Weihnachtszeit, Musikzeit: Stars und Sternchen melden sich pünktlich mit neuen Alben als Untermalung für hektische Vorbereitungen, besinnliche Abende und fröhliche Bescherungen.
Von Helene Fischer bis KylieDas sind die neuen Weihnachtsalben der Saison

Karin Bachner „badet“ auf dem Cover ihres Weihnachtsalbums.
Copyright: Maria Frodl
Nach ihrem Doppelalbum zum Fest von einigen Jahren legt Helene Fischer nach: Die Zweifach-Mama bringt in ihrer Reihe „Die schönsten Kinderlieder“ eine „Winter- und Weihnachtszeit“-Ausgabe heraus. Während damals das „Erwachsenen-Album“ uninspiriert wirkte, versprüht diese Sammlung von neuen Liedern, deutschen und englischen Klassikern jede Menge Charme. Und es ist schön, Helene Fischers Stimme so unmittelbar und in einem fast akustischen Setting zu hören, weiter entfernt war sie von der Kategorie „Singendes Teflon“ noch nie. Es mag Momente geben, in denen dieser fröhliche Kindergeburtstag-Sound auf die Nerven geht. Aber auch die gehen vorüber.
Ach, die No Angels. Man freut sich auf jeden Fall, dass es mit dem Comeback geklappt hat, aber beim Anhören ihres erstens Weihnachtsalbums will sich keine ungetrübte Festtagsfreude einstellen. Keines der Lieder wird stören, wenn es irgendwo läuft, sei es im Radio oder zur Beschallung eines Glühweinstandes. Und dass die alle vier ordentliche Sängerinnen sind, ist hinlänglich bekannt. Doch gerade die Coverversion hat man sämtlich schon viel, viel besser, weil engagierter und ans Herz gehender gehört.
Für US-Country-Stars gehört es sich, wenigstens ein Weihnachtsalbum im Repertoire zu haben. Trisha Yearwood bringt mit „Christmastime“ sogar das dritte heraus und setzt musikalisch mehr auf sanften Big-Band-Sound, was aber mit ihrem „Twang“, dem für das Genre typischen nasalen Ton in der Stimme, ganz wunderbar harmoniert. Emotionaler Höhepunkt: „Merry Christmas, Valentine“, das Duett mit Ehemann Garth Brooks.
Auch Trompeter Herb Alpert veröffentlicht mit „Christmas Time Is Here“ seinen dritten Beitrag zum Fest. Nicht schlecht, reicht aber nicht ganz an die Easy-Listening-Leichtigkeit seines „Christmas Album“ von 1968 heran.
Aller guten Dinge sind drei - das bedeutet im Fall von Kylie Minogue, dass sie ihr Album „Kylie Christmas“ zum dritten Mal auf den Markt wirft. Auf der „Fully Wrapped“-Ausgabe finden sich drei neue Songs sowie ein vierter, so man denn Amazon-Kunde ist und keiner davon ist sonderlich aufregend. Das ist schade, aber auch nicht weiter schlimm, wenn das Originalalbum so viel Charme hatte.
Im Windschatten der großen Latino-Crooner wie Julio Iglesias macht Semino Rossi keine schlechte Figur. Auch auf „Blanca Navidad Weiße Weihnacht“ schmeichelt er sich sanft ins Ohr auf den spanischen Nummern. Da klingt er authentisch, ganz bei sich. Und etwa „Have yourself a merry little Christmas“ auf Spanisch zu hören, ist eine interessante Überraschung. Sein deutscher Akzent der schlagerhaften Nummern wie „Pulverschnee und Zärtlichkeit“ ist halt eher was für die Fans und auch nur ihnen dürfte die Herzen aufgehen und die Füße zu wippen beginnen, wenn deutsch-englische Fassungen von „Last Christmas“ oder „Mary’s boychild“ erklingen.
Auf Schlager setzt auch Ramon Roselly und wo ihm das Schmeichlerische fehlt, setzt er bei „Weihnachten wie damals“ trotz des nostalgischen Titels auf viele eher muntere Töne. Läuft das im Hintergrund, ist man angenehm versorgt. Hört man allerdings genauer hin, so erweisen sich Produktion und Arrangements als doch arg eindimensional.
„A Very Jonas Christmas Movie“ ist der Soundtrack zum Film der Jonas Brothers, der derzeit bei Disney+ gestreamt werden kann – und eine ebenso quirlige Angelegenheit. Hier wird eher auf die poppige Tube gedrückt. Ein Vergnügen.
In die Kategorie „überirdisch schön“ fällt „Joy To The World“ von Chanticleer. Das US-amerikanische A-cappella-Ensemble hat schon unzählige Weihnachtsalben herausgebracht. Der besondere Klang dieser Aufnahme ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass die aktuelle, zwölfköpfige Besetzung zur Hälfte aus Countertenören besteht.
Neue Wege beschreitet die amerikanischen A-cappella-Band Pentatonix mit ihrem achten(!) Weihnachtsalbum: Auf „Christmas In The City“ lasen sie sich fulminant von Orchester und Big Band begleiten. Hier ist eine musikalische Einheit am Werk, die nicht nur weiß, was sie tut, sondern auch dem Thema Weihnachtsmusik immer wieder etwas Neues abgewinnen kann. Vor allem das Titelstück verursacht Gänsehaut und weckt Erinnerungen, bei allen, die schon mal in der Vorweihnachtszeit New York besucht haben.
