Die hochdefizitären Kölner Bühnen haben in drei Jahren fast 180.000 Euro für Betriebsfeiern ausgeben. Auch in anderen städtischen Dienststellen gibt es Ungereimtheiten bei Mitarbeiterfesten.
PrüfberichtKölner Bühnen feierten teure Partys auf Kosten der Steuerzahler

„Schauspiel forever“ steht auf einem Plakat an der Kölner Opernbaustelle. Die Bühnenchefs ließen den Slogan auf T-Shirts drucken und an Mitarbeiter verschenken.
Copyright: Meike Böschemeyer
„Nutzung betrieblicher Mittel für wertschätzende Maßnahmen wie Betriebsfeiern“. So lautet der Titel eines Prüfberichts des Rechnungsprüfungsamts (RPA), der zurzeit im Kölner Rathaus für helle Aufregung sorgt. In dem 19-seitigen nichtöffentlichen Bericht, der der Rundschau vorliegt, wird detailliert über opulente Betriebsfeiern der Kölner Bühnen auf Kosten der Steuerzahler berichtet. In den drei Jahren von 2022 bis 2024 haben die hochdefizitären Bühnen (Oper und Schauspiel) demnach 17 Betriebsveranstaltungen für insgesamt 178.181,03 Euro durchgeführt. Ein weiterer Prüfbericht zeigt Ungereimtheiten bei einer Feier des Mobilitätsdezernats und in weiteren städtischen Dienststellen. Zuerst hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ darüber berichtet. Fragen und Antworten.
Was war Anlass für die Prüfung des RPA?
Laut Prüfbericht gab es in der Kölner Stadtverwaltung im Herbst 2024 „verschiedene Anfragen zur Finanzierung von (Weihnachts-)Feiern“ sowie einen „offensichtlichen Informationsbedarf“. Am 10. Oktober 2024 veröffentlichte die Antikorruptionsstelle des RPA eine Information im Intranet der Stadtverwaltung, wonach die Finanzierung von Sommerfesten, Weihnachtsfeiern und Ähnlichem aus der Stadtkasse nicht erlaubt sei (siehe Infotext unten). Oberbürgermeisterin Henriette Reker antwortete am 17. Oktober im Intranet, ihr sei bewusst, dass sich die Mitteilung des RPA „nicht mit der langjährig gelebten Praxis in vielen Dienststellen deckt“.
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Warum wurde das RPA tätig?
Gemäß Gemeindeordnung NRW haben Kommunen ihren Haushalt „wirtschaftlich, effizient und sparsam“ zu führen. Schließlich geben sie das Geld der Steuerzahler aus. Das RPA ist für die „Prüfung der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung“ zuständig. Aufgrund der Intranet-Artikel meldeten sich die Bühnen beim RPA mit Fragen zu einer geplanten Weihnachtsfeier. Zu diesem Zeitpunkt habe es „diesbezüglich keine Regelung“ bei den Bühnen gegeben, stellte das RPA fest.
Was fanden die Rechnungsprüfer heraus?
Allein im Jahr 2022 führten die Bühnen sechs „wertschätzende Maßnahmen“ für Mitarbeitende für insgesamt 68.434,13 Euro durch. Nicht eingerechnet sind dabei Feiern zu Premieren oder Abschiedsvorstellungen, obwohl laut RPA teilweise Mitarbeitende der Bühnen zu diesen Feiern „mit DJ und Kölsch“ eingeladen waren.
Ein „Frühlingsfest“ am 23. Mai 2022 vor den neuen Werkstätten in Kalk, an dem Beschäftigte der Bühnen und des Gürzenich-Orchesters teilnahmen, führte zu Kosten in Höhe von 28.629,92 Euro, die „in gleichem Maße auf die Sparten Oper, Bühnen und Sanierung gebucht“ wurden. Geboten wurde den rund 550 Besuchern eine Live-Band, DJs sowie diverse Spiele wie „XXL Human Kicker (inkl. Moderation)“, Minigolf oder „XXL Mensch ärgere dich nicht“. Am 21. Juni 2022 wurde ein „Sommerfest nach Corona“ für 12.299,84 Euro gefeiert, bereits zehn Tage später ein „Spielzeitabschluss-Grillen“ für 8578,12 Euro. Am 30. August stand mit dem „Grill-Auftaktfest für die neue Intendanz“ (Opern-Intendant Hein Mulders) schon die nächste Sause auf dem Programm. Kosten: 18.303,39 Euro.
Wie ging es im Jahr 2023 weiter?
