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„Irgendwann kommt immer ein Meer“Nils Langhans setzt ein Denkmal für den kranken Vater

2 min

Autor Nils Langhans

Mit feiner Sprache würdigt Langhans seinen Vater – ein berührendes Mosaik aus Alltagsmomenten, Verlust und leiser Größe.

Wie dicht kann Sprache sein, um einen Menschen in seinem ganzen Wesen zu erfassen? Wie viele Worte braucht es? Gibt es Grenzen des Sagbaren? Der in Velbert geborene Autor Nils Langhans ist 35 und nähert sich in seinem Buch „Irgendwann kommt immer ein Meer“ seinem vor einigen Jahren verstorbenen Vater. Was ist von diesem noch greifbar, welche Geschichten sind präsent, verschwimmen sie, wen kann man noch fragen? Wo ist die Grenze?

Unspektakulär setzt sich eine Alltagsgeschichte aus Erinnerungen zusammen, die zusammen ein Mosaik bilden, das von seltener Schönheit ist. Gerade weil Langhans den Vater nicht auf einen Sockel stellt, sondern als scheuen Finanzverwaltungsbeamten mit Aktentasche und Vorliebe für Teewurstbrote schildert, wird sein Protagonist nahbar. So nah, dass dem Leser immer wieder Tränen in die Augen schießen, vor Rührung und Ergriffensein.

Der Vater hat von Kind an eine Schuppenflechte, Psoriasis, die in schlimmen Phasen sein Äußeres so auffällig macht, dass andere hinschauen, sich abwenden, verletzend reagieren. So scheitert auch die erste Ehe. Aber der Vater fängt von vorne an, kämpft auch um den erstgeborenen Sohn, den Halbbruder des Autors und seiner jüngeren Schwester.

Das Meer verschafft Linderung, aber nie reicht die Zeit, um den Vater seelisch zu heilen. Ihm haftet eine Schüchternheit an, ein ständiges Sich-Entschuldigen macht ihn zur tragischen Figur. Aber der Sohn ist sein stärkster Fürstreiter, und was er posthum aus der Lebensgeschichte des Vaters zieht, ist seine Liebeserklärung in Worten, bei denen er es zu einer Meisterschaft gebracht hat, die aufhorchen lässt.

Musik liegt in der Sprache und eine lyrische Bildhaftigkeit. Langhans ist ein Menschenkenner, und das Unprätentiöse seiner Schilderung lässt erahnen, wie nah er dem Vater kommt. Zu ihm gehört der Aldi-Computer, auf dem er das Sparguthaben berechnet. Der Garten des Reihenhauses ist mit Waschbeton ausgelegt, der schwarze Opel Astra begleitet die Familie über Jahre, wie auch der kleine Hund.

Familiäre Enge wird nicht beschönigt, wie mit der Kamera geht der Autor an frühere Orte, schaut in die Vitrine, auf die Mecki-Puppe und holt zu Weihnachten das feine Geschirr heraus. Es gibt keine Witzelei, keine Häme, keine Abrechnung mit dem Spießbürgertum. Es ist die Verbeugung vor einer Lebensleistung und dem Zugewandtsein, die dem Leser mitunter die Sprache verschlagen will.

Nils Langhans: Irgendwann kommt immer ein Meer, Schöffling & Co., 128 S., 20 Euro.