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KlangmassageNeue Kölner Konzertreihe „Ritual“ geht neue Wege

4 min
Sophie Emilie Beha und Wotjek Blecharz bei der Klangmassage.

Sophie Emilie Beha und Wotjek Blecharz bei der Klangmassage. 

Die neue Konzertreihe „Ritual“ vermittelt ein Hörerlebnis in direkter Begegnung. Es geht dabei um um religiöse, weltliche und spirituelle Rituale.

Ein metallisches, technisches Geräusch surrt wie ein Insekt um den Körper herum, der mit einer Schlafmaske ins Dunkel versetzt ist – es brummt. Langsam weitet sich das Klangspektrum, lässt Raum für natürliche Geräusche zu. Es gurgelt wie in einem Bach, ein Windhauch wird akustisch spürbar.

Ziegenglocken

Der Körper entspannt, fühlt sich an fremde Orte versetzt, geborgen, auch wenn es immer wieder Überraschungen gibt – wie etwas die Ziegenglocken oder den Autobus. „Field 5. Aura“ heißt das Stück des polnischen Komponisten und Performers Wojtek Blecharz, der in der Christuskirche mit jeweils einem Besucher eine ganz persönliche Klangmassage macht — eine Insel der Ruhe im Alltag.

Sieben kabellose Lautsprecher ordnet Blecharz um die auf den Boden liegende Person an. „Es ging mir darum, ein Klangfeld zu schaffen, das auf und um den Körper herum entsteht, so dass, am den Klang und das Stück in voller Immersion und am Körper erleben kann.“ Seine Komposition entwickelte er ursprünglich als Auftragsarbeit für das dänische Roskilde Festival, einem der größten Musikfestivals mit rund 200.000 Menschen. Spaziergänge verbunden mit MusikUnd Blecharz entwickelte sein Stück weiter – mit der Idee, sich auf die sehr individuelle Erfahrung zu konzentrieren.

Das wiederum brachte ihn mit Sophie Emilie Beha zusammen, die in Köln die neue Konzertreihe „Ritual – Spaziergänge & Musik“ ins Leben gerufen hat. „Ich habe bisher in Kollektiven gearbeitet und wollte aber etwas zum Thema Gemeinschaft, Verbindung und Nähe machen“, sagt Beha. Es habe sie gestört, dass man zwar in ein schönes Konzert gehe, aber sich mit anderen nicht so verbunden fühle.

Rituale stiften Gemeinschaft

„Es gibt irgendwie immer mehr Blasen und Bubbles und die Leute ziehen sich in dem zurück in das, was sie schon kennen.“ Um Gemeinschaft, Verbindung zu schaffen, habe sie zu den Ritualen gefunden. „Weil Rituale halt Gemeinschaft stiften, und zwar egal, wo und wie sie stattfinden.“

Die Konzertreihe, die bis November jeweils am ersten Tag des Monats in verschiedenen Locations rund um den Stadtgarten stattfinde, habe sie vielschichtig angelegt. Es gehe um religiöse, weltliche und spirituelle Rituale, ins Boot holt Beha Interpreten aus der Alten und der Neuen Musik und aus dem Jazz.

Glücklich ist sie darüber, die renommierte Komponistin Maria de Alvear für die Reihe gewonnen zu haben. Sie wird am 1. September in die Christuskirche kommen (siehe Kasten). „Maria hat sich in ihren Kompositionen eigentlich immer schon mit Ritualen beschäftigt“, sagt Beha. Für die Reihe mit insgesamt sechs Beiträgen sei das Alvear-Konzert das Kernstück. Ungewohnt sei das neue Format für einige Konzertgänger. Aber wenn Sie Gesichter wiedersieht, fühlt sich Beha bestätigt.

Alte Sufi-Philosophie

Elektronik verbindet Yara Mekawei am 1. Oktober, 19 Uhr, im Yaki des Stadtgartens mit Sufimystik. „Sie ist die erste Frau, die in der experimentellen Musikszene Ägyptens Karriere gemacht hat“, sagt Beha. Ein Fixstern ihrer Arbeiten seien alte Sufi-Philosophien: Jahrelang habe sich Mekawei mit dem „Buch der Toten“ beschäftigt, einem altägyptischen Manifest, das die Vorbereitung der Seelen auf ihre Reise ins Leben nach dem Tod beschreibt.

Abgeschlossen wird die Reihe am 1. November mit einer Performance im Stadtgarten. Der Regisseur Heinrich Horwitz und die Musiker und Dragqueens Jonathan Shapiro und Shlomi Moto Wagner performen dabei queere, jüdische Rituale. „Sie lassen zwischen Tanzmusik und zeitgenössischen Sounds einen Klangraum für den Drag der Religion entstehen“, sagt Beha. Vor dem Konzert findet ein Hör-Spaziergang statt. Treffpunkt ist um 19 Uhr vor dem Eingang zum Konzertsaal.

Fortgesetzt wird die Reihe der Ritual-Konzerte am 1. September, 19 Uhr, in der Christuskirche mit der Komponistin Maria de Alvear, Schülerin von Mauricio Kagel . Zusammen mit dem Ensemble „Handwerk“ wird sie Stücke aus der Werkreihe „Im Kern II“ aufführen. Dabei geht es darum, Unterschiede zwischen dem Vokabular des spirituellen, mentalen, physischen Körpers zu erforschen. Ihr Werk „Im Kontext“ ist dem Komponisten Udo Moll gewidmet. Zwei Uraufführungen gibt es zudem: im Werk „Klang“ geht ein Sextett dem Wind nach, der als Transportmittel für menschliche Gebete durch Musik dient. Und im Stück „Principios Y Comienzos“ spiegelt Alvears Erinnerungen an die Kindheit wieder, die auch Eindruck im Erwachsenenleben hinterlassen haben. Tickets für das Konzert mit dem Ensemble „Handwerk“ gibt es über die Homepage.