Abschiedsinterview: Schauspiel-Intendant Rafael Sanchez über hohe Rechnungen, zerschredderte Pläne und große Inszenierungen.
Rafael Sanchez verlässt Schauspiel Köln„Die Bratwurst haben wir gestrichen!“

Rafael Sanchez blickt auf seine Zeit in Köln zurück.
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Zum Ende der Spielzeit verlässt Rafael Sanchez das Schauspiel Köln, wo er zunächst Hausregisseur und zuletzt Intendant war. Vor dem Wechsel ans Zürcher Schauspielhaus blickt er mit Axel Hill auf die zwölf Jahre in Köln zurück.
Sie sind im Endspurt. Ist die Abschiedsfeier geplant - und am wichtigsten: Wer bezahlt?
Die Bratwurst haben wir gestrichen. Nein, ernsthaft: Ich gebe jetzt keinen Cent mehr aus. Ich möchte nicht in einem Jahr hier sitzen und Anfragen dazu beantworten müssen. Wir hatten jetzt ein großes Fest nach der letzten Vorstellung von „Die Lücke“, das Stück, das wir 125 Mal gespielt haben und das für das Schauspiel Köln sehr wichtig war. Wir haben mit unserem Ensemble, der Technik und den Leuten von der Keupstraße gefeiert. Das Fleisch hat nun zur Hälfte Kilim bezahlt, die andere Hälfte habe ich übernommen.
Hat Sie die Kritik des Rechnungsprüfungsausschusses an den hohen Kosten für Feiern der Bühnen überrascht?
Wenn man das so in geballter Form liest, denkt man ja auch: Was ist jetzt da los? Denn dass man mit Steuergeldern super verantwortungsvoll umgehen muss, ist gar keine Frage. Das machen wir bei jeder Ausgabe, sei es für Requisite oder anderes.
Doch wenn man mit der Lupe an die Auflistung geht, sieht man, dass da einigermaßen mit Augenmaß gehandelt worden ist. In dieser Spielzeit haben wir eine Weihnachtsfeier gemacht, bei der die Mitarbeitenden sich an den Kosten beteiligt haben, und da sind wir ziemlich unter dem erlaubten Budget geblieben.
Eine der Begründungen für die häufigen Feiern war, dass man durch das immer länger andauernde Interim die Stimmung hochhalten musste.
Wir sind nicht die Einzigen, die mit Widrigkeiten in der Stadt Köln leben müssen. Aber am Theater ist es ein wenig anders: Durch Gäste oder Regieteams entsteht mehr Fluktuation, man macht ein Stück und geht wieder auseinander und bedankt sich.
Was die Liste aber auch so lang gemacht hat, ist die Tatsache, dass wir als „Bühnen der Stadt Köln“ gelistet wurden – was ja ein Unternehmen mit über 800 Mitarbeitenden ist, wobei Oper und Schauspiel mit ihren jeweiligen Teams praktisch auf vielen Ebenen wie zwei Betriebe arbeiten und da auch jeder für sich feiert.
Konnten Sie sich den Frust über die Interimsverlängerung mit „Grmpf“ und den Erfolg des Stücks „weginszenieren“?
Der Frust war vor allem darüber, dass man bei der Sanierung so viel Geld verbrennt und wir als Bühnen dafür verantwortlich gemacht werden. Das ist, als würde man den Chefarzt verantwortlich machen, dass der Umbau der Uniklinik zu viel kostet. Und heikel wird es dann, wenn versucht wird, aus den künstlerischen Budgets das Loch zu stopfen, das die Baustelle gerissen hat. Denn das führt dazu, dass man die neuen Häuser nicht füllen kann, aber einen Schuldenberg hat, den man irgendwann gar nicht mehr abtragen kann.
Sie sind seit 2012 als Hausregisseur hier gewesen. Was würden Sie im Rückblick sagen, ist Ihnen gut gelungen?
Ich fand interessant, was mit „Früchte des Zorns“ passiert ist: Die Geschichte ist eine Blaupause für das, was innerhalb von Nordamerika und jetzt global passiert. Unsere Premiere war in der Corona-Zeit, und zunächst gab es nur einen Stream, der so gut lief, dass wir später auch in der Originalinszenierung gezeigt haben.