2023 stiegen die Kosten der Bühnen für Betriebsfeiern auf 74.894,46 Euro. Bei einem Grillfest zum Saisonabschluss am 12. Juni 2023 wurden 89 Flaschen Wein, 300 Liter Kölsch, diverse alkoholfreie Getränke sowie Speisen für 21.345,63 Euro gereicht. Bereits elf Tage später gab es ein „Sommerabschlussfest“, an dem rund 250 Beschäftigte der Sparten Schauspiel und Service sowie „ehemals langjährige Mitarbeitende im Ruhestand“ teilnahmen. Sie hatten offenbar viel Durst. Konsumiert wurden laut RPA-Bericht 167 Liter Wein, 450 Liter Kölsch und 965 Flaschen alkoholfreie Getränke.
Was passierte danach?
Im Jahr 2024 gaben die Bühnen 34.852,44 Euro für Betriebsfeiern aus. Dabei stach insbesondere das „Spielzeitabschluss-Grillen“ am 10. Juni für 18.079,43 Euro heraus. Dort wurden „Abschiedsgeschenke des scheidenden Intendanten“ an die Mitarbeitenden des Schauspiels verteilt, und zwar 600 T-Shirts mit dem Aufdruck „Schauspiel forever“ für 10.108,46 Euro, 530 Paar bedruckte Socken für 2838,15 Euro sowie eine nicht genannte Anzahl von Taschen. Für das Verteilen der Geschenke wurde für 75 Euro eine studentische Aushilfe beauftragt.
Laut RPA gehen die Bühnen davon aus, „dass der scheidende Intendant ausschließlich die Taschen bezahlt hat“. Gemeint ist Stefan Bachmann, der elf Jahre in Köln wirkte und im September 2024 die Leitung des Wiener Burgtheaters übernahm. Eine Sprecherin des Burgtheaters widersprach den Angaben der Kölner Bühnen. „Herr Bachmann hat die Taschen nicht selber bezahlt“, sagte sie der Rundschau. Die Abschiedsgeschenke seien keine Geschenke von Bachmann persönlich, sondern „die Direktion des Hauses“ habe das so entschieden.
Was sagen die Bühnen zu der Kritik?
Fast zeitgleich mit dem RPA-Bericht wurde bekannt, dass der geschäftsführende Direktor der Bühnen, Patrick Wasserbauer, zur Bayerischen Staatsoper wechselt. In Köln steht er wegen fehlender Jahresabschlüsse der Bühnen in der Kritik und weil er 15 Millionen Euro für die Sanierung am Offenbachplatz bei der Greensill-Bank parkte, die bald darauf pleite ging.
Auf Anfrage ließ Wasserbauer mitteilen, dass die Bühnen „seit März 2025 eine Bewirtungsrichtlinie der Betriebsleitung mit dezidierten Regelungen anwenden“. Die Beschäftigten seien durch das seit 2012 andauernde Interim enorm belastet. Betriebsfeiern würden „dazu beitragen, soziale Kontakte zu knüpfen, zu pflegen und zu festigen. Es hat sich bestätigt, dass die Arbeit an künstlerischen Produktionen reibungsfreier und besser läuft, wenn sich die Mitarbeitenden persönlich kennen und nicht nur per Telefon oder per Mail kommunizieren.“ Vor diesem Hintergrund habe man gemeinsame Zusammenkünfte „unterstützt, gefördert und auch mit den Bewirtungsbudgets der einzelnen Sparten finanziert“. Das Geld sei so „besser eingesetzt als durch nachträgliches Konfliktmanagement“.
Zu welchem Fazit kommt das RPA?
Es fordert präzise Richtlinien. Die neuen Regelungen der Bühnen zu Betriebsfeiern seien „nicht eindeutig“. Womöglich müssten sie sogar Steuern nachzahlen, denn es gelte ein Freibetrag von je 110 Euro pro Mitarbeiter für maximal zwei Betriebsfeiern pro Jahr. Höhere Beträge seien steuerpflichtig. Die Prüfer betonen: Ein verantwortungsbewusster Umgang mit betrieblichen Mitteln sei „dringend geboten, vor allem vor dem Hintergrund der prekären Haushaltslage“. Dass die Sanierung der Bühnen rund 1,5 Milliarden Euro kosten und der Betriebskostenzuschuss der Stadt deshalb auf mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr steigen wird, erwähnen sie nicht.
Was hat das RPA noch aufgedeckt?
