Oper KölnKatie Mitchells „Miranda“ gefällig und konservativ aufgeführt

In der Trauerhalle: John Heuzenroeder, Adriana Bastidas-Gamboa, Alastair Miles, Chor der Oper Köln.
Copyright: Sandra Then
Köln – Miranda ist wütend wie der Hölle Rachen. Mezzosopranistin Adriana Bastidas-Gamboa lässt den Zorn in ihrer Stimme temperamentvoll glühen und Funken schlagen, eine fulminante Darstellung. Als rächerische Braut verkleidet sprengt Miranda ihre eigene Trauerfeier, um den scheinheiligen oder in Unkenntnis der Lage naiven Gästen zu erzählen, wie es wirklich so weit kommen konnte: Dass sie sich (vermeintlich) im Meer ertränkt hat und man nun vor einem leeren Sarg von ihr Abschied nimmt.
Munterer Klang des Barock
Das ist der Plot der Oper „Miranda“, und wie der Zorn der Titelheldin den anderen Figuren erschließt er sich nur in Kenntnis der Vorgeschichte. Diese ist die Handlung von William Shakespeares beliebtem „The Tempest“ (Der Sturm). Darin zieht der Magier und Exil-Herzog Prospero seine Tochter Miranda auf einer einsamen Insel auf. Er lässt durch einen heraufbeschworenen Sturm einen ausgewählten Prinzen dort stranden, verheiratet ihn mit Miranda und gewinnt am Ende sogar sein Herzogtum zurück. Happy End.
Auf einen Blick
Das Stück: Fortsetzung von Shakespeares „Der Sturm“ als gut hörbare Barockmusik-Collage mit inhaltlichem Perspektivwechsel.
Die Regie: Die Britin Katie Mitchell führt auch in der deutschen Erstaufführung ihres Stücks selbst die Regie.
Das Ensemble: Das Gürzenich-Orchester unter George Petrou mit munterem Klang und Adriana Bastidas-Gamboa und Alastair Miles in beeindruckenden Solistenrollen. (fe)
„Miranda“ ist die Fortsetzung der Geschichte und deren Neubewertung aus Sicht der Titelheldin, die hier nun agiert, anstatt wie bei Shakespeare nur reagieren zu können. Es ist eine neue Oper und doch ganz und gar Barock. Die Regisseurin Katie Mitchell hat sie gemeinsam mit dem Dirigenten Raphaël Pichon (Arrangement) und der Dramatikerin Cordelia Lynn (Libretto) 2017 im Rahmen einer Koproduktion dreier französischer Theater gestaltet, jetzt erlebte das Stück die deutsche Erstaufführung in der Oper Köln.
Collagentechnik geht in Köln gut auf
Es ist ein Pasticcio aus den Werken des britischen Barock-Komponisten Henry Purcell, an einigen Stellen ergänzt durch Stücke aus anderen Federn. Die Collagentechnik ist in der Musikgeschichte lang erprobt und wurde von der Kritik nicht immer geschätzt, hier funktioniert sie aber musikalisch ausgesprochen gut.
Die einzelnen Stücke sind wohlkuratiert und im Stil der englischen Semi-Opera geschickt und bruchlos aneinander gefügt. Sie illustrieren die Geschichte, die diese Oper in englischer Sprache erzählt, unterstützt durch gelegentliche kurze Sprechpassagen. Musikalisch und dramaturgisch ist das Werk durch und durch konservativ und auch dadurch sehr gefällig.
Das Gürzenich-Orchester spielt unter George Petrou einen lebendigen, munteren Barockklang, unterfüttert und angereichert durch Blockflöten, Theorbe, Orgel und viel Cembalo. Konzertmeisterin Ursula Maria Berg setzt immer wieder berührende Soli. Die Musik ist der Star des Abends, denn bis Miranda erstmals auftritt, ist bald die Hälfte der kurzen Spieldauer des Stücks vorbei. Die Trauergemeinde in der von Chloe Lamford als moderne Waschbeton-Friedhofskapelle gestalteten Guckkasten-Kirche trägt bis dahin mit Chor und hochkarätigen Solostimmen melancholisches Repertoire vor. Bass Alastair Miles als Prospero ist hier noch der herrische, auch herbe Patriarch und ganz Herr seiner selbst und des Verfahrens. Die Arie für Knabenstimme ist durch Jakob Gepperts Vortrag ein Glanzpunkt, ebenso wie das Duett von Miles mit Ed Lyon als hinterbliebenem Ehemann Mirandas.
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Miranda reißt die Familienordnung ein. Nicht nur ist sie nicht tot, sondern auch nicht die Fügsame, als die sie ging. Sie klagt an: Verschleppung, Missbrauch, Zwangsheirat prägten ihr Leben. In Gestalt einer Masque, des zentralen Pantomimenspiels der Semi-Opera als Stück im Stück, wird dies der Trauergemeinde ganz buchstäblich vorgeführt. Der Zorn Mirandas geht über auf Prosperos neue Frau (Emily Hindrichs).
Die Figur des Patriarchen zerfällt im Angesicht dieser neuen Realität, verblasst schließlich in eine Nebelwelt, auch dieser Wandel ist gesanglich von Alastair Miles beeindruckend umgesetzt. Seine Frau bleibt wegen des gemeinsamen Kinds trotzdem bei ihm. Miranda zieht mit eigenem Mann und Sohn versöhnt von dannen. Trotz Zorn und Rache: Happy End.
Wieder am 5., 7., 13., 20. und 22.10., 19:30 Uhr (5. und 7. Auch 21:20 Uhr), Kartentelefon: 0221 / 221 28 400.