Premiere im Schauspiel KölnEin Stück von 1979 thematisiert die heutige Situation im Iran

Lesezeit 3 Minuten
„Yazdgerds Tod“

von Bahram Beyzaie
Regie: Mina Salehpour
 
Regie: Mina Salehpour
Bühne: Afsoon Pajoufar
Kostüme: Maria Anderski
Musik & Komposition: Sandro Tajouri
Licht: Jan Steinfatt
Dramaturgie: Lea Goebel
 
Foto: Andreas Schlager

Elmira Bahrami und Daniel Nerlich in „Yazdgerds Tod“ von Bahram Beyzaie.

Mina Salehpours packende Inszenierung von "Yazdgerds Tod", einer Geschichte über die Suche nach Schuld und starke Frauen. 

„Immer laufen die Könige davon, und wir sind die Beute des Henkers.“ Das galt im Jahr 651 nach Christus, in dem „Yazdgerds Tod“ spielt – und 1979, dem Jahr der Islamischen Revolution im Iran, in dem Bahram Beyzaie das Stück schrieb. Und erst recht im September 2023, dem Zeitpunkt der deutschen Erstaufführung im Depot 1 des Schauspiels Köln.

Es herrscht Krieg, die Feinde sind in der Übermacht. Auf der Suche nach ihrem verschwundenen König entdecken ein General (Andreas Grötzinger) mit Gefolge (Daniel Nerlich) und ein Priester (Kei Muramoto) die Leiche Yazdgerds in einer heruntergekommenen Mühle.

Hier fristen der Müller (Stefko Hanushevsky), seine Frau (Elmira Bahrami) und deren kranke Tochter (Rebecca Lindauer) ihr Dasein, der Sohn der Müller-Familie ist gefallen.

Frage der Schuld

Obwohl sie ihr Urteil längst gefällt haben, beginnen General und Priester eine Investigation, in deren Verlauf die unterschiedlichsten Varianten eines möglichen Tathergangs präsentiert werden. „Jetzt scheint jede Lüge die Wahrheit zu sein“ heißt es irgendwann, bis sich herauskristallisiert, was wirklich geschehen ist – und sich gleichzeitig die Frage der Schuld erübrigt hat.

Regisseurin Mina Salehpour lädt die klassische Krimi-Struktur mit reichlich Atmosphäre auf: Die Bühne (von Afsoon Pajoufar) wird dominiert von einer halbrunden Wand aus auf Lücke gesetzten Ziegeln, über deren Standfestigkeit ein Damoklesschwert zu schweben scheint. Licht (Jan Steinfatt) und Musik (komponiert von Sandro Tajouri, überwältigend live gesungen von Mark Bérubé) bezeugen gleichermaßen Klarheit und Geheimnisse.

Macht und Ohnmacht

Doch Bahram Beyzaie erzählt mit der Krimihandlung nicht nur von Macht und Ohnmacht, sondern setzt den aus unterschiedlichen Gründen schwachen Männern extrem starke Frauen gegenüber, allen voran die Müllerin.

Ihr Sohn ist tot, die Tochter krank, der Mann nicht in der Lage, die Familie zu versorgen. Also tut sie, was ihr möglich ist, damit etwas zu essen auf dem Tisch ist. „Sende Moralschriften ruhig, Mobad, doch füge dem auch etwas Brot hinzu“, sagt sie dem Priester. „Wir Menschen sind von eurem Rat gesättigt und hungrig nach Brot.“

Aktuelle Proteste im Iran

Spätestens an dieser Stelle stellt sich der Bezug zur Gegenwart im Iran her, zu den Protesten der Frauen und der jungen Menschen, ausgelöst vor einem Jahr, als Jina Mahsa Amini starb, nachdem sie von der Sittenpolizei festgenommen worden war.

Die sich durch den im Raum stehenden Machtwechsel verschlimmernde Situation der Frauen lässt sich auf ihre Lage nach 1979 genauso übertragen, wie auf die momentane – oder auch auf die der Frauen etwa in Afghanistan.

Mit dem Unterschied, dass Yazdgerd wohl von seiner Feigheit vor dem Feind getrieben war, während heutige Machthaber im Iran und in Afghanistan von ihrem moralisch-religiösen Recht überzeugt sind.

Und so passt es auch, dass Elmira Bahrami in ihrer Rolle als der Anker der Rechtschaffenheit inszeniert wird — an einer Stelle wird sie von den Männern förmlich auf Händen getragen.

Ensemble wechselt die Sprachen

Allein die Entscheidung, das Ensemble hin und wieder in verschiedenen Sprachen agieren zu lassen, ist nicht schlüssig. Wenn Elmira Bahrami Farsi spricht, passt das zur Geschichte, das Schwedisch von Andreas Grötzinger, das Japanisch von Kei Muramoto erklärt sich höchstens durch ihre private Biografie, das Englisch von Daniel Nerlich nicht einmal dadurch.

Beim Zuschauen ist man auf jeden Fall gezwungen, eine Entscheidung zu treffen: Will man durchs Lesen der Übertitel verstehen oder will man keine Sekunde des intensiven Spiels verpassen? So oder so, man zieht leider den Kürzeren.

85 Minuten. Nächste Termine: 6., 8., 9. und 21.9., jeweils 19.30 Uhr.

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