Köln – Wenn man erst mit 70 Jahren, nach 60 Jahren auf der Bühne seine erste große Solotournee macht und dann die halbierte Lanxess-Arena nicht sonderlich gut gefüllt ist, sagt das etwas über eine Sängerin wie Mary Roos aus? Oder über diejenigen hinter den Kulissen, die diesen Fehlgriff für eine verdiente (und so unglaublich sympathische) Künstlerin zu verantworten haben?
Vor allem treue Fans bei Auftritt
Es ist davon auszugehen, dass die bereits vor einem Jahr angekündigte Tournee so ausufernd geplant wurde, weil man sich von der Teilnahme bei der Vox-Sendung „Sing meinen Song“ einen gewaltigen Schub erhofft hatte. Doch der stellte sich weder bei den anschließenden Plattenverkäufen von Mary Roos’ CD „Abenteuer Unvernunft“ noch bei den Ticketverkäufen ein.
Und so sind unter den 1500 Besuchern mehrheitlich mittelalte bis ältere Ehepaare, viele davon aus zwei Männern bestehend – in anderen Worten: wahre, treue Fans der ersten Stunde, sicher nicht die schlechtesten.
Es fehlt das Vertrauen ins eigene Repertoire
Doch Frau Roos weiß ein Lied darüber zu singen, was man in einem solchen Fall tut: „Aufrecht geh’n durch die Nacht ins Licht“ – und das natürlich „mit Stolz in meinen Augen“. Denn musikalische muss sie sich nichts vorwerfen lassen: Zusammen mit ihrer siebenköpfigen Band und den zwei Backgroundsängerinnen liefert sie grundsolide Arbeit ab, wie eigentlich immer in ihrer Karriere. Aber leider auch nicht mehr. Denn dramaturgisch – und auch tontechnisch! – lässt die Show einiges zu wünschen übrig.
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Zusammengefasst könnte man sagen: Es fehlt das Vertrauen ins eigene Repertoire. Da werden die bekannten Lieder wie „Nur die Liebe lässt uns leben“, das besagte „Aufrecht geh’n“ oder „Arizona Man“ im Medley-Schnelldurchgang fast abgearbeitet – ärgerlich vor allem bei letzterem, von dessen langsamem Zwischenteil Frau Roos selber immer wieder in Interviews schwärmt, ihn aber im Konzert weglässt.
Gesangliches Talent, aber zu wenig Schwung
Stattdessen wird den Coverversionen aus „Sing meinen Song“ breitester Raum geboten. Doch während es im Rahmen der Sendung vielleicht amüsant war, die damals 69-Jährige „das geht raus an alle Spinner“ singen zu hören, wirken die Lieder von Wir sind Helden oder eben Revolverheld hier wie karaokehafte Fremdkörper. Was sicherlich auch an einer mangelnden Einbettung liegt. Im Rundschau-Gespräch hatte Mary Roos noch erzählt, dass sie es überflüssig finden würde, sich Moderationstexte schreiben zu lassen. Hier und da hätte dem Konzert allerdings etwas mehr Stringenz aus dieser Richtung auf die Sprünge geholfen.
Genauso wie eine Portion mehr musikalischer Schwung. Die Eröffnungsnummer „Ich wär bei mir geblieben“ gibt eher einen gemächlichen Takt vor. „Am Anfang der besten Geschichten“, das erste Lied der zweiten Hälfte, wäre da die weitaus bessere Wahl gewesen. Insgesamt hätten ein paar mehr Uptempo-Nummern dem Energielevel gut getan – oder mehr Momente wie das Duett „Unbemannt“ mit Überraschungsgast Pe Werner. Da stehen sich plötzlich zwei Frauen gegenüber, die sich zu Höchstleistungen hochschaukeln. Und man sieht, dank welcher Qualitäten sich Mary Roos schon so lange im Geschäft gehalten hat: Professionalität und vor allem gesangliches Talent.