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Interview

Linda Zervakis
„Wer Zwangsgebühr sagt, will provozieren“

3 min
Linda Zervakis, Nachrichtensprecherin und Fernsehmoderatorin

Linda Zervakis, Nachrichtensprecherin und Fernsehmoderatorin

Die Journalistin Linda Zervakis zum Vokabular des Kulturstaatsministers, zur Wehrpflicht und zum Zustand der Schulen in Deutschland

Was läuft falsch an den deutschen Schulen? Das hat sich Linda Zervakis in ihrer Reportage „Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise!“ auf ProSieben gefragt. Im Interview mit Daniel Benedict berichtet die Journalistin, die selbst zwei schulpflichtige Kinder hat, über ihre persönliche Sicht auf das Thema.

Frau Zervakis, in Ihrer Reportage zur Bildung packen Sie ein Thema an, das Sie auch privat umtreiben dürfte. Auf welche persönliche Frage haben Sie dabei eine Antwort gefunden?

Ich habe gewisse Aspekte des staatlichen Schulsystems immer kritisch betrachtet und mir die Frage gestellt, ob alternative Bildungssysteme Lösungen bereithalten: Im Rahmen der Dreharbeiten zu „Raus aus der Bildungskrise!“ habe ich so gut funktionierende Beispiele alternativer Schulsysteme erlebt, dass ich die Frage heute positiv beantworten würde: Besonders beeindruckt haben mich Konzepte, die das Miteinander stärker in den Mittelpunkt stellen als das staatliche Schulsystem: Gesamtschulkonzepte, die nicht schon nach vier Jahren eine Trennung der Schülerinnen und Schüler nach Leistung vornehmen und in denen ältere Kinder jüngere Kinder unterstützen. Nicht alle Aspekte des staatlichen Bildungssystems haben sich aus gutem Grund etabliert: Ich denke, man kann und sollte den Willen und den Mut zur Veränderung haben.

Ihre Kinder sind zehn und 13 Jahre alt. Genießen die beiden eine bessere Schulbildung als Sie selbst in den 1980er und 1990er Jahren?

Beide genießen eine ähnliche Schulbildung wie ich. Sie sind auf einem ganz normalen öffentlichen Gymnasium – so wie ich damals. Meine Einschätzung ist, dass die Schulbildung in Deutschland in den letzten Jahrzehnten nicht grundsätzlich einen Qualitätsverlust erlitten hat, sondern leider, dass die sozial ohnehin schwächeren Gegenden leiden. Nicht zuletzt, weil sie mit der Integration noch nicht oder schlecht Deutsch sprechender Schülerinnen und Schüler schwer hinterherkommen: An sogenannten Brennpunktschulen unterrichtete Kinder sind es, die heute nach meiner Einschätzung tatsächlich eine deutlich schlechtere Schulbildung genießen, als Kinder meiner Generation sie in der Regel genossen haben.

Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Sohn zur Bundeswehr geht?

Der Gedanke, dass mein Sohn eines Tages mit der Waffe in der Hand unser Land verteidigen müsste, ist für mich schwer zu ertragen. Aber ich denke auch: Was passiert, wenn bei uns Krieg ausbricht? Wer schützt uns, wenn niemand mehr bereit ist, Verantwortung zu übernehmen? Die Diskussion über eine Wehrpflicht, ob sie nun freiwillig heißt oder nicht, ist in der aktuellen Lage unausweichlich.

Journalismus wird in den letzten Jahren so stark hinterfragt wie lange nicht mehr. Finden Sie die Debatte hilfreich? Was nehmen Sie für Ihre eigene Arbeit mit?

Grundsätzlich darf aus meiner Sicht alles hinterfragt werden. Auch wenn die Debatten um die Daseinsberechtigung des Journalismus zum Teil übers Ziel hinausschießen, muss man solche Stimmen ernstnehmen. Hier artikuliert sich ein Vertrauensverlust in die etablierten Medien: Journalismus lebt aber vom Vertrauen der Menschen – dieses Vertrauen entsteht nicht automatisch, sondern muss immer wieder neu erarbeitet werden. Das ist in den letzten Jahren unter dem Druck neuer an den Journalismus gestellter Herausforderungen – KI, soziale Medien, bewusste Fehlinformationskampagnen bestimmter Akteure etc. – nicht immer gelungen. Für meine eigene Arbeit nehme ich also in erster Linie die Frage mit, wie wir verlorenes Vertrauen in den Journalismus zurückgewinnen können: Wie können wir die Integrität des Journalismus gewähren und komplexe Themen so erzählen, dass sie verständlich bleiben, ohne sie zu vereinfachen? Gute journalistische Haltung bedeutet, neugierig zu bleiben, zuzuhören – auch dann, wenn es unbequem wird. Journalismus ist kein Monolog, sondern ein ständiger Dialog mit dem Publikum.

Der Kulturstaatsminister hält das Wort Zwangsgebühr für einen wertfreien Begriff. Hat er damit recht?

Nein, hat er nicht. Das Wort „Zwangsgebühr“ ist natürlich abwertend. Grundsätzlich kann und soll man über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutieren – aber bitte auf der Grundlage von Fakten, nicht mit Reizvokabeln. Wer das Wort „Zwangsgebühr“ wählt, will provozieren. Das ist legitim, ich weiß nur nicht, ob es zur Rolle eines Kulturstaatsministers passt.