Kölner OpernchefinBirgit Meyer über die neue Saison und die Zukunft der Oper Köln

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Birgit Meyer

"Mare Nostrum" als erster Saisonhöhepunkt: Die Kölner Opernchefin Birgit Meyer.

Die gebürtige Kölnerin Birgit Meyer (Jahrgang 1960) ist seit 2012 Intendantin der Oper der Stadt. Vor der ersten Premiere der neuen Saison sprach sie mit Hartmut Wilmes über ihre Pläne und das Verhältnis zum Kölner Generalmusikdirektor François-Xavier Roth.

Stefan Englert, der neue Manager des Gürzenich-Orchesters, soll auch dessen Verhältnis zur Oper verbessern. Er ist da optimistisch. Teilen Sie diese Zuversicht?

Ja, die teile ich. Wobei es in der Natur der Sache liegt, dass die Intendantin einer Oper und der Generalmusikdirektor eines so großen Orchesters, das auch außerhalb der Oper auftritt, zum Teil unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Hier gilt es einen gemeinsamen Weg zu finden. Ich bin sehr froh, dass diese wichtige Schnittstelle zwischen Oper und Gürzenich-Orchester nun endlich wieder mit einem so kompetenten und erfahrenen Mann wie Herrn Englert besetzt ist.

Sind denn die Differenzen zwischen Ihnen und Herrn Roth ausgeräumt?

Wir hatten vor zwei Wochen unseren ersten Jour fixe der Saison, und ich würde es aufgrund unseres Planungsvorlaufs von drei, vier Jahren sehr begrüßen, wenn die Vertragsverhandlungen zwischen ihm und der Stadt möglichst rasch positiv abgeschlossen würden. Dann können wir in der gemeinsamen Arbeit weiter fortschreiten, denn darum geht es ja: hier zu den bestmöglichen künstlerischen Ergebnissen zu kommen.

Trotz der Differenzen?

Wir arbeiten jetzt mit vereinten Kräften an der „Salome“, die Mitte Oktober unsere erste große Premiere sein wird.

Die erste Saisonpremiere folgt am Wochenende mit „Mare Nostrum“. Warum haben Sie mit einer Wiederaufnahme von „Turandot“ begonnen?

Wir sind Sonntag mit einem richtig großen Opernabend gestartet, dessen Erfolg nicht größer hätte sein können.

Der letzte Quartalsbericht attestierte der Oper eine Auslastung von 88 Prozent. Lässt sich das noch steigern?

Für die gesamte Saison sind wir wohl bei etwas über 85 Prozent gelandet. Das ist mehr als im Vorjahr, aber man kennt das ja aus der Schule: Der Sprung von einer Zwei auf eine Eins kostet große Anstrengung. Und als subventionierter Betrieb müssen und wollen wir ja auch Stücke zeigen, die keine hundertprozentige Auslastung garantieren.

Wie „Mare Nostrum“?

Ja, wobei ich das schon als ersten Saisonhöhepunkt sehe. Nach Werken von Stockhausen und Zimmermann zeigen wir nun im Staatenhaus mit Mauricio Kagel den dritten großen Komponisten, den man weltweit mit Köln verbindet. Und „Mare Nostrum“ ist ein Werk der Stunde, in dem ein Stamm aus Amazonien ein Land im Mittelmeerraum überfällt und mit der eigenen Kultur überziehen will.

Heute ist Europa eher Anlaufstelle Schutzsuchender…

Und in diesem Zusammentreffen der Kulturen erleben wir gerade, wie schwer es ist, ein Miteinander ohne Angst und Abwehr zu ermöglichen. Kagel erzählt dies mit verfremdeter Sprache, einer ungemein sinnlichen Musik und durchaus auch mit ironischem Humor. Countertenor Kai Wessel, übrigens lange ein Nachbar von Kagel, und Miljenko Turk aus dem Ensemble singen und gestalten dies fantastisch.

Wo erwarten Sie weitere Glanzlichter?

Bei der „Salome“, der ersten Oper, die François-Xavier Roth von Richard Strauss dirigiert. Darauf freuen wir uns alle sehr. Und dann kommt mit „Peter Grimes“ gleich der nächste Höhepunkt. Zum einen, weil Nicholas Collon, erster Gastdirigent des Gürzenich-Orchesters, eine spannende musikalische Interpretation verspricht. Regisseur Frederic Wake-Walker stammt aus Benjamin Brittens Wohnort Aldeburgh, und die Ausstatterin Anna Jones, die sich Szenografin nennt, hat vor Kurzem im Victoria & Albert Museum in London eine vielfach ausgezeichnete Ausstellung über Oper „gebaut“. In Köln stellt sie ein ganzes Dorf auf die Bühne, und das Orchester sitzt mittendrin. So wollen wir wie bei den „Soldaten“ das Staatenhaus offensiv nutzen – nicht als Einschränkung, sondern als tolle Möglichkeit für einen neuen Zugang zum Musiktheater.

Und die zweite Saisonhälfte?

Neben „Rusalka“ ist dann nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Stadt Jacques Offenbach das Zentrum. Da zeigen wir die „Großherzogin von Gerolstein“. Die Titelpartie hat damals die berühmte Hortense Schneider übernommen, der seinerzeit viele Staatsoberhäupter ihre Aufwartung in der Künstlergarderobe gemacht haben. Theater und Wirklichkeit sind da miteinander verschwommen. Parallel gibt es noch die kleine, feine Uraufführung „Je suis Jacques“, die wir tatsächlich im Haus am Offenbachplatz spielen.

In den Kritiker-Umfragen steht die Oper Köln nicht in der ersten Reihe. Enttäuscht Sie das?

Die „Opernwelt“-Bilanz steht ja noch aus, da sind wir in den letzten Jahren durchaus verschiedentlich als „Opernhaus des Jahres“ genannt worden. In den Umfragen für NRW machen oft die kleineren Häuser das Rennen. Das nehme ich zur Kenntnis. Dennoch denke ich, eine Produktion wie „Die Soldaten“ steht künstlerisch für sich. Insgesamt haben wir international eine starke Position und viele Koproduktionspartner. Wobei für mich das Wichtigste bleibt, dass es hier passt, dass wir steigende Zuschauerzahlen und ja auch immer mehr junges Publikum haben.

Das alles passiert im Interim…

…von dem wir jetzt wissen, dass wir vor Januar 2023 die Schlüssel am Offenbachplatz nicht in die Hand bekommen. Darum arbeiten wir an der Aufwertung des Staatenhauses: zum Beispiel im Backstage-Bereich mit angemessen möblierten Garderoben für die Sängerinnen und Sänger. Und wir bekommen im Lauf der Saison eine neue Bestuhlung in Saal eins: richtige Klapptheatersessel für die Besucher.

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