsthalle. 

Bonn – „Im Kino gewesen. Geweint.“ Am 20. November 1913 schreibt Franz Kafka dieses berühmte Zitat in sein Tagebuch. Das Kino als Ort großer Gedanken, tiefster Emotionen sowie fesselnder Erlebnisse.

Vielleicht ist es das wirklich Besondere der Ausstellung „Kino der Moderne. Film in der Weimarer Republik“, die die Deutsche Kinemathek Berlin zusammen mit der Bundeskunsthalle in Bonn zeigt, dass es bei aller wissenschaftlicher Akribie und Faktenfülle gelang, gerade diese Emotionalität zu bewahren und den Zauber, den die Bilder der goldenen Kinojahre 1918 bis 1933 noch heute verbreiten, zu erhalten.

Natürlich gilt es, kapitelweise dieses kurzlebige cineastische Phänomen, das die deutsche Ufa auf Augenhöhe mit Hollywood brachte und den Film als neues Leitmedium installierte, auf- und abzuarbeiten. Doch es sind zunächst die Bilder, die begeistern, die Dramen, die schicksalsträchtigen Begegnungen, die Momente, in denen sich das Kino vom entrückten Sehnsuchtsort zum Spiegel einer quirligen, überhitzten Gesellschaft wandelt, die gar nicht so weit weg von unserer Gegenwart zu sein scheint.

Der Mensch im Mittelpunkt des Films

Der letzte Schrei der 1920er Jahre war der Photomaton, der Fotoautomat für Jedermann. Außen klebten quasi als Anregung Porträts von Filmstars, innen posierten dann der Arbeiter und die Telefonistin, der Beamte und die Hausfrau nicht selten im Stil ihrer Filmhelden. Kuratorin Kristina Jaspers stellt Photomaton-Bilder der Berliner Sammlung Günter Karl Bosses auf eine Stufe mit Großaufnahmen von Stummfilmstars, lässt August Sanders fotografische Typisierung der Serie „Menschen des 20. Jahrhunderts“ auf Filmfiguren wie Asta Nielsens Bildhauerin Vera Holgk in „Unmögliche Liebe“ treffen.

Das Kino der Weimarer Republik rückt den Menschen in den Mittelpunkt, fährt ganz nah ran, geht ebenso direkt auf dessen Lebenswelt zu. Augen, Mund in Großaufnahme, Häuserfluchten quasi im Sturzflug gesehen, die Welt der Arbeit als lärmende Maschine in zerhackten Bilderfolgen.

Themenstationen, Kino-Werkstatt und Videos

Der expressiven oder auch betont sachlichen Ästhetik des Kinos wird großer Raum gegeben: In Videostationen, die jedes Kapitel der Schau einleiten, in insgesamt drei Kinos, die sich in der Ausstellung bestimmten Themenfeldern widmen, und schließlich an den Wänden der großzügigen Plaza mitten in der Haupthalle der Bundeskunsthalle, wo ein trubeliger Platz im Berlin der 1920er Jahre simuliert wird. Da wir in einer Kino-Schau sind, wundert es keinen, dass hier alles Kulissenwerk zwischen Gerüststangen ist. 

Ein paar Schritte weiter in der Südgalerie befindet sich die Werkstatt Kino – alles Wissenswerte vom Drehbuch bis zur Regie, von der Kamera- bis zur Schnitttechnik, vom Kostüm bis zur Arbeit am Set mit einem Kamerawagen auf Schienen ist hier mit großer Liebe zum Detail versammelt.

Während auf der Plaza in drei synchronen Filmen der Tag im Leben unterschiedlicher Gesellschaftsschichten in der Weimarer Zeit rekapituliert wird und sich die Tür zum größten Kinosaal der Schau öffnet, schärfen andernorts Themenstationen den Blick auf dieses außergewöhnliche Filmuniversum.

Kein Lebensbereich bleibt unbelichtet

Da sind die Arbeitswelt und die soziale Frage, die in Filmen wie „Schaufelbagger 1010“ und „Kuhle Wampe“ in den Mittelpunkt rücken. Mobilität („Achtung! Liebe! Lebensgefahr!“) und Urbanität („Metropolis“) sind ebenso Themen wie Sport („Liebe im Ring“), Körperkult („Wege zu Kraft und Schönheit“), Geschlechterrollen („Der Blaue Engel“) und Genderproblematik („Ich möchte kein Mann sein“).

Das Kino lässt keinen Lebensbereich unbelichtet: Wunderbare Interieurs und neue Design- und Wohnkonzepte finden sich neben deutlichen Spuren der Avantgardekunst in vielen Filmen; ebenso gibt es Reflexe auf das Innenleben der Menschen, auf die Segnungen und Abgründe der Psychoanalyse, auf Sehnsüchte und mehr oder weniger verborgene Laster; der Starkult spielt eine gewichtige Rolle, das Exotische steht hoch im Kurs. Unbedingt sehenswert.

Die Ausstellung

1928 hatte sich die Zahl der Kinos gegenüber 1919 fast verdoppelt: Es gab über 5000 Lichtspielhäuser, die jährlich von 353 Millionen Menschen besucht wurden. Heute gibt es 1650 Kinos, die Besucherzahl lag 2016 bei 121 Millionen.

Vom Boom des Kinos in der Weimarer Republik erzählt die aktuelle Ausstellung der Bundeskunsthalle noch bis zum 24. März 2019. (Di, Mi 10-21, Do-So 10-19, Fr 10-19 Uhr)

Rundschau abonnieren