Mit „Künstlerinnen! Von Monjé bis Münter“ gibt der Kunstpalast in Düsseldorf Einblick in 100 Jahre weiblichen Kunstschaffens.
Vergessene PionierinnenDüsseldorfer Kunstpalast widmet Künstlerinnen eine eigene Schau

Werke von Künstlerinnen und Werke, die Künstlerinnen zeigen, sind in der Ausstellung „Künstlerinnen! Von Monje bis Münter“ im Museum Kunstpalast zu sehen.
Copyright: Rolf Vennenbernd/dpa
Die kurzen Augenblicke des Sonnenuntergangs wollten schnell genutzt sein. Die dazugehörige Winterlandschaft in Finnland malte Fanny Churberg in ausdrucksstarken Kontrasten. Das Ergebnis erinnert fast an die Malweise der Expressionisten. Doch Churberg, die erst 1919 — fast drei Jahrzehnte nach ihrem Tod als Künstlerin wiederentdeckt wurde, erhielt in ihrer Heimatstadt Helsinki nicht die Anerkennung, die sie gebraucht hätte. Ab 1880 widmete sie sich dem Töpfern und Weben.
Erst Privatunterricht
In einer Zeit, in der Gabriele Münter, die später zu den namhaftesten Expressionistinnen zählen sollte, gerade einmal drei Jahre alt war. Beiden gemein ist, dass sie Station in Düsseldorf machten. Churberg kam 1867 in die Stadt am Rhein, um dort Kunst zu studieren. Da die Akademie noch keine Frauen aufnahm, nahm sie Privatunterricht. Aber bereits um 1900 hatte der Ruf Düsseldorfs als Ausbildungsort auch schon nachgelassen. Gabriele Münter, die 1897/98 dort studierte, fand ihren Unterricht „enttäuschend öde“.

Das Werk „Die Malschule“ (1912) der Künstlerin Gertrud von Kunowski ist neben der Skulptur „Jephtas Tochter“ (1919/22) der Künstlerin Milly Steger in der Ausstellung „Künstlerinnen! Von Monje bis Münter“ im Museum Kunstpalast zu sehen.
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Sie erinnerte sich gegen Ende ihres Lebens: „Die Lehrmethode war aber wenig anregend und die Auffassung noch ganz vom Geschmack der Nachromantik beherrscht. Außerdem wurde die künstlerische Leidenschaft eines Mädchens dort von keinem Menschen ernst genommen.“
Unter dem Titel „Künstlerinnen! Von Monjé bis Münter“ gibt das Museum Kunstpalast nun Einblick in rund 100 Jahre weiblichen Kunstschaffens. Ausgangspunkt war ein Forschungsprojekt, das der Kunstpalast vor vier Jahren initiierte, um erstmals umfassend nach den Spuren der zwischen 1819 und 1919 in Düsseldorf tätigen Künstlerinnen zu suchen; den 100 Jahren von der Wiedergründung der Kunstakademie bis zu deren schrittweiser Öffnung für Frauen. „Die Ergebnisse überraschten selbst Fachleute“, heißt es im Begleittext.

