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Opernpremiere im Köln„Der Liebestrank“ wird bei der Premiere im Staatenhaus frenetisch gefeiert

Lesezeit 4 Minuten
Nach langem Kampf hat Nemorino (Dmitry Ivanchey) das Herz seiner Adina (Kathrin Zukowski) in Gaetano Donizettis Oper „Der Liebestrank“ erobert.

Nach langem Kampf hat Nemorino (Dmitry Ivanchey) das Herz seiner Adina (Kathrin Zukowski) in Gaetano Donizettis Oper „Der Liebestrank“ erobert.

In zwei Akten erzählt Gaetano Donizetti kurzweilig über die Fallstricke der Liebe. Von der ersten Aufführung im Jahr 1832 bis heute ist die Oper ein Hit. 

Hoch oben auf der Hochzeitstorte in Form einer riesigen Hüpfburg tänzelt herzallerliebst das Brautpaar aus Plastik. Die trendigste Weddingplanung könnte nicht besser ausschmücken, was mit dem Liebesbund für hochfliegende Erwartungen verknüpft werden. Die Torte steht dafür als Symbol.

Arien erhalten viel Raum

Aber in Damiano Michielettos Inszenierung von Gaetano Donizettis Oper „L'Elisir D'Amore (Der Liebestrank) dient sie auch als Spielwiese, Pool und Auffangbecken für die wilde Schaumparty. Ein Angriff auf die Netzhaut und Kitsch pur — was man alles aber schnell vergibt und vergisst, sobald die Musik einsetzt.

Matteo Beltrami steht nach seinem Dirigat von Verdis „Cenerentola“ erneut am Pult des Gürzenich-Orchesters. Es klingt — passend zum sonnigen Bühnenbild (Paolo Fantin) — alles mitreißend italienisch. Dem Maestro gelingt der Balanceakt, bei dem seitwärts sitzenden Orchester sowie der Bühne daneben mit Chor und Solisten gleichzeitig präsent sein zu müssen, spielerisch.

Er schwenkt einfach hin und her, bewegt sich dabei so tänzerisch, dass der gesamte Klangapparat mitwippt. Die Premiere im Staatenhaus wurde frenetisch gefeiert.  In Donizettis „Molodramma giocoso“ — gemeint ist eine genreübergreifende, ebenso lustige wie ernsthafte Oper — spielt das Orchester eher eine untergeordnete Rolle. Dafür erhalten die Arien umso mehr Raum.

Und der Vielschreiber Donizetti, dem 1832 nach dem unverhofften Auftrag im April ebenso wie seinem Librettisten Felice Romani nur wenige Wochen zur Verfügung standen, wird Tag und Nacht komponiert haben. Geschadet hat das Tempo nicht. Denn auch wenn die Handlung etwas kompliziert ist, verströmen Geschichte und Musik eine Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht. Mit der Mailänder Uraufführung im Mai 1832 wurden das Stück und der Komponist weltberühmt.

Intendant Hein Mulders hat die Produktion der Opernhäuser in Valencia und Madrid auch deswegen eingekauft, weil sie einer der derzeit angesagtesten und über Jahre ausgebuchten Regisseure inszieniert: Damiano Michieletto verlegt den ursprünglich von Donizetti und seinem Librettisten Felice Romani vorgesehen Handlungsort eines baskischen Dorfs Anfang des 19. Jahrhunderts, in die Gegenwart eines Strandszenarios im Stil von Baywatch.

Schaulauf der Eitlen und Schönen

Statt burlesken Szenen ist es ein Schaulauf der Eitlen und Schönen. Ihre Königin ist Adina (Kathrin Zukowski), die Pächterin des Strandbads. Und ausgerechnet Laufbursche Nemorino (Dmitry Ivanchey), in dessen Zuständigkeit Sonnenschirme, Liegen und Schwimmtiere fallen, ist Hals über Kopf in sie verliebt. Sich in der Sonne rekelnd lässt sie ihn abblitzen, fühlt sich dennoch geschmeichelt.

Die Chefin liest die Geschichte von Tristan und Isolde, die erst durch einen Trank zueinander finden – nichtsahnend, dass sie das gleiche Schicksal ereilen wird. Nemorino, den Ivanchey mit Bravour als schlichtes Gemüt mit großem Herz spielt, sitzt dem Quacksalber Dulcamara (Omar Montanari) auf.

Der dreht ihm als Liebestrank zwar keinen Rotwein an, wie es in der Originalhandlung steht, dafür aber einen Energydrink. Werbedosen davon werden in der Größe von Litfaßsäulen mit viel Klimbim an den Strand gekarrt. Aber just das bekommt Nemorino gar nicht mit.

Knapp gekleidet

Viel zu beschäftigt ist er mit der Frage, wie er seinen Rivalen, den Sergeanten Belcore (Insik Choi), überlisten und das Herz von Adina gewinnen kann. Sie will ihrern täppischen Verehrer herausfordern und bandelt mit dem Aufschneider an.

Als dessen Truppe Befehl zum Weitermarsch erhält, stimmt sie der sofortigen Trauung zu. Nemorino fleht sie an, noch zu warten. Denn er geht davon aus, dass der Trank erst am nächsten Tag wirkt. Auf der Bühne wird derweil Party gefeiert, die mit viel Seife und knapp gekleideten Körpern erstaunlich gut zu Donizettis Opernmusik passt.

Auch unter der Dusche wird gesungen. Adinas Angestellte Gianetta (Maya Gour) hat in der Bar alle Hände voll zu tun. Während der unaufhaltsamen Hochzeitsvorbereitungen kauft Nemorino beim Quacksalber verzweifelt eine zweite Flasche des Liebestranks. Der Preis ist hoch. Da er kein Geld mehr hat, lässt er sich ausgerechnet von Belcore für den Militärdienst anwerben.

An dieser Verzweiflungstat lässt sich die Intensität seiner Liebe messen. Donizetti legte die Figur Nemorinos (kleiner Niemand) nicht nur als Bauerntölpel an, sondern als menschliche Figur, die durch ihre Gefühle gewinnt. Der Wendepunkt kehrt ein, als am Strand das Gerücht die Runde macht, Nemorinos reicher Onkel sei gestorben und habe dem Neffen alles vermacht. Der Liebestrank scheint auf einmal zu wirken, denn alle Mädchen machen dem Unglücksraben schöne Augen.

Tierischer Gummiplunder

Adina bekommt das mit — und das Blatt wendet sich. Eine der schönsten Arien, „Una fortiva lagrima“ (Eine verstohlene Träne erschien in ihren Augen), singt Nemorino auf dem Dach der Bar „Adina“, deren Lettern zum Ausklang nach einander in sattem Rot aufblinken. Anschließend kraxelt er die Feuertreppe hinunter und findet sich bald darauf im Duett mit der Liebsten. Viel Bling-Bling, Sonnencreme, Designerbrillen und der ganze tierische Gummiplunder lassen nicht darüber hinwegtäuschen, dass ehrlichen Gefühle hier eindeutig gewinnen. Ein beherztes Plädoyer für bedingungslose Liebe. Zwei und dreiviertel Stunden mit Pause.

Wieder am 7., 12., 15., 17., 19., 22., 24., 26. und 30. 11. sowie am 2. und 6. 12.