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Museum FolkwangArbeiten von Paula Rego in Essen

4 min
Paula Rego: "Love"

Paula Rego: "Love" 

Nadine Engel kuratiert im Museum Folkwang die Retrospektive zu Paula Rego unter dem Titel „The Personal and The Political".

Ihre Bilder lösen ein Unbehagen aus, so dass sogar Paula Rego selbst einige von ihnen in Schubladen verwahrte, um nicht fortwährend mit ihrem Anblick konfrontiert zu werden. Danach gefragt, was sie zu ihren Arbeiten antreibe, sagte sie in einem Interview einmal, „um der Angst ein Gesicht zu geben“. So wie 1998, als ein Volksentscheid in Portugal die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen stoppte.

Werke aus sieben Jahrzehnten

Noch am selben Abend setzte sich die portugiesisch-britische Malerin hin und es entstand das erste Werk ihrer Serie „Abortion“, mit der sie auf das Thema Schwangerschaftsabbruch aufmerksam machen wollte. Es wird gemunkelt, die Bilder sollen maßgeblich dazu beigetragen haben, dass ein zweiter Volksentscheid 2007 dazu führte, dass Abtreibung in Portugal heute bis zur zehnten Woche legal ist. In Essen sind fünf der insgesamt elf Pastelle der Serie zu sehen, dazu der vollständige Radierzyklus.

Die verstörenden Bilder zählen zu den Höhepunkten der von Nadine Engel kuratierten Retrospektive „The Personal and The Political“, mit der das Folkwang Museum der am 8. Juni 2022 verstorbenen Paula Rego eine späte Ehre erweist. Während sie in ihrer Wahlheimat London seit 1990 zu den Großen gezählt wird, war sie in Deutschland lang nur Experten ein Begriff. Das änderte sich 2022 mit ihrem gloriosen Auftritt bei der 59. Biennale di Venezia, wo der von ihr gestaltete Raum im zentralen Pavillon für Furore sorgte. Seitdem gab es Ausstellungen in Basel und Hannover.

Jetzt also Essen, wo 130 Werke aus sieben Jahrzehnten zu sehen sind. Geboren 1935 in Lissabon und im Estado Novo (Neuer Staat) des faschistischen Diktators António de Oliveira Salazar aufgewachsen, lernte Paula Rego früh Zensur und Unterdrückung kennen. Um sie nicht Repressalien auszusetzen, schickten die Eltern sie auf eine englische Schule. 1952 verließ sie ihre Heimat, um an der Slade School of Fine Arts in London zu studieren.

Dort setzte sie die zeichnerischen Grundlagen, die ihre figurative Malerei prägen. Der Einfluss von Lucian Freud und Francis Bacon lässt sich erkennen. Mit Ausnahme weniger Jahre wird Rego in Großbritannien bleiben und 1959 dort die Staatsbürgerschaft annehmen. Die Verhältnisse in Portugal aber verliert sie nie aus dem Blick. Der beschränkte Handlungsraum der Frau im Salazar-Staat bildet sich schon in ihren Werken der 50er Jahre ab, mit denen die chronologisch gehängte Schau im Folkwang beginnt.

Malerei als politische Waffe

Auf Bildern wie „Celebration“ oder „The Birthday Party“ (beide 1953) sind sie an den Rand gedrängt, während die Männer im Zentrum stehen. In den 60er und 70ern zeigen ihre Arbeiten den Einfluss der Surrealisten, bevor sie in den 80ern dann in ihrer „Red Monkey“-Serie häusliche Gewalt aufgreift und Männer als prügelnde Affen zeigt. Das Private wird in ihren Werken zu einer kollektiven Erfahrung. Deswegen auch der Titel der Ausstellung, der auf die feministische Parole „Das Private ist politisch“ zurückgreift.

Paula Rego selbst bezeichnete sich als Feministin. „Wenn ich kann, dann setze ich Malerei als politische Waffe ein, um Denkweisen zu verändern.“ In der „Abortion“-Serie wandelt sie erotisch konnotierte Posen der Kunstgeschichte ab und zeigt Frauen, die illegal eine Abtreibung durchführen ließen. Ein Bild der Serie zeigt die robuste Engelmacherin. So bestürzend die Darstellung auch ist, erscheint die Warnung im Folkwang doch überzogen, die Zartbesaiteten die Chance gibt, diesen Bereich der Ausstellung auszusparen. In einer Zeit, in der im Internet immer alles zu sehen ist, dürften Paula Regos Bilder wohl kaum noch verstören.

Puppen im Schrank

Ob es Genitalverstümmelung oder Kritik an der Kirche ist. Um Macht und Machtmissbrauch, Depression und Erniedrigung, Kontrolle und Abhängigkeit geht es in ihrem Bestiarium der Menschheit. Auch Frauen kommen dabei nicht immer gut weg, etwa wenn die jungen Mädchen in der unbetitelten Serie aus den 80ern ihre Hunde mehr erdrücken als umarmen, oder die gute Fee auf „The Blue Fairy Whispers to Pinocchio“ (1995) den nackten Jungen gar zu narzisstisch umgarnt. Nicht weniger Furcht einflößend ist die einem Altar gleichende Installation „Oratorio“, die Paula Rego 2009 für das in einem ehemaligen Waisenhaus eingerichtete Foundling Museum in London konzipierte.

Sieben jener Puppen, die ihr ursprünglich nur als Modelle dienten, ab 2002 dann aber als eigenständige Kunstwerke gezeigt wurden, bevölkern einen Schrank, der psychologisch aufgeladen auch als Gebärmutter gelesen werden kann. Die Verletzungen der Waisenkinder, die von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden, lassen sich beim Betrachten geradezu fühlen.

Indem sie politische und sexualisierte Gewalt, soziale Ungerechtigkeit und körperliche Selbstbestimmung verarbeitete, ist Paula Rego heute aktueller denn je und zählt zu den wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart. Schade, dass sie ihren ganz großen Erfolg nur wenige Jahre noch hat genießen können.

Bis 7. September, Folkwang Museum Essen, Museumsplatz 1, Di-So 10-18 Uhr, Do und Fr 10-20 Uhr.