Die neue Ausstellung „Missionssammlungen ausgepackt“ im Rautenstrauch-Joest-Museum thematisiert die Tätigkeiten von Missionaren uns setzt sich kritisch auseinander.
Missionare und ihre SammlungenSchau im RJM beleuchtet Auswirkung auf indigene Kulturen

Blick in „Missionssammlungen ausgepackt“ im Rautenstrauch-Joest-Museum.
Copyright: Taimas Ahangari
Das Bild sieht auf den ersten Blick harmlos aus: Ein älterer Mann mit Vollbart spricht mit einem kleinen Mädchen, das ihn mit großen Augen anschaut. Zu sehen sind der französische Pater Angelicus Mielert und ein Kind, das zur Gruppe der Munduruku gehört, beheimatet im brasilianischen Bundesstaat Pará.
Doch auf der Glasvitrine, in der das Foto, das in den 40er oder 50er Jahren entstand, derzeit im Rautenstrauch-Joest-Museum zu sehen ist, stehen Zitate von Menschen, die die Zeit, in der Mielert in ihrer Region als Missionar tätig war, erlebt haben. Sie erinnern sich weniger an die „frohe Botschaft“, sondern zum Beispiel an die eingeschleppten Masern, an denen Familienmitglieder gestorben seien, oder an Nonnen, die Mädchen in ihrer Schule nur Waschen, Kochen oder Nähen beigebracht hätten.
Rabiates Vorgehen
Und schon ist man mittendrin in der Thematik der neuen Ausstellung im RJM: „Missionssammlungen ausgepackt“ beleuchtet die Wechselwirkung zwischen Mission, Ethnologie, kolonialen Strukturen und den Menschen in verschiedenen Regionen des Globalen Südens.
Missionare wollten ihren Glauben verbreiten und gingen dabei vielfach nicht zimperlich vor, selbst bei Menschen, die bereit waren zu konvertieren, wie ein Text in der Ausstellung eindringlich beschreibt. Loina Shohe, die zu den Naga im Nordosten Indiens gehört, berichtet, dass Naga sogar angewiesen wurden, ihre Häuser zu „zerstören und niederzubrennen, um die Annahme des Christentums zu demonstrieren“.
Sammelnde Missionare
Doch Missionare betätigten sich auch als Sammler - zum Teil aus privatem Interesse, zum Teil im Auftrag ihrer Orden, was kleine Handbücher mit Handlungsanweisungen belegen. Und sie schickten diese Objekte nach Europa, wo sie in Archiven ihrer Orden landeten, aber auch öffentlich gezeigt wurden. Mit den Ausstellungen sollten neue Missionare genauso wie Spenden generiert werden. Im Missiemuseum im niederländischen Steyl sind solche Objekte noch heute zu sehen, andere schlummern in Lagern vor sich hin.
Zum Beispiel die Sammlung der „Afrikamissionare Weiße Väter e.V.“. „Ihre Mitglieder leben heute in einer Seniorenresidenz in der Kölner Innenstadt“, erzählt Tim Karis vom CERES. Das Zentrum für religiöse Studien an der Ruhr-Universität Bochum ist zentraler Partner der Ausstellung. Als man CERES die kleine Sammlung anbot, habe man sie kurzfristig angenommen. „Aber dann standen diese Kisten bei uns vor dem Institut und wir mussten sie auspacken.“ Diese Idee sei dann in die Gestaltung der Ausstellung eingeflossen, die für das RJM von Oliver Lueb und Annabelle Springer kuratiert wurde.
Gelungene Ausstellungsarchitektur
Überall, wo man im Sonderausstellungsraum im zweiten Obergeschoss hinschaut, finden sich Kartons, Klebeband, Kordeln, Transportkisten, sowohl historische als auch solche, in denen die Leihgaben aktuell ins RJM gebracht wurden. Einige Vitrinen sind mit braunem Packpapier umwickelt, aus dem „Sichtfenster“ herausgerissen wurde. Die knappen, aber informativen Ausstellungstexte stehen auf Gepäckanhängern, die man in die Hand nehmen muss, um sie zu lesen. Eine gelungene Ausstellungsarchitektur (von Barbara Mugalu), die zwar spartanisch daherkommt, letztlich aber durchaus sinnlich ist.
Sicherlich eines der schönsten Stücke: ein indischer Teppich, in dessen Mitte eine Jesus-Figur thront. Um ihn herum sind sowohl biblische Szenen als auch solche der Krishna-Legende. Es ist eines der Beispiele dafür, wie sich christliche Motive in lokaler Handwerkskunst wiederfand.
An anderer Stelle steht eine Statue, die an den von Pfeilen durchbohrten Heiligen Sebastian erinnert, dessen Haut jedoch ohne Zweifel nicht weiß ist. Auf drei aus China stammenden Rollbildern von Christi oder auch Mariä Himmelfahrt sind die Gesichtszüge von Jesus und seiner Mutter chinesisch.
2200 Objekte im RJM
Im Gegenzug übernahmen aber auch die Missionare Gegenstände, die sie umdeuteten oder mit christlichen Symbolen versahen: Während in hinduistischen Tempeln die Rückplatten kleiner Altarlampen, die die Flamme reflektierte, mit glücksbringenden Gottheiten wie Lakshmi oder Ganesha verziert waren, versahen christliche Gemeinden diese Lämpchen mit dem Kreuz oder anderen Symbolen.
Der zweite Teil der Schau führt in die Dauerausstellung, zu sieben von den rund 2200 Objekten aus Missionssammlungen, die sich im Bestand des RJM befinden. Dazu gehört auch das Foto des kleinen Mädchens und des Missionars.
Wie auch bei dem Foto legt das Team des Museums Wert auf die Stimmen der Menschen aus den Herkunftsländern der Objekte. So hat etwa ein Team von Ehrenamtlern mit Wurzeln in Papua-Neuguinea die gezeigten Artefakte aus der Sammlung der Missionarin Adele Welsch ausgewählt, dazu geforscht und die Begleittexte verfasst. Und so wird die Ausstellung zu einem inspirierenden Dialog.
Bis 8. Februar 2026, geöffnet Di bis So 10−18 Uhr, Do 10−20 Uhr.