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Nach Millionen-InvestitionMuseum eröffnet mit neuer Sicht auf Käthe Kollwitz

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„Kollwitz Neu Sehen" - Die Ausstellung zur Wiedereröffnung des Käthe Kollwitz Museum.

„Kollwitz Neu Sehen" - Die Ausstellung zur Wiedereröffnung des Käthe Kollwitz Museum.

Nach fast drei Jahren eröffnet das Kollwitz-Museum am Neumarkt in Köln. Am Wochenende lockt ein Fest die Besucher in die neu konzipierte Schau.

Käthe Kollwitz ist wieder da. Nach 1027 Tagen eröffnet das Museum der Kreissparkasse am Neumarkt, ausgestattet mit gut versteckter, energieeffizienter Klimatechnik, feinem LED-Licht und didaktischen Wunderkisten, die für die Neuen Medien mittlerweile so ferne Themen wie Drucktechnik oder die Tuscheätzung Aquatinta nahbar beleuchten.

Interaktive Aktionen

Rund vier Millionen Euro investierte die Sparkasse, die nicht nur das Museum im 4. Obergeschoss betreffen, sondern auch das Erdgeschoss, das zwar noch Baustelle ist, aber schon bald als neues „Kollwitz-Forum“ – anstelle der bisherigen „Neumarkt Passage“ – die Besucher in interaktiven Atelieraktionen auf das international anerkannte Konvolut des Museums aufmerksam machen soll.

„Ein klares Statement in Zeiten, in der es der Kultur nicht gut geht“, freut sich Direktorin Katharina Koselleck. Sie und ihr Team haben die knapp drei Jahre ohne Originale – die waren in Frechen eingelagert – und ohne Besucher intensiv genutzt, um Ideen zu entwickeln, wie die Malerin und Grafikerin der Zeit gemäß gezeigt werden könnte.

Sie kletterten vom wissenschaftlichen „Elfenbeinturm“, so Koselleck, in die Hochhaussiedlung Chorweiler, erreichten junge Menschen und merkten auch bei Ausstellungen in Frankfurt, New York oder Zürich, dass Kollwitz (1867 bis 1945) überall die Menschen bewegt – mit zunehmender Nachfrage.

So aktuell wie die Bildchronistin, die mit einem Berliner Arzt verheiratet war und im damals sozial schwachen Prenzlauer Berg Gesichter und Schicksale zeichnete, ist angesichts der weltweiten Krisen wohl kaum eine Künstlerin. Ihre Anti-Kriegs-Plakate möchte man am liebsten auch außerhalb des Museums sehen. Der weibliche Blick steht in der neuen Schau im Fokus und zeigt die uneingeschränkte Solidarität unter Frauen. Sei es gegen die Abtreibungsparagrafen, die unzählige Tragödien befeuerten, oder in Hungerkrisen, die beutelten – eine Kinderärztin initiierte eine Milchsammelstelle.

Film zeigt Kollwitz an der Staffelei

Gleichsam ist die Arbeit von Kollwitz sehr präsent. Der Schwarz-Weiß-Film „Schaffende Hände“ von Hans Cürlis aus dem Jahr 1923 zeigt die Kunstprofessorin in der Dauerschleife an der Staffelei: Groß und schwungvoll sind die Bewegungen des ausgestreckten Arms, mit weicher Kreide malt sie Mutter und Kind in einer Komposition, die beider Seelen spiegelt. Das Motto „Kollwitz neu sehen“ ist ehrgeizig, aber die Zeit während der Bau- und Sanierungsphase hat das Team für profunde Reche genutzt. Auch um eingefahrene Klischees zu verwischen, womöglich ein tieferes Bild der Sozialkritikerin und Humanistin zu zeichnen.

Tod und Trauer, die qualvollen Seiten der Mutterschaft thematisierte sie wie keine andere. Aber das war offenbar nur die eine Facette. Denn wer wusste bislang von Käthe Schmidt, der jungen noch unverheirateten Kunststudentin, die mit Freundinnen in der Bimmelbahn nach Venedig tuckerte, und um Geld zu sparen in äußerst bescheidenen Häusern nächtige? „Würmer und Getier“ in ihrem Bett beklagte sie gegenüber ihren Freundinnen. Die versprachen ihr „Asyl“. Allerdings: „Nur für Käthe, nicht für die Kakerlaken.“

Dass der Grundstock mit 63 Zeichnungen, die die Kreissparkasse 1983 kaufte, in Köln gesetzt wurde und zur international geschätzten Sammlung mit über 1000 Werken führte, ist laut Jan Kollwitz, dem Urenkel, seinen beiden Tanten Jutta Bohnke-Kollwitz, der Gründungsdirektorin des Museums, und ihrer Zwillingsschwester Jördes Erdmann zu verdanken. Sie lebten in der Domstadt.

Der 65-jährige Jan wiederum ist mit Sammlerin Ute Kahl und der Kreissparkasse derzeit mit der Gründung einer Stiftung beschäftigt, „die das Ziel hat, das Konvolut von Käthe Kollwitz ewig zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, wie Alexander Wüerst, Vorsitzender des Vorstands der Kreissparkasse verspricht.

Tuschezeichnung von den „Eltern“

Auch die Gegenwartskunst soll wieder Einzug erhalten und thematisch unter dem Titel „Bildstörung“ in Dialog mit Kollwitz’ berühmten Zyklen zum Beispiel zu den Bauernkriegen oder dem Weberaufstand treten. Kollwitz’ Themen konzentrierten sich auf Krieg, Trauer und Klage – das trauernde Elternpaar in St. Alban in Köln ist Zeuge. Die Sparkasse engagiert sich für die die Konservierung der Figurengruppe in der Kirchenruine, die Mahnmal für die Toten der Weltkriege und der NS-Diktatur ist.

Zu den rund 30 Neuerwerbungen und Dauerleihgaben des Museums zählt nun auch eine Tuschezeichnung, die Kollwitz 1931 von den „Eltern“ machte. Neue Bilder, neuer Blick – und trotzdem haben sich Koselleck und ihr Team entschieden, die Zahl der gezeigten Werke auf 1000 Quadratmetern auszudünnen. Die Ausstellungsgestaltung strizzi studio und Schilling Architekten setzen auf eine reduzierte, aber pointierte Formsprache. Die Zeichnungen erhalten somit mehr Platz und Luft, was die Lust am Betrachten nur fördert.

Zur Wiedereröffnung, die pünktlich zum 40-jährigen Bestehen des Hauses und dem 80. Todesjahr der Künstlerin erfolgt, gibt es am Wochenende ein großes Fest. Samstag ist bei freiem Eintritt von 11 bis 21 Uhr geöffnet, Sonntag, von 11 bis 18 Uhr. Es gibt Führungen, Mitmachangebote, Tanz und Schauspiel. Begleitend zur aktuellen Schau die bis Mitte März dauert, gibt es Archivführungen, Konzerte Workshops, die offene Druckwerksatt oder Entdeckungstouren für Kinder.