Die Überprüfung weiterer städtischer Dienststellen ergab, dass die Praxis bei Betriebsfeiern sehr unterschiedlich ist und „dringender Regelungsbedarf“ bestehe. Die Rechnungsprüfer erkennen aber auch an: „Wertschätzende Maßnahmen im Rahmen von Feiern sind ein wesentlicher Bestandteil einer Unternehmenskultur und dienen der Stärkung des Zusammenhalts sowie der Motovation der Mitarbeitenden.“
Stichprobenartig wurden 70 Fälle untersucht, davon wiesen 20 Fälle Unregelmäßigkeiten auf, also fast jeder dritte. Das Verkehrsdezernat lud am 1. Dezember 2023 mit Steuergeld 16 Mitarbeitende ins Phantasialand ein. Samt Abendessen kostete das 960 Euro. Dezernent Ascan Egerer ließ mitteilen, es habe sich um eine Teambuildung-Maßnahme zur Vertrauensbildung gehandelt, weil zehn der 16 Personen neu im Team waren. Die Weihnachtsfeier sei „durchgängig als sehr gut beurteilt worden, und das Team ist deutlich enger zusammen gerückt“.
Ein weiterer Fall: Ein nicht näher bezeichnetes Museum lud mehrere Personen nach einer Ausstellungseröffnung in ein Restaurant ein, darunter auch den/die Partner/in der Direktion. Diese erklärte sich erst auf Nachfrage des RPA „bereit, die anteiligen Kosten zu erstatten, um eventuelle Missverständnisse zu vermeiden“. Auffällig aus Sicht des RPA war auch eine Feier des Stadtplanungsamts am 16.12.2023 zum Abschluss der Integrierten Planung für das Städtebauprojekt Kreuzfeld. Hier wurden 1867,24 Euro für einen mobilen Kaffeestand und 1190 Euro für den Ausschank von Gin ausgegeben. Im Rathaus geht nun die Sorge um, dass die dokumentierten Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind.
Was unternimmt die Verwaltung?
OB-Sprecher Alexander Vogel erklärte: „Für die Oberbürgermeisterin ist es eine Selbstverständlichkeit, dass städtische Mitarbeitende – insbesondere Führungskräfte – ein Gespür für den korrekten und gerechtfertigten Umgang mit öffentlichen Mitteln, dem Geld der Bürger*innen, haben. Insofern dürfen städtische Mittel nur in sehr begrenztem Umfang eingesetzt werden, um Wertschätzung für besondere Erfolge oder Leistungen von Mitarbeitenden auszudrücken.“ Die OB habe „eine Richtlinie beauftragt, die eindeutig regelt, in welchen Fällen und in welcher Höhe städtische Mittel eingesetzt werden dürfen. Diese wird in Kürze vorliegen.“
Mögliche Straftat
Das Rechnungsprüfungsamt (RPA) warnte die Beschäftigten der Stadt Köln am 10. Oktober 2024 im Intranet, „dass die Nutzung städtischer Mittel für Verpflegung bei Karnevalsfeiern, Sommerfesten, Weihnachtsfeiern oder Veranstaltungen ähnlicher Natur nicht erlaubt ist“. Einzig für „Bestellungen mit klarem Dienstbezug“, wie die Bewirtung von Kunden oder offiziellen Gästen dürfe eine „angemessene Verpflegung“ aus städtischen Mitteln bezahlt und im Rahmen dienstlicher Veranstaltungen angeboten werden.
„Eine Finanzierung alkoholischer Getränke mit städtischen Mitteln ist ausgeschlossen“, betonte das RPA. „Bitte beachten Sie, dass die missbräuchliche Nutzung städtischer Mittel auch bereits bei kleinen Beträgen eine Veruntreuung öffentlicher Gelder darstellt und damit den Straftatbestand der Untreue sowie des Betruges verwirklichen kann.“ Auch könne dies disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen und führe „in den meisten Fällen zu einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Gleiches gilt für das Sponsoring entsprechender Feiern durch Externe.“
Oberbürgermeisterin Henriette Reker entgegnete am 17. Oktober 2024 im städtischen Intranet: „Zu einer gesunden Unternehmenskultur und einem attraktiven und zeitgemäßen Arbeitsplatz gehört aber auch, dass zum Beispiel Projekterfolge und herausragende Leistungen wertgeschätzt werden. Das soll im dienstlichen Kontext weiterhin möglich bleiben.“ Sie habe daher die Verwaltung gebeten, „in Kürze verbindlich darzulegen, unter welchen Rahmenbedingungen dies möglich ist, um der aktuellen Verunsicherung entgegenzuwirken“ (fu).