„The Star of Mendelssohn“ nennt Pianistin Marina Baranova ihr neues Album, auf dem sie dessen „Lieder ohne Worte“ mit Weihnachtsliedern kombiniert. Luftig leicht umflirrt Bekanntes wie „What child is this“ die Kompositionen Mendelssohn Bartholdys.
Vor fast 20 Jahren veröffentlichte der norwegische Jazzpianist Bugge Wesseltoft seine Platte „It's Snowing On My Piano“, von dem niemand dachte, dass es sonderlich erfolgreich sein könnte. Es dauerte auch vier bis fünf Jahre, bis es regelmäßig vor Weihnachten in den Charts auftauchte. Kurz danach begann Wesseltoft auch mit dieser Musik auf Tour zu gehen. Das Resultat auf CD: „It's Still Snowing On My Piano“, Live-Versionen aufgenommen in verschiedenen Städten in ganz Norwegen. Extrem ruhige, kontemplative Fassungen skandinavischer, englischer und deutscher Klassiker – und am Ende summen alle bei „Stille Nacht“ mit. Wunderschön.
Pünktlich wie ein schwedisches Uhrwerk veröffentlicht Nils Landgren alle zwei Jahre eine weitere Ausgabe seiner Reihe „Christmas With My Friends“, nun ist Nummer neun erschienen. Den Schwerpunkt bilden diesmal neue Kompositionen der „Friends“ wie „Christmas is here again“ von Gitarrist Johan Norberg oder das putzige „Said Santa Claus to Mrs. Claus“, das Sängerin Sharon Dyall geschrieben hat, und die nicht nur neben Vertrautem wie „Grown-up Christmas List“ bestehen können, sondern selbst auch das Zeug haben, in den weihnachtlichen Kanon aufgenommen zu werden.
Genauso nordisch, aber wenn das möglich ist noch sanfter geht das schwedisch-deutsch-südafrikanische (!) Duo Fjarill die Festtage an: Fast gehaucht werden auf „Strålande Juletid“ all die Lieder, die unter den Tannenbäumen des Hohen Norden zum Kanon gehören. Betörend.
„Ach, schon wieder ein Weihnachtsalbum von Blechbläsern?“ wird im Booklet von „Christmas with Salaputia Brass“ die Angel nach Komplimenten ausgeworfen. Und zunächst möchte man genau das denken. Aber spätestens bei „Leise rieselt der Schnee“ ist man eines Besseren belehrt: Aus der allbekannten Schnulze wird ein dreieinhalbminütiges Epos, das in seinen Bann zieht. Ebenso verblüffend wundervoll: „Dance of Joy and Sorrow“, in dem knapp zehn Minuten lang Händels Arie „Lascia ch’io pianga“ durch Variationen gewirbelt wird.
„Leise rieselt der Schnee“ wird auch von der österreichischen Jazzsängerin Karin Bachner veredelt, das auf „I’m In The Mood For Christmas“ in bester Bossa nova-Tradition daherkommt. Die Frage bleibt, ob man die x-te Swingversion von „Last Christmas“ oder Mariah Careys „All I Want For Christmas Is You“ braucht, auch wenn sie so prima gemacht werden, wie von Karin Bachner. Aber dann zeigt sie im Duett mit Kollegin Birgit Denk beim Song „Schenken“, wie cool und jazzig österreichische Mundart um die Ecke kommen kann.
Optisch würde man bei Richard Reschs „Die Nacht ist vorgedrungen“ an ein Album eines Indie-Singer-Songwriters denken: Bart, leicht verwuschelte Haare, Lederhose. Doch dann beginnt er zu singen, und es erklingt die Stimme eines Tenors schön artikuliert, den reduzierten Arrangements angemessen phrasiert widmet er sich Traditionellem wie „Maria durch ein Dornwald ging“ und Liedern vom 16. bis ins 20. Jahrhundert.
Fast ein wenig schwermütig sind die „Responsorios de Navidad“ des spanischen Komponisten Jośe de Nebra (1702−1768), die das Ensemble La Grande Chapelle als Ersteinspielung aufgenommen hat. Geschaffen für den Einsatz in Gottesdiensten sind sie von einer großen Feierlichkeit und der religiösen Hingabe geprägt.
Wesentlich beschwingter ist dagegen das „Natale Veneziano“, eingespielt von Il Pomo D'Oro. Das Ensemble ist auch Donna-Leon-Fans ein Begriff: Die Barock-Liebhaberin hat mit dem Ensemble mehrfach zusammengearbeitet. Nun widmet sich der „goldene Apfel“ Weihnachtlichem von Heinrich Schütz oder Monteverdi einmal mehr gleichermaßen sinnlich wie lupenrein.
Die deutsche Unterhaltungsindustrie treibt manchmal bizarre Blüten: Da kommt der Sohn der Hälfte des Duos Simon & Garfunkel über den großen Teich und tummelt sich seit einiger Zeit in der hiesigen Musikszene. Neuester Streich von Art Garfunkel Jr.: ein Album, auf dem er Klassiker halb englisch, halb deutsch intoniert. Das Resultat: als hätte eine KI ein weihnachtliches Bäuerchen gemacht.