Oder „Die letzten Männer des Westens“, wo die Realität das Stück überholt hat: Nicht nur Trump ist wieder da, auch in Polen, wo wir bei der Premiere noch dachten, dass es besser wird, sind wieder die Rechten mit an der Macht.
Und natürlich „Grmpf“: Es wurde Stadtgespräch, und die Leute rennen uns die Bude ein. Man versucht immer, Volkstheater zu machen, Theater für die Stadt. Wenn man es dann so trifft, macht das schon sehr großen Spaß. Sogar die Oberbürgermeisterin war da und fand es toll.
Egal, mit wem man spricht: Man hört immer wieder, wie entspannt das Arbeiten in dieser Spielzeit war, die Sie als Interimsintendant geleitet haben.
Zwischen zwei Städten, Köln und Zürich, zu pendeln, war herausfordernd für mich. Aber es war toll, was für ein Echo wir im Foyer und in der ganzen Stadt bekommen haben.
Hausintern habe ich am Anfang der Spielzeit dem Team gesagt, dass wir das Programm machen müssen, das für den Offenbachplatz geplant war. Die Alternative wäre gewesen, Regieteams abzusagen und auszubezahlen. Aber alle haben mitgezogen.
Sie hatten sich auch als Nachfolger von Stefan Bachmann beworben. War das mehr der Form halber oder wären Sie auch gerne noch länger geblieben?
Ich hätte Lust gehabt, die Stadt aus der Perspektive „Offenbachplatz“ kennenzulernen. Aber nicht noch einmal fünf Jahre Depot.
Aber ich bewundere die Kölnerinnen und Kölner, dass sie immer noch hierherkommen. Man ist fast abgeschnitten: Mit dem Auto kann man parken, wenn man schön früh kommt. Aber die Brücken sind zu. Und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Fuß vom Wiener Platz oder mit der Linie 4, die auch immer zu spät kommt. Wir warten immer zehn Minuten, bis alle da sind.
Wenn man einmal da ist, ist man an einem tollen Ort ...
... von dem ich hoffe, dass er erhalten bleibt.
Was wiederum fraglich ist, laut der Sparmaßnahmen, die im November verkündet wurden.
Es gibt keine andere Stadt in Deutschland, in der ich leben wollte: vom Politischen her; von dem, wie man sich hier fühlt. Was für Menschen, was für Firmen, wie viele Kreative hier sind. Das ist ein riesen Potenzial, und trotzdem schafft man es nicht, die Infrastruktur so hinzubekommen, dass man arbeiten kann. Wenn man sich anschaut, was alles brach liegt: die Studiobühne, das tollste Theater im Univiertel. Oder das Gelände an der Deutz-Mülheimer-Straße. Stockholm oder Zürich würden sich die Finger nach so etwas lecken.
Als Intendant saß ich jetzt auch im Kultur- und im Bühnenausschuss und konnte das alles etwas näher beobachten. Man schimpft immer auf die Politik, aber da sitzen Leute, die sich ehrenamtlich kümmern, die etwa versuchen, das Depot zu retten. Dann machen sie einen Plan, geben das alles an die Verwaltung, und es kommt geschreddert zurück.
Da gibt es einen demokratischen Entscheid zur Art der Fortführung des Depots, die Planungen beginnen. Und plötzlich ist alles ganz anders: Ein Musicalbetreiber soll mit rein. Dem Team, das die Tanzsparte leiten sollte, wird wieder abgesagt. Das ist schon sehr seltsam.
Wenn Sie jetzt gehen, was werden Sie nicht vermissen?
Die „gut funktionierende“ Infrastruktur. (lacht) Da bin ich wirklich Schweizer. Ich möchte, dass meine Straßenbahn kommt. Ich möchte, dass die Rolltreppe funktioniert. Ich möchte, dass, wenn was politisch entschieden wird, das durch den Rat kommt, dass das dann auch umgesetzt wird.
Die ultimativ letzte Frage: Glauben Sie an die Rückkehr an den Offenbachplatz zu Beginn der Spielzeit 2026/27?
Das ist gemein. (denkt nach). Sagen wir es mal so: Ich glaube an den Wiedereinzug. Punkt.