Ehemaliger Intendant des SchauspielsKölner Regisseur Jürgen Flimm mit 81 Jahren gestorben

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Jürgen Flimm, damaliger Intendant der Staatsoper Berlin, blickt nach einem Interview 2016 in die Kamera des Fotografen.

Theaterlegende Jürgen Flimm.

Jürgen Flimm drückte als Theatermacher und Regisseur den Bühnen der Welt seinen Stempel auf. Seiner Heimatstadt Köln blieb er aber immer im Herzen verbunden. Jetzt ist er verstorben.

Köln trauert um eine echte Theaterlegende: Der Regisseur und ehemalige Intendant des Schauspiels, Jürgen Flimm, ist im Alter von 81 Jahren in Hamelwörden nordöstlich von Hamburg gestorben. Die Berliner Staatsoper Unter den Linden, eine seiner zahlreichen Wirkungsstätten, teilte dies am Wochenende mit.

Flimm wurde am 17. Juli 1941 in Gießen geboren – die Familie musste vor den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg aus Köln fliehen. Nach dem Krieg kehrten Flimm und seine Eltern in die Domstadt zurück, wo er in Mülheim und Dellbrück aufwuchs. Durch seinen Vater, einen Arzt und Theaterliebhaber, kam der junge Jürgen erstmals mit der Bühnenkunst in Berührung und unternahm im Theater Der Keller und an der Studiobühne erste Gehversuche als Schauspieler. Da er jedoch – wie er selbst zugab – Schwierigkeiten mit dem Textlernen hatte, beschloss er, sich als Regisseur zu versuchen.

All diese Projekte außerhalb des Gängigen, die waren faszinierend.
Jürgen Flimm

Nach dem Abitur studierte Flimm in Köln Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie. Seine Regiekarriere startete er 1968 als Assistent bei Fritz Kortner und Claus Peymann an den Münchner Kammerspielen. Als Theaterleiter des Schauspiels Köln verdiente er sich von 1979 bis 1985 Meriten: Die Zeit seiner Intendanz gilt heute als „Goldene Jahre“. „All diese Projekte außerhalb des Gängigen, die waren faszinierend, auch ‚Theater der Welt‘ 1981 mit Jérome Savary und allen Balletten von Pina Bausch – da haben wir die Stadt schön umgekrempelt“, erinnerte Flimm sich 2020 im Rundschau-Interview an damals zurück.

Nach seinem Weggang aus Köln leitete Flimm das Thalia-Theater in Hamburg von 1985 bis 2000. Der heutige Intendant, Joachim Lux, sprach von einem leidenschaftlichen Theatermenschen. „Jürgen Flimm war einer der herausragenden Intendanten der Republik, kunstsinnig, schlitzohrig und publikumsverliebt“, sagte Lux. „In Köln wie in Hamburg ermöglichte er immer wieder Künstler, die seinen eigenen beträchtlichen Ruhm sogar noch überstrahlten – dazu gehört Größe.“

Jürgen Flimm kehrte 2020 ans Schauspiel Köln zurück

Auch die Festspiele Salzburg, die Flimm 2006 bis 2010 leitete, bezeichneten ihn als einen der maßgeblichsten und erfolgreichsten Regisseure und Theaterleiter. Als „Zeichen der Trauer und der Dankbarkeit“ wehte eine schwarze Fahne am Festspielhaus. Flimm selbst sah sich als umgänglichen Regisseur, der für das Ensemble immer ansprechbar war und dessen Meinung schätzte: „Ich kann den Schauspielern nicht etwas aufs Auge drücken, was sie ablehnen, aber dann 30 Mal spielen und das Publikum trotzdem begeistern sollen“, sagte er der Rundschau.

Im Laufe seiner glanzvollen Karriere leitete Jürgen Flimm auch die Ruhrtriennale. Die Berliner Staatsoper Unter den Linden führte er von 2010 bis 2018. Er wirkte unter anderem an der Mailänder Scala, am Royal Opera House Covent Garden London, an der Wiener Staatsoper, an der Metropolitan Opera New York sowie bei den Bayreuther Festspielen. Obwohl er auf der ganzen Welt unterwegs war, blieb Flimm der Stadt Köln privat immer treu. Ans Schauspiel kehrte er zuletzt 2020 zurück, wo er Schillers „Don Karlos“ inszenierte, der wegen Corona nur im Stream gezeigt wurde. „Er ist an mich herangetreten, denn er ist vom Depot hingerissen“, freute sich Intendant Stefan Bachmann damals. „Alle Schauspieler wollen mit ihm arbeiten!“

Entsprechend traurig zeigt sich das Schauspiel Köln nun in einem Statement: „Wir verneigen uns vor einem großen Theatermacher, einem Mann voller Humor und bedingungsloser Liebe zur Kunst, vor einem Kollegen, Freund und kölschen Jung.“ (mit dpa)


Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker nannte den verstorbenen Jürgen Flimm „einen der herausragenden Theatermacher der Republik“, der „bedeutende künstlerische Spuren hinterlässt.“ Er habe immer das offene und humorvolle Naturell seiner rheinischen Heimat ausgestrahlt.

Bundeskanzler Olaf Scholz würdigt Flimm ebenfalls. „Ob Theater, Oper, TV oder Kino – Jürgen Flimm hat die Bühnen als Regisseur und Intendant erneuert und geprägt“, schrieb der SPD-Politiker auf Twitter. „Sein großes Herz, seine Zuversicht und sein feiner Humor werden nun fehlen.“

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) nannte den 1990 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Flimm „einen unserer wichtigsten Botschafter der Opern- und Theaterkunst“, dessen „viele wunderbare“ Inszenierungen im In- und Ausland gefeiert worden seien. (EB)

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