Der Bestsellerautor David Foenkinos stellt in Köln seinen neuen Roman „Das glückliche Jahr“ vor.
Erfolgsautor David FoenkinosWird sein neuer Roman wieder ein Bestseller?

David Foenkinos
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„Die Sehnsucht nach einem glücklichen Leben umfasst alle Generationen“, da ist sich David Foenkinos ganz sicher. Wie er überhaupt bei seinem Besuch im Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch mit all dem Charme, den man den Franzosen gemeinhin zuschreibt, die jungen Bloggerinnen zu entzücken wusste. Flugs ist der selbsternannte Glücksexperte mit der Eisenbahn von Paris nach Köln gereist und hat einen ganzen Nachmittag mit den literaturinteressierten Influencerinnen am Dom verbracht.
Offenbar verbindet der Verlag mit Foenkinos’ neuem Roman „Das glückliche Jahr“ die stille Hoffnung, einen Bestseller an Land gezogen zu haben. Der 51-jährige Franzose ist ein Kandidat für üppige Auflagen. Übersetzt wurden seine Bücher in 40 Sprachen und mit 19 Büchern in 23 Jahren etwa „Das geheime Leben des Monsieur Pick“ aus dem Jahr 2016 hat er seinen Teil zum Erfolg beigetragen.
Alte Schulfreundin gefunden
Eigentlich ist „Das glückliche Jahr“ für die beiden Protagonisten seines Romans gar keines. Denn vor dem Glück erstreckt sich die Sehnsucht nach ihm, und die kann sich ziehen. So hat sich Èric in der Freudlosigkeit seines Daseins eingerichtet. Zwar ist er auf der Karriereleiter als Angestellter des Sportartikelherstellers Decathlon Sprosse um Sprosse aufgestiegen, aber sein beruflicher Ehrgeiz hat die Beziehung zu Frau und Sohn ruiniert.
Über Facebook, jene Onlineplattform, „auf der sich die Depressiven aufhalten“ so Originalton David Foenkinos – kommt ein Kontakt mit Amélie zustande, einer ehemaligen Schulfreundin. Sie gehörte in der Schule zu jenen Mädchen, die dicke Tränen vergossen, wenn sie statt einer Eins einmal eine Zwei schrieben.
Eigene Nahtoderfahrung verarbeitet
Jetzt hat Amélie einen Job im Ministerium für Außenhandel inne und ist mit „Emmanuel“, dem Präsidenten der Republik, per Du. Èric findet eine berufliche Veränderung an der Zeit und bildet mit Amélie bald schon ein erfolgreiches Team. Wie Foenkinos die Intrigen im Ministerium beschreibt, das hat schon Klasse.
Bei einer Dienstreise nach Südkorea, auf der die beiden einen Investor gewinnen sollen, bricht Érics Welt buchstäblich zusammen. Am Morgen vor der entscheidenden Präsentation unternimmt er einen Spaziergang und gerät in ein Geschäft, in dem Menschen ihre eigene Beerdigung simulieren können. „Steigt man in einen Sarg, steigt man glücklich wieder heraus“, erklärt David Foenkinos. Er selbst hat mit 16 Jahren bei einer Herz-OP eine Nahtoderfahrung gehabt, die ihn danach anders auf sein Leben schauen ließ.
Gut geölte Story
So ergeht es auch Éric, der seinen Job kündigt und in Frankreich eine Firma gründet, die das koreanische Prozedere sehr lukrativ kopiert. Amélie, die zunächst ziemlich sauer ist, nachdem Éric ihr mit seinem Blackout in Seoul eine Pleite beschert hat, begegnet jedoch ihrem Schulfreund eines Tages wieder.
David Foenkinos hat einen Roman geschrieben, dessen Story wie geölt funktioniert. Der Franzose besitzt einen Blick für die innere Mechanik des Beziehungslebens. Gerne greift er beim Erzählen Tatsachen vorweg, die sich erst später ereignen. Das gibt seiner Prosa einen leisen dräuenden Ton der Schicksalhaftigkeit, der auch die Spannung anheizt. Wer sich gerne von einer Story forttragen lässt, die Familie, Dating und Berufswelt als Kulissen unserer Gegenwart auf den Punkt bringt, ist hier genau richtig.
Problematische Routine
Die Routine, mit der Foenkinos seine Geschichten entwirft, ist inzwischen allerdings auch zu seinem Problem geworden. Denn seit ihm mit „Charlotte“ 2014 ein literarisches Meisterwerk mit der Lebensbeschreibung der deutsch-jüdischen Künstlerin Charlotte Salomon gelangt, die in Auschwitz ermordet wurde, muss sich jeder seiner Romane an der makellosen Prosa dieses Buches messen lassen.
„Ein glückliches Jahr“ wirkt dagegen leichtgewichtig, zumal Foenkinos Behauptung, „dass die Konfrontation mit dem Tod Lebenslust erregt“, nur halb aufgeht. Lust und Sinnlichkeit werden in den geschilderten Beziehungsnetzwerken eher referiert als erlebt. Und die Liebe gerät zum Nebenprodukt der sich auflösenden und sich wieder knüpfenden Paarkonstellationen.
Gleichwohl fliegt man durch die Seiten, weil uns David Foenkinos sehr clever mit der Sehnsucht ködert, einmal im Leben alles neu und anders zu machen. Er selbst hat diesen entscheidenden Moment erlebt, so dass er heute sagen kann: „Ich habe keine Angst vor dem Tod“.
David Foenkinos: Das glückliche Jahr. Roman, aus dem Französischen von Christian Kolb. Kiepenheuer & Witsch. 222 S., 23 Euro. Lesung in Köln: 29. Oktober, 19.30 Uhr im Institut français (Sachsenring 77).