Die Ausstellung (25.09.2025 bis 01.02.2026) im Kunstpalast stellt 31 Künstlerinnen vor, die in Düsseldorf im 19. und frühen 20. Jahrhundert tätig waren, als Frauen zum Studium an der renommierten Kunstakademie aber nicht zugelassen waren.
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„Mehr als 500 Namen konnten durch Recherchen in Archiven, Adressbüchern, Ausstellungskatalogen und historischen Zeitungen ermittelt werden – weit mehr als die bisher bekannten rund 200. Viele dieser Frauen nahmen Privatunterricht, studierten an der Kunstgewerbeschule oder arbeiteten selbstständig.“
Auf das Korsett verzichtet
Frauen konnten an einzelnen Kunstgewerbeschulen bereits in den 1860er und 1870er Jahren studieren. Die dort gelehrte „angewandte“ Kunst wurde ihnen offenbar eher zugetraut als die freie Kunst. In adeligen Familien war Kunstunterricht indes Teil des üblichen Bildungsweges. Bei Wilhelmine Luise von Preußen, die ihrem Mann aus Berlin an den Rhein gefolgt war, führte es zu dauerhafter künstlerischer Tätigkeit. 1843 erwarb sie Schloss Eller im Düsseldorfer Süden, auf das sie sich zurückzog, um sich fernab vom Repräsentationsbetrieb Düsseldorfs ihrer geliebten Malerei zu widmen. Bilder vom Schloss in Eller sind ebenfalls in der Schau zu sehen.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts zog Düsseldorf internationale Künstlerinnen an, besonders aus Nordeuropa. Die Norwegerin Mathilde Dietrichson zum Beispiel nahm als 20-Jährige Privatunterricht bei Otto Mengelberg – Historien- und Porträtmaler der Düsseldorfer Schule. Ihr Selbstbildnis in der Ausstellung prägt Tradition, aber auch entschiedener Aufbruch: Als 28-Jährige zeigte sich Dietrichson mit kurzem und offenen Haar, was damals für verheiratete Frauen ungewöhnlich war.
Sie verzichtete zudem auf das seinerzeit übliche Korsett und rauchte. Nach der Geburt ihrer Tochter setzte Dietrichson ihre Arbeit fort. 1866 begann sei erneut ein Studium und schrieb sich an der Kunstakademie Stockholm ein, die seit 1864 Frauen aufnahm. Die deutsch-dänische Malerin Elisabeth Jerichau-Baumann kam 1838 mit 19 Jahren nach Düsseldorf, nachdem sie zuvor in Berlin mangels Talent als Schülerin abgelehnt worden war. Als erste Privatschülerin bei Karl Ferdinand Sohn und Hermann Stilke in Düsseldorf ließ sie sich zur Bildnis- und Historienmalerin ausbilden.
Räumliche Tiefe
Mit dem Wirtschaftsboom der 1870er Jahre florierte auch der Kunstmarkt, die Zahl der Künstlerinnen und Künstler nahm zu und damit auch die Konkurrenz. Es wurde wichtig aufzufallen . Die Künstlerinnen vernetzten sich. 1911 entstand in Düsseldorf ein Künstlerinnenverein, zu den Gründerinnen gehörte Paula Monjé, die sich aktiv für den Zugang für Frauen zur Kunstakademie einsetzte. Die Frauenkunstschule wurde beschlossen, was Monjé in geradezu malerischen Worten festhielt: „Mir ist zu Mute, als hätte ich einen hohen Berg bestiegen und als warte ich auf den Sonnenaufgang.“
Paula Monjé stellte in ihrem größten bekannten Gemälde „Deutsches Volksfest im 16. Jahrhundert“ starke räumliche Tiefe her, arbeitete unzählige Figuren in aufwendigen Kostümen aus und lenkte den Blick auf eine Begegnung im Vordergrund: Eine Magd ist im Gespräch mit einem Musiker, der sein Spiel für sie unterbrochen hat. Monjé schenkte ihr Gemälde 1888 der Berliner Nationalgalerie mit der Auflage, dieses auszustellen. Als dies nicht mehr geschah, beschwerte sie sich mehrfach beim Direktor.
Als „entartet“ diffamiert
Gabriele Münter, die von der Ausbildung in Düsseldorf so enttäuscht war, kam aber trotzdem regelmäßig ins Rheinland. Dank ihrem in Bonn lebenden Bruder. Hier lernte sie den Kunsthistoriker Walter Cohen kennen, der ab 1913 im Düsseldorfer Kunstmuseum — dem heutigen Kunstpalast — arbeitete. Als Förderer der künstlerischen Avantgarde und privater Sammler war er mit allen führenden Vertretern des Expressionismus bekannt und trug eine private Sammlung zeitgenössischer Kunst zusammen. Die Nationalsozialisten diffamierten diese in den 1930er Jahren als „entartet“. Cohen wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft verfolgt und starb 1942 im KZ Dachau.
Seine Ehefrau Margarete Umbach versteckte die Sammlung während des Krieges im Elsass; trotzdem wurde diese fast vollständig zerstört. Ein Porträt, das Münter von ihr malte, hängt ebenfalls in der Schau, die auch ein selbstkritischen Blick auf die eigene Sammlungsgeschichte wirft. Denn der Kunstpalast – 1913 als Städtische Kunstsammlungen zu Düsseldorf gegründet – war Teil des strukturellen Ausschlusses: Vor 1933 wurden lediglich vier Gemälde von Künstlerinnen angekauft. Erst in den letzten Jahrzehnten begann ein Wandel.
Bis 1. Februar, Di bis So 11 – 18 Uhr. Ehrenhof 4-5.
