"Für die Vögel"Schau im Museum für Gegenwartskunst in Siegen

Maria Lassnig "Die Falknerin" von 1979.
Copyright: Museum für Gegenwartskunst Siegen
Vogel-Liebhaber und -Liebhaberinnen, Kunstfreunde und Suchende für anregende Familienausflüge in den großen Ferien sind eingeladen, die Ausstellung „Für die Vögel“ im Museum für Gegenwartskunst in Siegen anzuschauen. Ob sie aber glücklich werden, das bleibt eine Frage. Und wie dem Gästebuch zu entnehmen ist, wird sie durchaus kontrovers beantwortet.
Triggerwarnung
Denn sie beginnt gleich eingangs mit einer „Triggerwarnung“, einem Hinweis, der im Wortschatz kunstbeflissener Museumsbesucher noch nicht unbedingt angekommen ist. Eine Triggerwarnung „ist ein Hinweis an Zuschauer, Zuhörer, Leser oder Besucher, dass die gezeigten Inhalte provozierend, beleidigend oder verstörend sein können“.
Die Warnung wird ausgesprochen, bevor Inhalte gezeigt werden. Und was ist die Folge? Die Neugier steigt erst einmal. Jede(r) rennt sofort in die mit rund 40 Exponaten von 18 Künstlern und Künstlerinnen bestückte Schau, um die spannende Warnung zu entdecken. Sind es vielleicht die schwarzen Krähen auf unheilvollen schwarzen Plastiksäcken, die sich da in munterem menschlichem Plauderton unterhalten?
Diese Arbeit firmiert als „Archiv der Sorgen“, kreiert vom Duo FORT der Berlinerinnen Alberta Niemann und Jenny Kropp. Da in diesem anthropomorphen Rabenpalawer ein gutes Quentchen Humor und Ironie mitschwingt, kann das also nicht mit der Triggerwarnung verbunden sein. Und auch die beiden zwei Meter hohen Pinguine, die ein so trauriges Paar bilden, weil sie mit ihrem roten Schnabel siamesisch zusammengewachsen sind, „beleidigen oder verstören“ eigentlich nicht. Diese etwas tumbe evolutionäre Mutation erscheint hier eher wie ein zu verkopftes Kunstkonzept.
Funde aus dem Naturkundemuseum
Die 1984 in Talinn geborene Katja Novitskova hat die Skulptur unter dem Titel „Annäherung“ aus ausgeschnittenen Fotografien (Cutouts) auf Aluminiumplatten geschaffen. Wo man hinschaut, gibt es in der Schau viel Fotografie und Videos. Die Fotos von Peter Piller, 2004 Rubensförderpreisträger der Stadt Siegen, geben das Schwirren der Flügelschläge in Momentaufnahmen wieder. Wer einen QR-Code (mit Hilfe der freundlichen jungen Aufsichtskraft) betätigt, kann den Live-Gesang verschiedener (ausgestopfter) Vögel hören.
Auch wenn diese ornithologische Einrichtung von Dominik Eulberg ziemlich deckungsgleich mit ähnlichen Google-Programmen ist, mit einer Triggerwarnung hat es nichts zu tun. Gleiches gilt für die stramme Serie hoch zu ehrender Tauben, die militärische Verdienste in den beiden Weltkriegen einfuhren, in den Zeichnungen der 1970 in St. Petersburg geborene Anna Jermolaewa.
Sicher, die Reihe von Alk-Köpfen, einer ausgestorbenen Vogelart, die der studierte Biologe und Fotograf Jochen Lempert in den Naturkundemuseen in Deutschland aufgestöbert hat, ist nicht gerade schönheitsheischend, soll es aber als ganz gut platzierte Umwelt-Warnung auch nicht sein. Schließlich rutscht man durch die verschiedensten Videos, gelangt zu den Sheiks in der Wüste, die ihren Falken mehr oder minder gelangweilt zusehen, wie die eine Taube jagen, bis man sich fragt, wo denn eigentlich die Malerei bleibt.
Die Antwort gibt das in weichen Gelbtönen gemalte Dialogbild der 2014 verstorbenen Maria Lassnig, der Rubenspreisträgerin 2002 der Stadt Siegen. In einem Selbstporträt versucht die Künstlerin, auf gleicher Kopfhöhe den Falken mit seinem Käppchen zu ergründen. Doch schließlich greift die Triggerwarnung eben doch. Als empfindsamer Mensch wird man getriggert von dem blutrünstig unheimlichen Kinder-Märchen-Krähenspiel der 1986 in Kingston in England geborenen und heute in New York lebenden Marianna Simnett.
Vermittlungsraum
Von einer „surrealen alptraumhaften Ästhetik“ ist im Beiheft die Rede. Wer kann gerade in heutigen Tagen schon Kinder bluten und leiden sehen? Was wir zu sehen bekommen, ist Naturalismus im Exzess ohne Sammelbüchse für den Gazastreifen. Ob sich das kompensieren lässt, ist die Frage. Zugleich sind Familien in einem Vermittlungsraum eingeladen, „zu gestalten, zu schreiben, zu kuscheln und zu erkunden“.
Die Ausstellung „Für die Vögel“ im Museum für Gegenwartskunst in Siegen, Unteres Schloss 1, ist bis zum 9. November zu sehen. Geöffnet ist sie Dienstag bis Sonntag von 11-18 Uhr, Donnerstag von 11 -20 Uhr, ebenso an allen Feiertagen. Tickets kosten 5,90 Euro, ermäßigt 4,60 Euro.
mgksiegen.de