„Keine Angst vor Bedrohungen“Sherry Hormann über ihren Film „Nur eine Frau“

Filmpremiere in Berlin: Sherry Hormann (von links), Almila Bagriacik, Aram Arami, Rauand Taleb und Sandra Maischberger im Kino International.
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- Regisseurin Sherry Hormann hat den kontrovers diskutierten Film „Nur eine Frau“ gedreht.
- Sie behandelt damit die Geschichte eines Ehrenmordes in Berlin.
- Bei den Dreharbeiten musste Sicherheitspersonal dabei sein.
Köln – Sherry Hormann (59, „Wüstenblume“) erzählt in ihrem am Donnerstag anlaufenden Film „Nur eine Frau“ die wahre Geschichte eines „Ehrenmordes“ in Berlin. Mit der Regisseurin sprach Dieter Oßwald.
Ihr Film erzählt das Drama einer mutigen junge Türkin, die von ihrer Familie ermordet wurde. Wie viel Mut braucht man da als Regisseurin?
Ich habe keine Angst vor irgendwelchen Bedrohungen! Demokratie besteht darin, dass wir uns mit Stoffen auseinandersetzen, die uns bewegen. Und dass wir Menschen eine Stimme geben, die vielleicht im Hype der anderen Nachrichten nicht mehr gehört werden. Ich sehe es als eine Verpflichtung, darüber Geschichten zu erzählen.
Wie sehen das ihre Schauspieler, die türkische Wurzeln haben?
Bei allen Schauspielern steckt ein leidenschaftliches Engagement hinter diesem Film, Angst existiert da erst einmal nicht. Wenn wir den Mund nicht mehr aufmachen, gewinnen sowieso nur noch die Populisten. Unser Ansatz war, keine Vorverurteilung der Figuren vorzunehmen, sondern zu erzählen, was das eigentlich für Kids sind, die selber unerfüllte Träume haben und dann in den gesellschaftlichen Druck von diesem Ehrbegriff geraten.
Wie war die Atmosphäre bei den Dreharbeiten?
Wir haben unter dem Radar gedreht, auch um uns zu schützen. Zudem hatten wir Security-Leute dabei. Wir drehten im Wohnblock von Aynur an der Bacharacher Straße, am Kottbusser Tor, an der Haltestelle, wo ihr das Leben genommen wurde. Generell war es nicht so, dass man uns die Türen aufgehalten hat. Es war eher eine Vorsicht, eine Neugier, die uns entgegengebracht wurde, gerade auch in der türkischen Community. Wohl auch deshalb, weil viele Teammitglieder mit anderem Hintergrund an den Dreharbeiten beteiligt waren. Aber das Vertrauen wuchs im Laufe der Zeit, am Schluss hat mir ein Security-Mann mit türkischem Hintergrund sogar ein Geschenk überreicht.
Wie würden Sie Aynur als Person beschreiben?
Da fallen mir sofort ihre Unbeirrbarkeit, ihr Mut und ihre immer wieder vorgeholte Lebensfreude ein. Wir wollten diesen unbändigen Willen in ihrem Kampf um Freisein und Selbstbestimmung und diese unglaubliche Kraft zeigen, die in einer Frau wie Aynur stecken, und die der Schlüssel für Veränderungen im Kleinen wie im Großen sein können.
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Wie wahrhaftig ist die Darstellung der Personen?
Es gibt zur Genüge Dokumentation über die Täter, das hat mich nicht interessiert. Mir ging es darum, dem Opfer Gehör zu verschaffen. Der Drehbuchautor Florian Oeller hat alle Gerichtsakten gelesen, mit Zeugen und Anwälten gesprochen. Das Problem war, wie schaffen wir es, Aynur eine Stimme zu geben. Die Lösung lag darin, dass die tote Aynur als Erzählerin direkt zum Publikum spricht, die Zuschauer gleichsam zum Komplizen macht.
Wie kam es zur Idee, immer wieder Fotografien im Film einzusetzen?
Meine Experimentierfreude bei diesem Projekt wurde auch angeheizt von unserer Kamerafrau Judith Kaufmann und Editorin Bettina Böhler. Zu meiner Überraschung ließ uns Sandra Maischberger als Produzentin alle künstlerische Freiheit. Ikonografische Bilder fand ich immer spannend und es bietet sich bei dieser Geschichte an: Wenn Aynur mit ihrem deutschen Freund aus dem Club kommt, weiß man doch, wie die Jungs pöbeln. Das muss ich nicht verfilmen, da ist eine Fotografie viel wirkungsvoller.
Sandra Maischberger hat reichlich TV-Erfahrung, beim Kino gibt sie hier ihr Debüt. Wie sah die Zusammenarbeit aus?
Sandra sagte immer, „ich bin der Azubi“ (lacht). Von ihr kam der Vorschlag zu dem Film. Nach einer Bedenkpause haben wir uns getroffen und begannen mit dem Projekt. Mir war dabei wichtig, dass Florian das Drehbuch schrieb. Sandra bestellte das Feld, ich kümmerte mich um das Team, und dann marschierten gemeinsam wir los. Sandra war voller Spielfreude, vielleicht auch im Wissen, keine Erfahrung mit Kino zu haben. Sie war voller Respekt für das Team, und wir begegneten uns von Anfang bis Ende auf Augenhöhe. Was ich selten über Produzenten sage: Sie riskiert wirklich viel!
Wie steht es um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen? Oder gilt hier künstlerische Freiheit?
Das ist juristisch alles fünfzehn Mal abgeklopft. Das war wirklich eine sehr intensive Angelegenheit.
Wie kam es zu dem Titel, den man deprimierend oder wütend verstehen kann?
Wütend! Wir haben sehr lange über den Titel nachgedacht. Im englischen heißt der Film auf Wunsch des Verleihs „A regular woman“ – aber mir gefällt diese wütende Variante bei uns viel besser.