UrsulaFantastische Fabelwesen im Museum Ludwig

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Die Ausstellung „Ursula. Das bin ich. Na und?“ ist bis 23. Juli im Museum Ludwig zu sehen.

Die Ausstellung "Ursula. Das bin ich. Na und?" ist bis 23. Juli im Museum Ludwig zu sehen.

Ursula Schultze-Bluhm gilt heute als eine der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Lange stand sie im Schatten ihres Manns, des Informelmalers Bernard Schultze. Das Museum Ludwig gibt ihr in einer international beachteten Retrospektive den ihr angemessenen Platz. 

Diese Augen. Schauen aus pelzbesetztem Schrank. Gründeln aus tiefstem Blau der Pfauenfeder. Blicken in eine verwobene Welt, die jedes Biologiebuch verblassen lässt. Es glotzt und glubscht und am Ende der neuen Ausstellung im Museum Ludwig hängt sie Aug’ in Aug ’ da – im Selbstporträt der Künstlerin aus dem Jahr 1995. Dazu gibt es ihr titelgebendes Zitat: „Ursula. Das bin ich. Na und?“

Nicht in Schubladen zu stecken

Nach 230 Bildern und Objekten–44 aus dem Bestand des Ludwig und Leihgaben aus 80 Quellen – hat man eine vage Ahnung von Ursula Schultze-Bluhms Innenwelten und ist erfrischt von einem Farbkosmos voller Energie. 1921 im brandenburgischen Mittenwalde geboren und 1999 in Köln verstorben, gilt sie heute als eine der bedeutenden deutschen Künstlerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

In Schubladen wollte sie nie gesteckt werden. Zeitgenossen sprachen von „Art Brut“, womöglich konnte sie mit dem Etikett „surreal“ noch am besten leben. Hervorstechend im Werk: Die akribische Zeichenkunst, die bis in die mikroskopisch anmutende Zellstruktur vordringt.

Stolz, eine Autodidaktin zu sein, war es eine lebenslange Weiterbildung in eigener Regie, gespeist aus Büchern, Beobachtungen und aus einer ganz persönlichen Fantasiewelt. Landschaften sind in Ursulas Kopf behaftet, so taucht im Köln-Bild neben der Hohenzollernbrücke und dem Dom auch das Tiefseegelände auf.

„Die Kunstgeschichte nutzte sie wie einen Steinbruch“, wie es Kurator Stephan Diederich formuliert. Renaissancemaler Arcimboldo inspirierte sie, was sichtbar ist. Doch statt Gemüse für Objektporträts zu verwenden, schuf sich Ursula eine eigene Bildersprache. Der Kopf der Jeanne d’Arc von 1953 ist mit einer filigranen Ornamentik der Gehirnbereiche versehen.

Exzentrische Künstlerin 

An ihrer Ikonografie strickte die exzentrische Künstlerin immer weiter. Beängstigende Traumbilder konterte sie mit Ironie, die auch mal makaber anmutet: Ein Mensch am Tisch isst sein Auge. Nicht immer ist klar, was Pflanze, was Tier, was Mensch oder Fabelwesen ist. In ihrem Bild „Die Schöne und das Biest“ wächst aus dem Hässlichen kein Prinz, die Frau befindet sich in der Wandlung zur Pflanze.

Pandora scheint die meist geliebte mythologische Gestalt Ursulas gewesen zu sein, womöglich sogar ihr Alter Ego. Das Diverse gehört zum Grundrhythmus. Einseitige Erzählweisen über die Verführungskünstlerin und fragwürdige Frauengestalt Salome gibt es erst gar nicht. Salome ist bei Ursula weiblich und männlich.

„Wir wollten sie nicht als vorausschauende Aktivistin zeigen“, erklärt Helena Kuhlmann, kuratorische Assistentin. „Alles fließt. Metamorphose ist der Ausgangspunkt.“

Chronologisch ist nur das Frühwerk zum Eingang der großen Schau angelegt. Zwischen 1950 und 1960 entstehen dicht komponierte Bilder in einfacher Wachsmaltechnik. Bunter Untergrund ist mit Schwarz übertüncht, daraus wiederum wird der bildnerische Gegenstand herausgekratzt. Später nutzte sie Öl und Lacke, ritzte mit dem Pinselschaft.

Experimente in der Alchemistenküche

„Unserer Restauratorinnen rätselten über die Bindemittel, die sich wahrscheinlich in der eigenen Alchemistenküche angemacht hatte“, so Diederich. Neben solchen Experimenten musste die Künstlerin sich noch um die Buchhaltung und Organisation von Ausstellungen für sich und ihren Mann, den Informelmaler Bernard Schultze kümmern. Diszipliniert machte sie sich Notizen zu den Skizzen für ihr jeweiliges Projekt. Oft fand sie erst nachmittags die Muße, ins Atelier zu gehen.

„Es wurde Zeit, diese Positionen wieder zu präsentieren“, erklärte Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig. Kunstkenner, die er im Rahmen der Maastrichter Kunstschau Tefaf (The European Fine Art Foundation) traf und vorab in die Ausstellung lotste, seien hellauf begeistert über die Entdeckung gewesen.

Die New York Times berichtete. Nach der etwas nüchtern-nachhaltigen Ausstellungsarchitektur der „Grünen Moderne“ versöhnt das Ludwig nun mit einer opulenten Schau, in der Grafiker Tino Graß, der auch den Katalog gestaltete, wunderbar intime Einblicke gestattet.

Bis 23. Juli, Di bis So 10 – 18 Uhr, Bischofsgartenstrasse 1.

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