Festival „phil.cologne“Philosoph Sloterdijk sorgt für die Pointen in Köln

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PeterSloterdijk-FlorianSchroeder

Im Dialog: Kabarettist Florian Schroeder (links) mit dem Philosophen Peter Sloterdijk

Köln.  – Mit dem Titel „Kabarett trifft Meisterdenker“ schienen die Rollen in den Balloni Hallen schon verteilt. Für die Pointen sorgte am sechsten Tag der phil.Cologne aber zumeist Peter Sloterdijk. Schon auf Florian Schroeders Frage, ob sich der Philosoph denn überhaupt mit jemandem unterhalte, der noch nicht das 50. Lebensjahr erreicht habe, antwortete Sloterdijk mit einem bildhaften Vergleich. Er betrachtet den 41-Jährigen Schroeder als eine unter der Höhensonne früh gereifte Avocado. Und wie sieht er sich selbst: „Als eine Zitrone.“ Auf Schroeders Annahme, „weil die sauer ist?“, belehrt er ihn: „Nein, weil die so einen hohen Vitamin-C-Gehalt hat.“

Gut gelaunter Schlagabtausch

Gut, dass der Kabarettist Florian Schroeder an diesem Abend nicht auf die schnelle Pointe aus war. Vielmehr versuchte er alles an Erkenntnis aus dem fast 75-jährigen Gelehrten heraus zu kitzeln, was möglich war. Und der spielte das Spiel gut gelaunt mit. Berufsbedingt setzt Schroeder die Krise der Ironie zu, wenn er bedauert, dass „Mehrdeutigkeit immer schwieriger wird“. Sloterdijk bescheinigt ihm eine „Renaissance der Eindeutigkeit“, die das Zitieren zu einem lebensgefährlichen Geschäft gemacht habe, „man kann sagen, was man will, es wird einem auf jeden Fall negativ ausgelegt“. Einen Grund sieht Sloterdijk im Anwachsen des Beleidigtseins. „Das Gefühl wird inzwischen über alles gestellt, das ist die Kapitulation vor der Aufklärung“. Die egozentrische Empfindlichkeit für sich selbst steht im Gegensatz zur Empfindsamkeit, die Empathie enthält.

Verführungen der Konsumgesellschaft

Im Hintergrund sieht Sloterdijk die Verführungen der Konsumgesellschaft am Werk. Früher konnten sich die Menschen stabilisieren durch den Abwärtsvergleich. Es gab jemanden, dem es schlechter ging, „das unterbrach den Klagestrom“. Die Werbung favorisiert jedoch den Aufwärtsvergleich, der alle zu Verlierern macht, ihnen aber versichert, dass ihnen Reichtum und Glück zu stünden. „You deserve it“ wie es in Amerika heißt. Eine Haltung, die das gesellschaftliche Klima vergiftet und gefährliche Ausmaße im Selbstverständnis des Opfernarrativ erfährt. „Nur dem Opfer ist alles erlaubt. Das Opfer hat immer Recht“, meint Peter Sloterdijk, deshalb reklamiert Wladimir Putin ebenso den Opferstatus für sich wie die Rechtspopulisten und die Corona-Leugner.

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Letzteren bescheinigt Sloterdijk, dass sie sich Lebenskunstwerke zimmern, die glückbringend wirken, „weil sie den Menschen erklären, warum sie zu den Verlierern gehören. Ein Legendenkern, an dem man sich wärmen kann.“

Wärmendes Legendendenken

Sloterdijk erinnert daran, dass diese Haltung davon abhält, Verantwortung zu übernehmen, denn dann müsste man handeln. Warum also diesen Status verlassen, „wer eine gute Illusion hat, möchte sich von ihr nicht trennen“, gibt er zu bedenken und fügt hinzu: „Das Selbstbild ist illusionär und unentbehrlich. Denn die Illusion bildet das orthopädische Gerüst der Persönlichkeit.“ Wenn der Begriff Unterhaltung noch Sinn enthält, dann bot dieser Abend dem begeistert applaudierenden Publikum erkenntnisreiche Unterhaltung.

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